Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784. Wurm. Ich müßte mich schlecht auf den Baro- meter der Seele verstehen, oder der Herr Major ist in der Eifersucht schreklich, wie in der Liebe. Ma- chen Sie ihm das Mädchen verdächtig -- -- Wahr- scheinlich oder nicht. Ein Gran Hefe reicht hin, die ganze Masse in eine zerstörende Gährung zu jagen. Präsident. Aber woher diesen Gran nehmen? Wurm. Da sind wir auf dem Punkt -- Vor allen Dingen, gnädiger Herr, erklären Sie sich mir, wie viel Sie bei der fernern Weigerung des Majors auf dem Spiel haben -- in welchem Grade es ih- nen wichtig ist, den Roman mit dem Bürgermäd- chen zu endigen, und die Verbindung mit Lady Milford zu Stand zu bringen? Präsident. Kann er noch fragen Wurm? -- Mein ganzer Einfluß ist in Gefahr, wenn die Par- thie mit der Lady zurükgeht, und wenn ich den Ma- jor zwinge, mein Hals. Wurm. (munter) Jezt haben Sie die Gnade und hören. -- Den Herrn Major umspinnen wir mit List. Gegen das Mädchen nehmen wir ihre ganze Gewalt zu Hilfe.Wir diktieren ihr ein Billetdoux an eine dritte Person in die Feder, und spielen das mit gu- ter Art dem Major in die Hände. Präsident. Toller Einfall! Als ob Sie sich so geschwind hin bequemen würde, ihr eigenes Todesur- theil zu schreiben? Wurm.
Wurm. Ich muͤßte mich ſchlecht auf den Baro- meter der Seele verſtehen, oder der Herr Major iſt in der Eiferſucht ſchreklich, wie in der Liebe. Ma- chen Sie ihm das Maͤdchen verdaͤchtig — — Wahr- ſcheinlich oder nicht. Ein Gran Hefe reicht hin, die ganze Maſſe in eine zerſtoͤrende Gaͤhrung zu jagen. Praͤſident. Aber woher dieſen Gran nehmen? Wurm. Da ſind wir auf dem Punkt — Vor allen Dingen, gnaͤdiger Herr, erklaͤren Sie ſich mir, wie viel Sie bei der fernern Weigerung des Majors auf dem Spiel haben — in welchem Grade es ih- nen wichtig iſt, den Roman mit dem Buͤrgermaͤd- chen zu endigen, und die Verbindung mit Lady Milford zu Stand zu bringen? Praͤſident. Kann er noch fragen Wurm? — Mein ganzer Einfluß iſt in Gefahr, wenn die Par- thie mit der Lady zuruͤkgeht, und wenn ich den Ma- jor zwinge, mein Hals. Wurm. (munter) Jezt haben Sie die Gnade und hoͤren. — Den Herrn Major umſpinnen wir mit Liſt. Gegen das Maͤdchen nehmen wir ihre ganze Gewalt zu Hilfe.Wir diktieren ihr ein Billetdoux an eine dritte Perſon in die Feder, und ſpielen das mit gu- ter Art dem Major in die Haͤnde. Praͤſident. Toller Einfall! Als ob Sie ſich ſo geſchwind hin bequemen wuͤrde, ihr eigenes Todesur- theil zu ſchreiben? Wurm.
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Wurm. Ich muͤßte mich ſchlecht auf den Baro-
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in der Eiferſucht ſchreklich, wie in der Liebe. Ma-
chen Sie ihm das Maͤdchen verdaͤchtig — — Wahr-
ſcheinlich oder nicht. Ein Gran Hefe reicht hin,
die ganze Maſſe in eine zerſtoͤrende Gaͤhrung zu jagen.
Praͤſident. Aber woher dieſen Gran nehmen?
Wurm. Da ſind wir auf dem Punkt — Vor
allen Dingen, gnaͤdiger Herr, erklaͤren Sie ſich mir,
wie viel Sie bei der fernern Weigerung des Majors
auf dem Spiel haben — in welchem Grade es ih-
nen wichtig iſt, den Roman mit dem Buͤrgermaͤd-
chen zu endigen, und die Verbindung mit Lady
Milford zu Stand zu bringen?
Praͤſident. Kann er noch fragen Wurm? —
Mein ganzer Einfluß iſt in Gefahr, wenn die Par-
thie mit der Lady zuruͤkgeht, und wenn ich den Ma-
jor zwinge, mein Hals.
Wurm. (munter) Jezt haben Sie die Gnade
und hoͤren. — Den Herrn Major umſpinnen wir
mit Liſt. Gegen das Maͤdchen nehmen wir ihre
ganze Gewalt zu Hilfe.Wir diktieren ihr
ein Billetdoux an eine dritte Perſon
in die Feder, und ſpielen das mit gu-
ter Art dem Major in die Haͤnde.
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geſchwind hin bequemen wuͤrde, ihr eigenes Todesur-
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