Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.
nen sollte -- der Mann, den mein erschöpftes Schik- sal vielleicht zum Ersaz meiner vorigen Leiden schuf -- der Mann, den ich mit brennender Sehnsucht im Traum schon umfasse -- Ferdinand. (fällt ihr ins Wort, durch und durch erschüttert) Zuviel! Zuviel! Das ist wider die Ab- rede, Lady. Sie sollten sich von Anklagen reinigen, und machen mich zu einem Verbrecher. Schonen Sie -- ich beschwöre Sie -- schonen Sie meines Herzens, das Beschämung und wütende Reue zer- reissen -- Lady. (hält seine Hand fest) Jezt oder nimmer- mehr. Lange genug hielt die Heldin stand -- Das Gewicht dieser Tränen must du noch fühlen (im zärt- lichsten Ton) Höre Walter -- wenn eine Unglükliche -- unwiderstehlich allmächtig an Dich gezogen -- sich an Dich preßt mit einem Busen voll glüender unerschöpflicher Liebe, -- Walter -- und Du jezt noch das kalte Wort Ehre sprichst -- Wenn diese Unglükliche -- niedergedrükt vom Gefül ihrer Schande -- des La- sters überdrüßig -- heldenmäßig empor gehoben vom Rufe der Tugend -- sich so -- in Deine Arme wirft (sie umfaßt ihn, beschwörend und feierlich) Durch Dich gerettet -- durch Dich dem Himmel wieder geschenkt seyn will, oder (das Gesicht von ihm abgewandt, mit ho- ler bebender Stimme) Deinem Bild zu entfliehen, dem fürchterlichen Ruf der Verzweiflung gehorsam, in noch abscheulichere Tiefen des Lasters wieder hin- untertaumelt -- Ferdin. D 2
nen ſollte — der Mann, den mein erſchoͤpftes Schik- ſal vielleicht zum Erſaz meiner vorigen Leiden ſchuf — der Mann, den ich mit brennender Sehnſucht im Traum ſchon umfaſſe — Ferdinand. (faͤllt ihr ins Wort, durch und durch erſchuͤttert) Zuviel! Zuviel! Das iſt wider die Ab- rede, Lady. Sie ſollten ſich von Anklagen reinigen, und machen mich zu einem Verbrecher. Schonen Sie — ich beſchwoͤre Sie — ſchonen Sie meines Herzens, das Beſchaͤmung und wuͤtende Reue zer- reiſſen — Lady. (haͤlt ſeine Hand feſt) Jezt oder nimmer- mehr. Lange genug hielt die Heldin ſtand — Das Gewicht dieſer Traͤnen muſt du noch fuͤhlen (im zaͤrt- lichſten Ton) Hoͤre Walter — wenn eine Ungluͤkliche — unwiderſtehlich allmaͤchtig an Dich gezogen — ſich an Dich preßt mit einem Buſen voll gluͤender unerſchoͤpflicher Liebe, — Walter — und Du jezt noch das kalte Wort Ehre ſprichſt — Wenn dieſe Ungluͤkliche — niedergedruͤkt vom Gefuͤl ihrer Schande — des La- ſters uͤberdruͤßig — heldenmaͤßig empor gehoben vom Rufe der Tugend — ſich ſo — in Deine Arme wirft (ſie umfaßt ihn, beſchwoͤrend und feierlich) Durch Dich gerettet — durch Dich dem Himmel wieder geſchenkt ſeyn will, oder (das Geſicht von ihm abgewandt, mit ho- ler bebender Stimme) Deinem Bild zu entfliehen, dem fuͤrchterlichen Ruf der Verzweiflung gehorſam, in noch abſcheulichere Tiefen des Laſters wieder hin- untertaumelt — Ferdin. D 2
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— der Mann, den ich mit brennender Sehnſucht
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Ferdinand. (faͤllt ihr ins Wort, durch und durch
erſchuͤttert) Zuviel! Zuviel! Das iſt wider die Ab-
rede, Lady. Sie ſollten ſich von Anklagen reinigen,
und machen mich zu einem Verbrecher. Schonen
Sie — ich beſchwoͤre Sie — ſchonen Sie meines
Herzens, das Beſchaͤmung und wuͤtende Reue zer-
reiſſen —
Lady. (haͤlt ſeine Hand feſt) Jezt oder nimmer-
mehr. Lange genug hielt die Heldin ſtand — Das
Gewicht dieſer Traͤnen muſt du noch fuͤhlen (im zaͤrt-
lichſten Ton) Hoͤre Walter — wenn eine Ungluͤkliche
— unwiderſtehlich allmaͤchtig an Dich gezogen —
ſich an Dich preßt mit einem Buſen voll gluͤender
unerſchoͤpflicher Liebe, — Walter — und Du jezt noch
das kalte Wort Ehre ſprichſt — Wenn dieſe Ungluͤkliche
— niedergedruͤkt vom Gefuͤl ihrer Schande — des La-
ſters uͤberdruͤßig — heldenmaͤßig empor gehoben vom
Rufe der Tugend — ſich ſo — in Deine Arme wirft
(ſie umfaßt ihn, beſchwoͤrend und feierlich) Durch Dich
gerettet — durch Dich dem Himmel wieder geſchenkt
ſeyn will, oder (das Geſicht von ihm abgewandt, mit ho-
ler bebender Stimme) Deinem Bild zu entfliehen,
dem fuͤrchterlichen Ruf der Verzweiflung gehorſam,
in noch abſcheulichere Tiefen des Laſters wieder hin-
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