Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite
wohin ich mich neige! -- Vater es sei! -- Fer-
dinand -- Gott sieht herab! -- So zernicht' ich
sein leztes Gedächtniß (sie zerreißt ihren Brief)
Miller. (stürzt ihr freudetrunken an den Hals)
Das ist meine Tochter! -- Blik auf! Um einen
Liebhaber bist du leichter, dafür hast du einen glük-
lichen Vater gemacht. (unter Lachen und Weinen sie
umarmend)
Kind! Kind, daß ich den Tag meines
Lebens nicht werth war! Gott weiß, wie ich schlech-
ter Mann zu diesem Engel gekommen bin! -- Mei-
ne Louise, mein Himmelreich! -- O Gott! ich
verstehe ja wenig vom Lieben, aber daß es eine
Quaal seyn muß, aufzuhören -- so was begreif ich
noch.

Louise. Doch hinweg aus dieser Gegend mein
Vater -- Weg von der Stadt, wo meine Gespie-
linnen meiner spotten, und mein guter Name da-
hin ist auf immerdar -- Weg, weg, weit weg von
dem Ort, wo mich so viele Spuren der verlorenen
Seligkeit anreden -- Weg, wenn es möglich
ist --

Miller. Wohin du nur wilst, meine Tochter.
Das Brod unsers Herrgotts wächst überall, und
Ohren wird er auch meiner Geige bescheeren. Ja!
Laß auch alles dahingehn -- Ich seze die Geschich-
te deines Grams auf die Laute, singe dann ein Lied
von der Tochter, die, ihren Vater zu ehren, ihr
Herz zerriss' -- wir betteln mit der Ballade von
Thüre
wohin ich mich neige! — Vater es ſei! — Fer-
dinand — Gott ſieht herab! — So zernicht' ich
ſein leztes Gedaͤchtniß (ſie zerreißt ihren Brief)
Miller. (ſtuͤrzt ihr freudetrunken an den Hals)
Das iſt meine Tochter! — Blik auf! Um einen
Liebhaber biſt du leichter, dafuͤr haſt du einen gluͤk-
lichen Vater gemacht. (unter Lachen und Weinen ſie
umarmend)
Kind! Kind, daß ich den Tag meines
Lebens nicht werth war! Gott weiß, wie ich ſchlech-
ter Mann zu dieſem Engel gekommen bin! — Mei-
ne Louiſe, mein Himmelreich! — O Gott! ich
verſtehe ja wenig vom Lieben, aber daß es eine
Quaal ſeyn muß, aufzuhoͤren — ſo was begreif ich
noch.

Louiſe. Doch hinweg aus dieſer Gegend mein
Vater — Weg von der Stadt, wo meine Geſpie-
linnen meiner ſpotten, und mein guter Name da-
hin iſt auf immerdar — Weg, weg, weit weg von
dem Ort, wo mich ſo viele Spuren der verlorenen
Seligkeit anreden — Weg, wenn es moͤglich
iſt —

