alle -- fährt der Graf von O** fort -- die in dem Augenblicke, wo ich dieses schreibe, viel¬ leicht mit Hohngelächter auf seine Schwachheit her¬ absehen, und im stolzen Dünkel ihrer nie angefoch¬ tenen Vernunft sich für berechtigt halten, den Stab der Verdammung über ihn zu brechen, nicht alle, fürchte ich, würden diese erste Probe so männlich überstanden haben. Wenn man ihn nunmehr auch nach dieser glücklichen Vorbereitung dessen ungeach¬ tet fallen sieht: wenn man den schwarzen Anschlag, vor dessen entferntester Annäherung ihn sein guter Genius warnte, nichts destoweniger an ihm in Er¬ füllung gegangen findet, so wird man weniger über seine Thorheit spotten, als über die Größe des Bu¬ benstücks erstaunen, dem eine so wohl vertheidigte Vernunft erlag. Weltliche Rücksichten können an meinem Zeugnisse keinen Antheil haben, denn Er, der es mir danken soll, ist nicht mehr. Sein schreckliches Schicksal ist geendigt, längst hat sich seine Seele am Thron der Wahrheit gereinigt, vor dem auch die meinige längst steht, wenn die Welt dieses lieset -- aber man verzeihe mir die Thrä¬ ne, die dem Andenken meines theuersten Freundes unfreywillig fällt -- aber zur Steuer der Gerech¬ tigkeit schreib' ich es nieder: Er war ein edler Mensch, und gewiß wär' er eine Zierde des Thro¬ nes geworden, den er durch ein Verbrechen erstei¬ gen zu wollen, sich bethören ließ.
Zweytes
alle — fährt der Graf von O** fort — die in dem Augenblicke, wo ich dieſes ſchreibe, viel¬ leicht mit Hohngelächter auf ſeine Schwachheit her¬ abſehen, und im ſtolzen Dünkel ihrer nie angefoch¬ tenen Vernunft ſich für berechtigt halten, den Stab der Verdammung über ihn zu brechen, nicht alle, fürchte ich, würden dieſe erſte Probe ſo männlich überſtanden haben. Wenn man ihn nunmehr auch nach dieſer glücklichen Vorbereitung deſſen ungeach¬ tet fallen ſieht: wenn man den ſchwarzen Anſchlag, vor deſſen entfernteſter Annäherung ihn ſein guter Genius warnte, nichts deſtoweniger an ihm in Er¬ füllung gegangen findet, ſo wird man weniger über ſeine Thorheit ſpotten, als über die Größe des Bu¬ benſtücks erſtaunen, dem eine ſo wohl vertheidigte Vernunft erlag. Weltliche Rückſichten können an meinem Zeugniſſe keinen Antheil haben, denn Er, der es mir danken ſoll, iſt nicht mehr. Sein ſchreckliches Schickſal iſt geendigt, längſt hat ſich ſeine Seele am Thron der Wahrheit gereinigt, vor dem auch die meinige längſt ſteht, wenn die Welt dieſes lieſet — aber man verzeihe mir die Thrä¬ ne, die dem Andenken meines theuerſten Freundes unfreywillig fällt — aber zur Steuer der Gerech¬ tigkeit ſchreib' ich es nieder: Er war ein edler Menſch, und gewiß wär' er eine Zierde des Thro¬ nes geworden, den er durch ein Verbrechen erſtei¬ gen zu wollen, ſich bethören ließ.
Zweytes
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0099"n="91"/>
alle — fährt der Graf von O** fort — die<lb/>
in dem Augenblicke, wo ich dieſes ſchreibe, viel¬<lb/>
leicht mit Hohngelächter auf ſeine Schwachheit her¬<lb/>
abſehen, und im ſtolzen Dünkel ihrer nie angefoch¬<lb/>
tenen Vernunft ſich für berechtigt halten, den Stab<lb/>
der Verdammung über ihn zu brechen, nicht alle,<lb/>
fürchte ich, würden dieſe erſte Probe ſo männlich<lb/>
überſtanden haben. Wenn man ihn nunmehr auch<lb/>
nach dieſer glücklichen Vorbereitung deſſen ungeach¬<lb/>
tet fallen ſieht: wenn man den ſchwarzen Anſchlag,<lb/>
vor deſſen entfernteſter Annäherung ihn ſein guter<lb/>
Genius warnte, nichts deſtoweniger an ihm in Er¬<lb/>
füllung gegangen findet, ſo wird man weniger über<lb/>ſeine Thorheit ſpotten, als über die Größe des Bu¬<lb/>
benſtücks erſtaunen, dem eine ſo wohl vertheidigte<lb/>
Vernunft erlag. Weltliche Rückſichten können an<lb/>
meinem Zeugniſſe keinen Antheil haben, denn Er,<lb/>
der es mir danken ſoll, iſt nicht mehr. Sein<lb/>ſchreckliches Schickſal iſt geendigt, längſt hat ſich<lb/>ſeine Seele am Thron der Wahrheit gereinigt, vor<lb/>
dem auch die meinige längſt ſteht, wenn die Welt<lb/>
dieſes lieſet — aber man verzeihe mir die Thrä¬<lb/>
ne, die dem Andenken meines theuerſten Freundes<lb/>
unfreywillig fällt — aber zur Steuer der Gerech¬<lb/>
tigkeit ſchreib' ich es nieder: Er war ein edler<lb/>
Menſch, und gewiß wär' er eine Zierde des Thro¬<lb/>
nes geworden, den er durch ein Verbrechen erſtei¬<lb/>
gen zu wollen, ſich bethören ließ.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><fwplace="bottom"type="catch">Zweytes<lb/></fw></div></div></body></text></TEI>
[91/0099]
alle — fährt der Graf von O** fort — die
in dem Augenblicke, wo ich dieſes ſchreibe, viel¬
leicht mit Hohngelächter auf ſeine Schwachheit her¬
abſehen, und im ſtolzen Dünkel ihrer nie angefoch¬
tenen Vernunft ſich für berechtigt halten, den Stab
der Verdammung über ihn zu brechen, nicht alle,
fürchte ich, würden dieſe erſte Probe ſo männlich
überſtanden haben. Wenn man ihn nunmehr auch
nach dieſer glücklichen Vorbereitung deſſen ungeach¬
tet fallen ſieht: wenn man den ſchwarzen Anſchlag,
vor deſſen entfernteſter Annäherung ihn ſein guter
Genius warnte, nichts deſtoweniger an ihm in Er¬
füllung gegangen findet, ſo wird man weniger über
ſeine Thorheit ſpotten, als über die Größe des Bu¬
benſtücks erſtaunen, dem eine ſo wohl vertheidigte
Vernunft erlag. Weltliche Rückſichten können an
meinem Zeugniſſe keinen Antheil haben, denn Er,
der es mir danken ſoll, iſt nicht mehr. Sein
ſchreckliches Schickſal iſt geendigt, längſt hat ſich
ſeine Seele am Thron der Wahrheit gereinigt, vor
dem auch die meinige längſt ſteht, wenn die Welt
dieſes lieſet — aber man verzeihe mir die Thrä¬
ne, die dem Andenken meines theuerſten Freundes
unfreywillig fällt — aber zur Steuer der Gerech¬
tigkeit ſchreib' ich es nieder: Er war ein edler
Menſch, und gewiß wär' er eine Zierde des Thro¬
nes geworden, den er durch ein Verbrechen erſtei¬
gen zu wollen, ſich bethören ließ.
Zweytes
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/99>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.