Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.der Unterredung riß ihn dahin. Als die gesezte "Ueber einen so außerordentlichen Mann kann von D 3
der Unterredung riß ihn dahin. Als die geſezte „Ueber einen ſo außerordentlichen Mann kann von D 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0061" n="53"/> der Unterredung riß ihn dahin. Als die geſezte<lb/> Stunde da war, verſtummte er plötzlich, und wur¬<lb/> de ſtarr, alle ſeine Gliedmaßen verharrten in der¬<lb/> ſelben Richtung, worin dieſer Zufall ſie überraſch¬<lb/> te, ſeine Augen ſtanden, ſein Puls ſchlug nicht<lb/> mehr, alle Mittel die man anwendete, ihn wieder<lb/> zu erwecken, waren fruchtlos; und dieſer Zuſtand<lb/> hielt an, bis die Stunde verſtrichen war. Dann<lb/> belebte er ſich plötzlich von ſelbſt wieder, ſchlug die<lb/> Augen auf, und fuhr in der nehmlichen Sylbe fort,<lb/> worin er war unterbrochen worden. Die allgemei¬<lb/> ne Beſtürzung verrieth ihm, was geſchehen war,<lb/> und da erklärte er mit einem fürchterlichen Ernſt,<lb/> daß man ſich glücklich preiſen dürfte, mit dem<lb/> bloßen Schrecken davon gekommen zu ſeyn. Aber<lb/> die Stadt, worin ihm dieſes begegnet war, verließ<lb/> er noch an demſelben Abend auf immer. Der all¬<lb/> gemeine Glaube iſt, daß er in dieſer geheimnißvol¬<lb/> len Stunde Unterredungen mit ſeinem Genius hal¬<lb/> te. Einige meynen gar, er ſey ein Verſtorbener,<lb/> dem es verſtattet ſey, drey und zwanzig Stunden<lb/> vom Tage unter den Lebenden zu wandeln; in der<lb/> lezten aber müſſe ſeine Seele zur Unterwelt heim¬<lb/> kehren, um dort ihr Gericht auszuhalten. Viele<lb/> halten ihn auch für den berühmten Apollonius von<lb/> Thyana, und andre gar für den Jünger Johannes,<lb/> von dem es heißt, daß er bleiben würde bis zum<lb/> lezten Gericht.“</p><lb/> <p>„Ueber einen ſo außerordentlichen Mann kann<lb/> es freylich nicht an abentheuerlichen Muthmaßun¬<lb/> gen fehlen. Alles bisherige aber haben Sie bloß<lb/> <fw place="bottom" type="sig">D 3<lb/></fw> <fw place="bottom" type="catch">von<lb/></fw> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53/0061]
der Unterredung riß ihn dahin. Als die geſezte
Stunde da war, verſtummte er plötzlich, und wur¬
de ſtarr, alle ſeine Gliedmaßen verharrten in der¬
ſelben Richtung, worin dieſer Zufall ſie überraſch¬
te, ſeine Augen ſtanden, ſein Puls ſchlug nicht
mehr, alle Mittel die man anwendete, ihn wieder
zu erwecken, waren fruchtlos; und dieſer Zuſtand
hielt an, bis die Stunde verſtrichen war. Dann
belebte er ſich plötzlich von ſelbſt wieder, ſchlug die
Augen auf, und fuhr in der nehmlichen Sylbe fort,
worin er war unterbrochen worden. Die allgemei¬
ne Beſtürzung verrieth ihm, was geſchehen war,
und da erklärte er mit einem fürchterlichen Ernſt,
daß man ſich glücklich preiſen dürfte, mit dem
bloßen Schrecken davon gekommen zu ſeyn. Aber
die Stadt, worin ihm dieſes begegnet war, verließ
er noch an demſelben Abend auf immer. Der all¬
gemeine Glaube iſt, daß er in dieſer geheimnißvol¬
len Stunde Unterredungen mit ſeinem Genius hal¬
te. Einige meynen gar, er ſey ein Verſtorbener,
dem es verſtattet ſey, drey und zwanzig Stunden
vom Tage unter den Lebenden zu wandeln; in der
lezten aber müſſe ſeine Seele zur Unterwelt heim¬
kehren, um dort ihr Gericht auszuhalten. Viele
halten ihn auch für den berühmten Apollonius von
Thyana, und andre gar für den Jünger Johannes,
von dem es heißt, daß er bleiben würde bis zum
lezten Gericht.“
„Ueber einen ſo außerordentlichen Mann kann
es freylich nicht an abentheuerlichen Muthmaßun¬
gen fehlen. Alles bisherige aber haben Sie bloß
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