Miller. Wohin du nur wilſt, meine Tochter.
Das Brod unſers Herrgotts waͤchſt uͤberall, und
Ohren wird er auch meiner Geige beſcheeren. Ja!
Laß auch alles dahingehn — Ich ſeze die Geſchich-
te deines Grams auf die Laute, ſinge dann ein Lied
von der Tochter, die, ihren Vater zu ehren, ihr
Herz zerriſſ' — wir betteln mit der Ballade von
Thuͤre
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#LOU">
            <p><pb facs="#f0140" n="136"/>
wohin ich mich neige! &#x2014; Vater es &#x017F;ei! &#x2014; Fer-<lb/>
dinand &#x2014; Gott &#x017F;ieht herab! &#x2014; So zernicht' ich<lb/>
&#x017F;ein leztes Geda&#x0364;chtniß <stage>(&#x017F;ie zerreißt ihren Brief)</stage></p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MIL">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Miller.</hi> </speaker>
            <p><stage>(&#x017F;tu&#x0364;rzt ihr freudetrunken an den Hals)</stage><lb/>
Das i&#x017F;t meine Tochter! &#x2014; Blik auf! Um einen<lb/>
Liebhaber bi&#x017F;t du leichter, dafu&#x0364;r ha&#x017F;t du einen glu&#x0364;k-<lb/>
lichen Vater gemacht. <stage>(unter Lachen und Weinen &#x017F;ie<lb/>
umarmend)</stage> Kind! Kind, daß ich den Tag meines<lb/>
Lebens nicht werth war! Gott weiß, wie ich &#x017F;chlech-<lb/>
ter Mann zu die&#x017F;em Engel gekommen bin! &#x2014; Mei-<lb/>
ne Loui&#x017F;e, mein Himmelreich! &#x2014; O Gott! ich<lb/>
ver&#x017F;tehe ja wenig vom Lieben, aber daß es eine<lb/>
Quaal &#x017F;eyn muß, aufzuho&#x0364;ren &#x2014; &#x017F;o was begreif ich<lb/>
noch.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LOU">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Loui&#x017F;e.</hi> </speaker>
            <p>Doch hinweg aus die&#x017F;er Gegend mein<lb/>
Vater &#x2014; Weg von der Stadt, wo meine Ge&#x017F;pie-<lb/>
linnen meiner &#x017F;potten, und mein guter Name da-<lb/>
hin i&#x017F;t auf immerdar &#x2014; Weg, weg, weit weg von<lb/>
dem Ort, wo mich &#x017F;o viele Spuren der verlorenen<lb/>
Seligkeit anreden &#x2014; Weg, wenn es mo&#x0364;glich<lb/>
i&#x017F;t &#x2014;</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MIL">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Miller.</hi> </speaker>
            <p>Wohin du nur wil&#x017F;t, meine Tochter.<lb/>
Das Brod un&#x017F;ers Herrgotts wa&#x0364;ch&#x017F;t u&#x0364;berall, und<lb/>
Ohren wird er auch meiner Geige be&#x017F;cheeren. Ja!<lb/>
Laß auch alles dahingehn &#x2014; Ich &#x017F;eze die Ge&#x017F;chich-<lb/>
te deines Grams auf die Laute, &#x017F;inge dann ein Lied<lb/>
von der Tochter, die, ihren Vater zu ehren, ihr<lb/>
Herz zerri&#x017F;&#x017F;' &#x2014; wir betteln mit der Ballade von<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Thu&#x0364;re</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0140] wohin ich mich neige! — Vater es ſei! — Fer- dinand — Gott ſieht herab! — So zernicht' ich ſein leztes Gedaͤchtniß (ſie zerreißt ihren Brief) Miller. (ſtuͤrzt ihr freudetrunken an den Hals) Das iſt meine Tochter! — Blik auf! Um einen Liebhaber biſt du leichter, dafuͤr haſt du einen gluͤk- lichen Vater gemacht. (unter Lachen und Weinen ſie umarmend) Kind! Kind, daß ich den Tag meines Lebens nicht werth war! Gott weiß, wie ich ſchlech- ter Mann zu dieſem Engel gekommen bin! — Mei- ne Louiſe, mein Himmelreich! — O Gott! ich verſtehe ja wenig vom Lieben, aber daß es eine Quaal ſeyn muß, aufzuhoͤren — ſo was begreif ich noch. Louiſe. Doch hinweg aus dieſer Gegend mein Vater — Weg von der Stadt, wo meine Geſpie- linnen meiner ſpotten, und mein guter Name da- hin iſt auf immerdar — Weg, weg, weit weg von dem Ort, wo mich ſo viele Spuren der verlorenen Seligkeit anreden — Weg, wenn es moͤglich iſt — Miller. Wohin du nur wilſt, meine Tochter. Das Brod unſers Herrgotts waͤchſt uͤberall, und Ohren wird er auch meiner Geige beſcheeren. Ja! Laß auch alles dahingehn — Ich ſeze die Geſchich- te deines Grams auf die Laute, ſinge dann ein Lied von der Tochter, die, ihren Vater zu ehren, ihr Herz zerriſſ' — wir betteln mit der Ballade von Thuͤre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/140
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/140>, abgerufen am 18.12.2024.