Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.Jetzt glaubte ich die Gelegenheit gefunden zu haben? M 2
Jetzt glaubte ich die Gelegenheit gefunden zu haben? M 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0187" n="179"/> <p>Jetzt glaubte ich die Gelegenheit gefunden zu<lb/> haben, dem Marcheſe Wort zu halten. Ich machte<lb/> dem Prinzen begreiflich, daß ſein längeres Bleiben in<lb/> Venedig mit dem geſchwächten Zuſtand ſeiner Kaſſe<lb/> durchaus nicht beſtehen könne, und daß, im Fall<lb/> er ſeinen Aufenthalt über den zugeſtandenen Ter¬<lb/> min verlängerte, auch von ſeinem Hofe nicht ſehr<lb/> auf Unterſtützung würde zu rechnen ſeyn. Bey<lb/> dieſer Gelegenheit erfuhr ich, was mir bis jetzt ein<lb/> Geheimniß geweſen, daß ihm von ſeiner Schweſter,<lb/> der regierenden *** von ***, ausſchließend vor<lb/> ſeinen übrigen Brüdern und heimlich, anſehnliche<lb/> Zuſchüſſe bezahlt werden, die ſie gerne bereit ſeyn<lb/> würde zu verdoppeln, wenn ſein Hof ihn in Stiche<lb/> ließe. Dieſe Schweſter, eine fromme Schwärme¬<lb/> rin, wie Sie wiſſen glaubt die großen Erſparniſſe,<lb/> die ſie bey einem ſehr eingeſchränkten Hofe macht,<lb/> nirgends beſſer aufgehoben, als bey einem Bruder,<lb/> deſſen weiſe Wohlthätigkeit ſie kennt, und den ſie<lb/> enthuſiaſtiſch verehrt. Ich wußte zwar ſchon<lb/> längſt, daß zwiſchen beyden ein ſehr genaues Ver¬<lb/> hältniß Statt findet, auch viele Briefe gewechſelt<lb/> werden, aber weil ſich der bisherige Aufwand des<lb/> Prinzen aus den bekannten Quellen hinlänglich<lb/> beſtreiten ließ, ſo war ich auf die verborgene Hülfs¬<lb/> quelle nie gefallen. Es iſt alſo klar, daß der Prinz<lb/> Ausgaben gehabt hat, die mir ein Geheimniß wa¬<lb/> ren, und es noch jetzt ſind; und wenn ich aus ſei¬<lb/> nem übrigen Charakter ſchließen darf, ſo ſind es<lb/> gewiß keine andere, als die ihm zur Ehre gereichen.<lb/> Und ich konnte mir einbilden, ihn ergründet zu<lb/> <fw place="bottom" type="sig">M 2<lb/></fw> <fw place="bottom" type="catch">haben?<lb/></fw> </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [179/0187]
Jetzt glaubte ich die Gelegenheit gefunden zu
haben, dem Marcheſe Wort zu halten. Ich machte
dem Prinzen begreiflich, daß ſein längeres Bleiben in
Venedig mit dem geſchwächten Zuſtand ſeiner Kaſſe
durchaus nicht beſtehen könne, und daß, im Fall
er ſeinen Aufenthalt über den zugeſtandenen Ter¬
min verlängerte, auch von ſeinem Hofe nicht ſehr
auf Unterſtützung würde zu rechnen ſeyn. Bey
dieſer Gelegenheit erfuhr ich, was mir bis jetzt ein
Geheimniß geweſen, daß ihm von ſeiner Schweſter,
der regierenden *** von ***, ausſchließend vor
ſeinen übrigen Brüdern und heimlich, anſehnliche
Zuſchüſſe bezahlt werden, die ſie gerne bereit ſeyn
würde zu verdoppeln, wenn ſein Hof ihn in Stiche
ließe. Dieſe Schweſter, eine fromme Schwärme¬
rin, wie Sie wiſſen glaubt die großen Erſparniſſe,
die ſie bey einem ſehr eingeſchränkten Hofe macht,
nirgends beſſer aufgehoben, als bey einem Bruder,
deſſen weiſe Wohlthätigkeit ſie kennt, und den ſie
enthuſiaſtiſch verehrt. Ich wußte zwar ſchon
längſt, daß zwiſchen beyden ein ſehr genaues Ver¬
hältniß Statt findet, auch viele Briefe gewechſelt
werden, aber weil ſich der bisherige Aufwand des
Prinzen aus den bekannten Quellen hinlänglich
beſtreiten ließ, ſo war ich auf die verborgene Hülfs¬
quelle nie gefallen. Es iſt alſo klar, daß der Prinz
Ausgaben gehabt hat, die mir ein Geheimniß wa¬
ren, und es noch jetzt ſind; und wenn ich aus ſei¬
nem übrigen Charakter ſchließen darf, ſo ſind es
gewiß keine andere, als die ihm zur Ehre gereichen.
Und ich konnte mir einbilden, ihn ergründet zu
haben?
M 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |