Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite
chen Kindheit wachten jezt wieder mit verführendem
Schimmer auf -- Schwarz wie das Grab grau'te
mich eine trostlose Zukunft an -- Mein Herz brann-
te nach einem Herzen -- Ich sank an das seinige
(von ihm weg stürzend) Jezt verdammen Sie mich!

Ferdinand. (sehr bewegt, eilt ihr nach, und hält
sie zurük)
Lady! o Himmel! Was hör ich? Was
that ich? -- -- Schreklich enthüllt sich mein Frevel
mir. Sie können mir nicht mehr vergeben.

Lady. (kommt zurük, und hat sich zu sammeln ge-
sucht)
Hören Sie weiter. Der Fürst überraschte
zwar meine wehrlose Jugend -- aber das Blut der
Norfolk empörte sich in mir: Du eine geborene
Fürstin, Emilie, rief es, und jezt eines Fürsten
Konkubine? -- Stolz und Schiksal kämpften in mei-
ner Brust, als der Fürst mich hieher brachte, und
auf einmal die schauderndste Szene vor meinen Au-
gen stand. -- Die Wollust der Großen dieser Welt ist
die nimmer satte Hyäne, die sich mit Heißhunger
Opfer sucht. -- Fürchterlich hatte sie schon in diesem
Lande gewütet -- hatte Braut und Bräutigam zer-
trennt -- hatte selbst der Ehen göttliches Band zer-
rissen -- -- hier das stille Glük einer Familie ge-
schleift -- dort ein junges unerfahrnes Herz der
verheerenden Pest aufgeschlossen, und sterbende Schü-
lerinnen schäumten den Namen ihres Lehrers unter
Flüchen und Zukungen aus -- Ich stellte mich zwi-
schen das Lamm und den Tyger; nahm einen fürst-
lichen Eid von ihm in einer Stunde der Leiden-
schaft,
D
chen Kindheit wachten jezt wieder mit verfuͤhrendem
Schimmer auf — Schwarz wie das Grab grau’te
mich eine troſtloſe Zukunft an — Mein Herz brann-
te nach einem Herzen — Ich ſank an das ſeinige
(von ihm weg ſtuͤrzend) Jezt verdammen Sie mich!

Ferdinand. (ſehr bewegt, eilt ihr nach, und haͤlt
ſie zuruͤk)
Lady! o Himmel! Was hoͤr ich? Was
that ich? — — Schreklich enthuͤllt ſich mein Frevel
mir. Sie koͤnnen mir nicht mehr vergeben.

