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Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

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sem schwankenden Augenblik Lügen straft, und
deine betrogene Hofnungen an die ewige Er-
barmung verweißt, die der Elende für sich selbst
kaum erflehen kann -- Wie dann? (nachdrüklicher,
lauter)
Wie dann Unglükselige? (er hält sie fester,
blikt sie eine Weile starr und durchdringend an, dann
verläßt er sie schnell)
Jezt weiß ich nichts mehr (mit
aufgehobener Rechte)
stehe dir, Gott Richter! für diese
Seele nicht mehr. Thu was du wilst. Bring dei-
nem schlanken Jüngling ein Opfer, daß deine Teufel
jauchzen, und deine guten Engel zurüktreten -- Zieh
hin! Lade alle deine Sünden auf, lade auch diese,
die lezte, die entsezlichste auf, und wenn die Last
noch zu leicht ist, so mache mein Fluch das Gewicht
vollkommen -- Hier ist ein Messer -- durchstich dein
Herz, und (indem er lautweinend fortstürzen will) das
Vaterherz!

Louise. (springt auf und eilt ihm nach) Halt!
Halt! O mein Vater! -- Daß die Zärtlichkeit
noch barbarischer zwingt, als Tyrannenwuth! --
Was soll ich? Ich kann nicht! Was muß ich
thun?

Miller. Wenn die Küsse deines Majors heißer
brennen als die Tränen deines Vaters -- stirb!

Louise. (nach einem qualvollen Kampf mit einiger
Festigkeit)
Vater! Hier ist meine Hand! Ich will --
Gott! Gott! was thu ich? was will ich? -- Va-
ter ich schwöre -- Wehe mir, wehe! Verbrecherin
wohin
J 4
ſem ſchwankenden Augenblik Luͤgen ſtraft, und
deine betrogene Hofnungen an die ewige Er-
barmung verweißt, die der Elende fuͤr ſich ſelbſt
kaum erflehen kann — Wie dann? (nachdruͤklicher,
lauter)
Wie dann Ungluͤkſelige? (er haͤlt ſie feſter,
blikt ſie eine Weile ſtarr und durchdringend an, dann
verlaͤßt er ſie ſchnell)
Jezt weiß ich nichts mehr (mit
aufgehobener Rechte)
ſtehe dir, Gott Richter! fuͤr dieſe
Seele nicht mehr. Thu was du wilſt. Bring dei-
nem ſchlanken Juͤngling ein Opfer, daß deine Teufel
jauchzen, und deine guten Engel zuruͤktreten — Zieh
hin! Lade alle deine Suͤnden auf, lade auch dieſe,
die lezte, die entſezlichſte auf, und wenn die Laſt
noch zu leicht iſt, ſo mache mein Fluch das Gewicht
vollkommen — Hier iſt ein Meſſer — durchſtich dein
Herz, und (indem er lautweinend fortſtuͤrzen will) das
Vaterherz!

Louiſe. (ſpringt auf und eilt ihm nach) Halt!
Halt! O mein Vater! — Daß die Zaͤrtlichkeit
noch barbariſcher zwingt, als Tyrannenwuth! —
Was ſoll ich? Ich kann nicht! Was muß ich
thun?

Miller. Wenn die Kuͤſſe deines Majors heißer
brennen als die Traͤnen deines Vaters — ſtirb!

Louiſe. (nach einem qualvollen Kampf mit einiger
Feſtigkeit)
Vater! Hier iſt meine Hand! Ich will —
Gott! Gott! was thu ich? was will ich? — Va-
ter ich ſchwoͤre — Wehe mir, wehe! Verbrecherin
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J 4
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[135/0139] ſem ſchwankenden Augenblik Luͤgen ſtraft, und deine betrogene Hofnungen an die ewige Er- barmung verweißt, die der Elende fuͤr ſich ſelbſt kaum erflehen kann — Wie dann? (nachdruͤklicher, lauter) Wie dann Ungluͤkſelige? (er haͤlt ſie feſter, blikt ſie eine Weile ſtarr und durchdringend an, dann verlaͤßt er ſie ſchnell) Jezt weiß ich nichts mehr (mit aufgehobener Rechte) ſtehe dir, Gott Richter! fuͤr dieſe Seele nicht mehr. Thu was du wilſt. Bring dei- nem ſchlanken Juͤngling ein Opfer, daß deine Teufel jauchzen, und deine guten Engel zuruͤktreten — Zieh hin! Lade alle deine Suͤnden auf, lade auch dieſe, die lezte, die entſezlichſte auf, und wenn die Laſt noch zu leicht iſt, ſo mache mein Fluch das Gewicht vollkommen — Hier iſt ein Meſſer — durchſtich dein Herz, und (indem er lautweinend fortſtuͤrzen will) das Vaterherz! Louiſe. (ſpringt auf und eilt ihm nach) Halt! Halt! O mein Vater! — Daß die Zaͤrtlichkeit noch barbariſcher zwingt, als Tyrannenwuth! — Was ſoll ich? Ich kann nicht! Was muß ich thun? Miller. Wenn die Kuͤſſe deines Majors heißer brennen als die Traͤnen deines Vaters — ſtirb! Louiſe. (nach einem qualvollen Kampf mit einiger Feſtigkeit) Vater! Hier iſt meine Hand! Ich will — Gott! Gott! was thu ich? was will ich? — Va- ter ich ſchwoͤre — Wehe mir, wehe! Verbrecherin wohin J 4

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/139>, abgerufen am 21.11.2024.