Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.
Nachbeten dessen, was andre gethan haben, erwür- gen! -- Mein Rath wäre, man bakte den Zettel in eine Wildpretpastete, so fänden ihn Serenissimus auf dem Teller -- Hofmarschall. Ciel! Diese Vermessenheit! -- So erwägen Sie doch, so bedenken Sie doch, wie sehr Sie sich in Disgrace sezen, Lady! Lady. (wendet sich zu der versammelten Dienerschaft, und spricht das folgende mit der innigsten Rührung) Ihr steht bestürzt guten Leute, erwartet angstvoll, wie sich das Räzel entwikeln wird? -- Kommt näher, meine Lieben -- Ihr dientet mir redlich und warm, sahet mir öfter in die Augen, als in die Börse, euer Gehorsam war eure Leidenschaft, euer Stolz -- meine Gnade! -- -- Daß das Andenken eurer Treue zugleich das Gedächtniß meiner Erniedrigung seyn muß! Trauriges Schiksal, daß meine schwärzesten Tage eure glüklichen waren! (mit Tränen in den Augen) Ich entlasse euch meine Kinder -- -- Lady Milford ist nicht mehr, und Johanna von Norfolk zu arm, ih- re Schuld abzutragen -- Mein Schazmeister stürze meine Schatulle unter euch -- Dieser Pallast bleibt dem Herzog -- Der Aermste von euch wird reicher von hinnen gehen als seine Gebieterin. (sie reicht ihre Hände hin, die alle nacheinander mit Leidenschaft küssen) Ich verstehe euch meine guten -- Lebt wol! Lebt ewig wol! (faßt sich aus ihrer Beklemmung) Ich höre den Wagen vorfahren. (sie reißt sich los, will hinaus, der
Nachbeten deſſen, was andre gethan haben, erwuͤr- gen! — Mein Rath waͤre, man bakte den Zettel in eine Wildpretpaſtete, ſo faͤnden ihn Sereniſſimus auf dem Teller — Hofmarſchall. Ciel! Dieſe Vermeſſenheit! — So erwaͤgen Sie doch, ſo bedenken Sie doch, wie ſehr Sie ſich in Disgrace ſezen, Lady! Lady. (wendet ſich zu der verſammelten Dienerſchaft, und ſpricht das folgende mit der innigſten Ruͤhrung) Ihr ſteht beſtuͤrzt guten Leute, erwartet angſtvoll, wie ſich das Raͤzel entwikeln wird? — Kommt naͤher, meine Lieben — Ihr dientet mir redlich und warm, ſahet mir oͤfter in die Augen, als in die Boͤrſe, euer Gehorſam war eure Leidenſchaft, euer Stolz — meine Gnade! — — Daß das Andenken eurer Treue zugleich das Gedaͤchtniß meiner Erniedrigung ſeyn muß! Trauriges Schikſal, daß meine ſchwaͤrzeſten Tage eure gluͤklichen waren! (mit Traͤnen in den Augen) Ich entlaſſe euch meine Kinder — — Lady Milford iſt nicht mehr, und Johanna von Norfolk zu arm, ih- re Schuld abzutragen — Mein Schazmeiſter ſtuͤrze meine Schatulle unter euch — Dieſer Pallaſt bleibt dem Herzog — Der Aermſte von euch wird reicher von hinnen gehen als ſeine Gebieterin. (ſie reicht ihre Haͤnde hin, die alle nacheinander mit Leidenſchaft kuͤſſen) Ich verſtehe euch meine guten — Lebt wol! Lebt ewig wol! (faßt ſich aus ihrer Beklemmung) Ich hoͤre den Wagen vorfahren. (ſie reißt ſich los, will hinaus, der
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in eine Wildpretpaſtete, ſo faͤnden ihn Sereniſſimus
auf dem Teller —
Hofmarſchall. Ciel! Dieſe Vermeſſenheit! —
So erwaͤgen Sie doch, ſo bedenken Sie doch, wie
ſehr Sie ſich in Disgrace ſezen, Lady!
Lady. (wendet ſich zu der verſammelten Dienerſchaft,
und ſpricht das folgende mit der innigſten Ruͤhrung) Ihr
ſteht beſtuͤrzt guten Leute, erwartet angſtvoll, wie
ſich das Raͤzel entwikeln wird? — Kommt naͤher,
meine Lieben — Ihr dientet mir redlich und warm,
ſahet mir oͤfter in die Augen, als in die Boͤrſe,
euer Gehorſam war eure Leidenſchaft, euer Stolz —
meine Gnade! — — Daß das Andenken eurer Treue
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Tage eure gluͤklichen waren! (mit Traͤnen in den Augen)
Ich entlaſſe euch meine Kinder — — Lady Milford iſt
nicht mehr, und Johanna von Norfolk zu arm, ih-
re Schuld abzutragen — Mein Schazmeiſter ſtuͤrze
meine Schatulle unter euch — Dieſer Pallaſt bleibt
dem Herzog — Der Aermſte von euch wird reicher
von hinnen gehen als ſeine Gebieterin. (ſie reicht ihre
Haͤnde hin, die alle nacheinander mit Leidenſchaft kuͤſſen)
Ich verſtehe euch meine guten — Lebt wol! Lebt
ewig wol! (faßt ſich aus ihrer Beklemmung) Ich hoͤre
den Wagen vorfahren. (ſie reißt ſich los, will hinaus,
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