Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite
Thüre zu Thüre, und das Allmosen wird köst-
lich schmeken von den Händen der Weinenden --
Zweite Szene.
Ferdinand zu den Vorigen.
Louise. (wird ihn zuerst gewahr, und wirft sich
Millern laut schreiend um den Hals)
Gott! Da ist er!
Ich bin verloren.

Miller. Wo? Wer?
Louise. (zeigt mit abgewandtem Gesicht auf den
Major, und drükt sich fester an ihren Vater)
Er! Er
selbst! -- Seh er nur um sich Vater -- Mich zu
ermorden ist er da.

Miller. (erblikt ihn, fährt zurük) Was? Sie
hier Baron?

Ferdinand. (kommt langsam näher, bleibt Loui-
sen gegenüber stehn, und läßt den starren forschenden Blik
auf ihr ruhen, nach einer Pause)
Ueberraschtes Gewis-
sen, habe Dank! Dein Bekenntniß ist schreklich
aber schnell und gewiß, und erspart mir die Folte-
rung. -- Guten Abend Miller.

Miller. Aber um Gotteswillen! Was wollen
Sie Baron? Was führt Sie her? Was soll die-
ser Ueberfall?

Ferdinand. Ich weiß eine Zeit, wo man den
Tag in seine Sekunden zerstükte, wo Sehnsucht nach
mir sich an die Gewichte der zögernden Wanduhr
hieng,
J 5
Thuͤre zu Thuͤre, und das Allmoſen wird koͤſt-
lich ſchmeken von den Haͤnden der Weinenden —
Zweite Szene.
Ferdinand zu den Vorigen.
Louiſe. (wird ihn zuerſt gewahr, und wirft ſich
Millern laut ſchreiend um den Hals)
Gott! Da iſt er!
Ich bin verloren.

Miller. Wo? Wer?
Louiſe. (zeigt mit abgewandtem Geſicht auf den
Major, und druͤkt ſich feſter an ihren Vater)
Er! Er
ſelbſt! — Seh er nur um ſich Vater — Mich zu
ermorden iſt er da.

Miller. (erblikt ihn, faͤhrt zuruͤk) Was? Sie
hier Baron?

Ferdinand. (kommt langſam naͤher, bleibt Loui-
ſen gegenuͤber ſtehn, und laͤßt den ſtarren forſchenden Blik
auf ihr ruhen, nach einer Pauſe)
Ueberraſchtes Gewiſ-
ſen, habe Dank! Dein Bekenntniß iſt ſchreklich
aber ſchnell und gewiß, und erſpart mir die Folte-
rung. — Guten Abend Miller.

Miller. Aber um Gotteswillen! Was wollen
Sie Baron? Was fuͤhrt Sie her? Was ſoll die-
ſer Ueberfall?

Ferdinand. Ich weiß eine Zeit, wo man den
Tag in ſeine Sekunden zerſtuͤkte, wo Sehnſucht nach
mir ſich an die Gewichte der zoͤgernden Wanduhr
hieng,
J 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#MIL">
            <p><pb facs="#f0141" n="137"/>
Thu&#x0364;re zu Thu&#x0364;re, und das Allmo&#x017F;en wird ko&#x0364;&#x017F;t-<lb/>
lich &#x017F;chmeken von den Ha&#x0364;nden der Weinenden &#x2014;</p>
          </sp>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Zweite Szene.</head><lb/>
          <stage>Ferdinand zu den Vorigen.</stage><lb/>
          <sp who="#LOU">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Loui&#x017F;e.</hi> </speaker>
            <p><stage>(wird ihn zuer&#x017F;t gewahr, und wirft &#x017F;ich<lb/>
Millern laut &#x017F;chreiend um den Hals)</stage> Gott! Da i&#x017F;t er!<lb/>
Ich bin verloren.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MIL">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Miller.</hi> </speaker>
            <p>Wo? Wer?</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LOU">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Loui&#x017F;e.</hi> </speaker>
            <p><stage>(zeigt mit abgewandtem Ge&#x017F;icht auf den<lb/>
Major, und dru&#x0364;kt &#x017F;ich fe&#x017F;ter an ihren Vater)</stage> Er! Er<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t! &#x2014; Seh er nur um &#x017F;ich Vater &#x2014; Mich zu<lb/>
ermorden i&#x017F;t er da.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MIL">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Miller.</hi> </speaker>
            <p><stage>(erblikt ihn, fa&#x0364;hrt zuru&#x0364;k)</stage> Was? Sie<lb/>
hier Baron?</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#FER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Ferdinand.</hi> </speaker>
            <p><stage>(kommt lang&#x017F;am na&#x0364;her, bleibt Loui-<lb/>
&#x017F;en gegenu&#x0364;ber &#x017F;tehn, und la&#x0364;ßt den &#x017F;tarren for&#x017F;chenden Blik<lb/>
auf ihr ruhen, nach einer Pau&#x017F;e)</stage> Ueberra&#x017F;chtes Gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, habe Dank! Dein Bekenntniß i&#x017F;t &#x017F;chreklich<lb/>
aber &#x017F;chnell und gewiß, und er&#x017F;part mir die Folte-<lb/>
rung. &#x2014; Guten Abend Miller.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MIL">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Miller.</hi> </speaker>
            <p>Aber um Gotteswillen! Was wollen<lb/>
Sie Baron? Was fu&#x0364;hrt Sie her? Was &#x017F;oll die-<lb/>
&#x017F;er Ueberfall?</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#FER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Ferdinand.</hi> </speaker>
            <p>Ich weiß eine Zeit, wo man den<lb/>
Tag in &#x017F;eine Sekunden zer&#x017F;tu&#x0364;kte, wo Sehn&#x017F;ucht nach<lb/>
mir &#x017F;ich an die Gewichte der zo&#x0364;gernden Wanduhr<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 5</fw> <fw place="bottom" type="catch">hieng,</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0141] Thuͤre zu Thuͤre, und das Allmoſen wird koͤſt- lich ſchmeken von den Haͤnden der Weinenden — Zweite Szene. Ferdinand zu den Vorigen. Louiſe. (wird ihn zuerſt gewahr, und wirft ſich Millern laut ſchreiend um den Hals) Gott! Da iſt er! Ich bin verloren. Miller. Wo? Wer? Louiſe. (zeigt mit abgewandtem Geſicht auf den Major, und druͤkt ſich feſter an ihren Vater) Er! Er ſelbſt! — Seh er nur um ſich Vater — Mich zu ermorden iſt er da. Miller. (erblikt ihn, faͤhrt zuruͤk) Was? Sie hier Baron? Ferdinand. (kommt langſam naͤher, bleibt Loui- ſen gegenuͤber ſtehn, und laͤßt den ſtarren forſchenden Blik auf ihr ruhen, nach einer Pauſe) Ueberraſchtes Gewiſ- ſen, habe Dank! Dein Bekenntniß iſt ſchreklich aber ſchnell und gewiß, und erſpart mir die Folte- rung. — Guten Abend Miller. Miller. Aber um Gotteswillen! Was wollen Sie Baron? Was fuͤhrt Sie her? Was ſoll die- ſer Ueberfall? Ferdinand. Ich weiß eine Zeit, wo man den Tag in ſeine Sekunden zerſtuͤkte, wo Sehnſucht nach mir ſich an die Gewichte der zoͤgernden Wanduhr hieng, J 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/141
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/141>, abgerufen am 21.11.2024.