Lady. (kommt zuruͤk, und hat ſich zu ſammeln ge-
ſucht)
Hoͤren Sie weiter. Der Fuͤrſt uͤberraſchte
zwar meine wehrloſe Jugend — aber das Blut der
Norfolk empoͤrte ſich in mir: Du eine geborene
Fuͤrſtin, Emilie, rief es, und jezt eines Fuͤrſten
Konkubine? — Stolz und Schikſal kaͤmpften in mei-
ner Bruſt, als der Fuͤrſt mich hieher brachte, und
auf einmal die ſchauderndſte Szene vor meinen Au-
gen ſtand. — Die Wolluſt der Großen dieſer Welt iſt
die nimmer ſatte Hyaͤne, die ſich mit Heißhunger
Opfer ſucht. — Fuͤrchterlich hatte ſie ſchon in dieſem
Lande gewuͤtet — hatte Braut und Braͤutigam zer-
trennt — hatte ſelbſt der Ehen goͤttliches Band zer-
riſſen — — hier das ſtille Gluͤk einer Familie ge-
ſchleift — dort ein junges unerfahrnes Herz der
verheerenden Peſt aufgeſchloſſen, und ſterbende Schuͤ-
lerinnen ſchaͤumten den Namen ihres Lehrers unter
Fluͤchen und Zukungen aus — Ich ſtellte mich zwi-
ſchen das Lamm und den Tyger; nahm einen fuͤrſt-
lichen Eid von ihm in einer Stunde der Leiden-
ſchaft,
D
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#LAD">
            <p><pb facs="#f0053" n="49"/>
chen Kindheit wachten jezt wieder mit verfu&#x0364;hrendem<lb/>
Schimmer auf &#x2014; Schwarz wie das Grab grau&#x2019;te<lb/>
mich eine tro&#x017F;tlo&#x017F;e Zukunft an &#x2014; Mein Herz brann-<lb/>
te nach einem Herzen &#x2014; Ich &#x017F;ank an das &#x017F;einige<lb/><stage>(von ihm weg &#x017F;tu&#x0364;rzend)</stage> Jezt verdammen Sie mich!</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#FER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Ferdinand.</hi> </speaker>
            <p><stage>(&#x017F;ehr bewegt, eilt ihr nach, und ha&#x0364;lt<lb/>
&#x017F;ie zuru&#x0364;k)</stage> Lady! o Himmel! Was ho&#x0364;r ich? Was<lb/>
that ich? &#x2014; &#x2014; Schreklich enthu&#x0364;llt &#x017F;ich mein Frevel<lb/>
mir. Sie ko&#x0364;nnen mir nicht mehr vergeben.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LAD">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Lady.</hi> </speaker>
            <p><stage>(kommt zuru&#x0364;k, und hat &#x017F;ich zu &#x017F;ammeln ge-<lb/>
&#x017F;ucht)</stage> Ho&#x0364;ren Sie weiter. Der Fu&#x0364;r&#x017F;t u&#x0364;berra&#x017F;chte<lb/>
zwar meine wehrlo&#x017F;e Jugend &#x2014; aber das Blut der<lb/>
Norfolk empo&#x0364;rte &#x017F;ich in mir: Du eine geborene<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;tin, Emilie, rief es, und jezt eines Fu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/>
Konkubine? &#x2014; Stolz und Schik&#x017F;al ka&#x0364;mpften in mei-<lb/>
ner Bru&#x017F;t, als der Fu&#x0364;r&#x017F;t mich hieher brachte, und<lb/>
auf einmal die &#x017F;chaudernd&#x017F;te Szene vor meinen Au-<lb/>
gen &#x017F;tand. &#x2014; Die Wollu&#x017F;t der Großen die&#x017F;er Welt i&#x017F;t<lb/>
die nimmer &#x017F;atte Hya&#x0364;ne, die &#x017F;ich mit Heißhunger<lb/>
Opfer &#x017F;ucht. &#x2014; Fu&#x0364;rchterlich hatte &#x017F;ie &#x017F;chon in die&#x017F;em<lb/>
Lande gewu&#x0364;tet &#x2014; hatte Braut und Bra&#x0364;utigam zer-<lb/>
trennt &#x2014; hatte &#x017F;elb&#x017F;t der Ehen go&#x0364;ttliches Band zer-<lb/>
ri&#x017F;&#x017F;en &#x2014; &#x2014; hier das &#x017F;tille Glu&#x0364;k einer Familie ge-<lb/>
&#x017F;chleift &#x2014; dort ein junges unerfahrnes Herz der<lb/>
verheerenden Pe&#x017F;t aufge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;terbende Schu&#x0364;-<lb/>
lerinnen &#x017F;cha&#x0364;umten den Namen ihres Lehrers unter<lb/>
Flu&#x0364;chen und Zukungen aus &#x2014; Ich &#x017F;tellte mich zwi-<lb/>
&#x017F;chen das Lamm und den Tyger; nahm einen fu&#x0364;r&#x017F;t-<lb/>
lichen Eid von ihm in einer Stunde der Leiden-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D</fw> <fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chaft,</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0053] chen Kindheit wachten jezt wieder mit verfuͤhrendem Schimmer auf — Schwarz wie das Grab grau’te mich eine troſtloſe Zukunft an — Mein Herz brann- te nach einem Herzen — Ich ſank an das ſeinige (von ihm weg ſtuͤrzend) Jezt verdammen Sie mich! Ferdinand. (ſehr bewegt, eilt ihr nach, und haͤlt ſie zuruͤk) Lady! o Himmel! Was hoͤr ich? Was that ich? — — Schreklich enthuͤllt ſich mein Frevel mir. Sie koͤnnen mir nicht mehr vergeben. Lady. (kommt zuruͤk, und hat ſich zu ſammeln ge- ſucht) Hoͤren Sie weiter. Der Fuͤrſt uͤberraſchte zwar meine wehrloſe Jugend — aber das Blut der Norfolk empoͤrte ſich in mir: Du eine geborene Fuͤrſtin, Emilie, rief es, und jezt eines Fuͤrſten Konkubine? — Stolz und Schikſal kaͤmpften in mei- ner Bruſt, als der Fuͤrſt mich hieher brachte, und auf einmal die ſchauderndſte Szene vor meinen Au- gen ſtand. — Die Wolluſt der Großen dieſer Welt iſt die nimmer ſatte Hyaͤne, die ſich mit Heißhunger Opfer ſucht. — Fuͤrchterlich hatte ſie ſchon in dieſem Lande gewuͤtet — hatte Braut und Braͤutigam zer- trennt — hatte ſelbſt der Ehen goͤttliches Band zer- riſſen — — hier das ſtille Gluͤk einer Familie ge- ſchleift — dort ein junges unerfahrnes Herz der verheerenden Peſt aufgeſchloſſen, und ſterbende Schuͤ- lerinnen ſchaͤumten den Namen ihres Lehrers unter Fluͤchen und Zukungen aus — Ich ſtellte mich zwi- ſchen das Lamm und den Tyger; nahm einen fuͤrſt- lichen Eid von ihm in einer Stunde der Leiden- ſchaft, D

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/53
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/53>, abgerufen am 24.11.2024.