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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Denkungsart dieses Fürsten, der durch eigne Neigung und durch die Eingebungen seiner bestochenen Minister dem Interesse des Kaisers, selbst auf Unkosten seiner heiligsten Pflichten, ergeben war, den man bisher mit so geringem Aufwand von Kunst in Unthätigkeit erhalten, so muß man über die Verblendung des Kaisers oder seiner Minister erstaunen, ihrer bisherigen Politik gerade in dem bedenklichsten Zeitpunkte zu entsagen, und durch ein gewaltthätiges Verfahren diesen so leicht zu lenkenden Fürsten aufs äusserste zu bringen. Oder war eben dieses die Absicht des Tilly? War es ihm darum zu thun, einen zweydeutigen Freund in einen offenbaren Feind zu verwandeln, um dadurch der Schonung überhoben zu seyn, welche der geheime Befehl des Kaisers ihm bisher gegen die Länder dieses Fürsten aufgelegt hatte? War es vielleicht gar die Absicht des Kaisers, den Churfürsten zu einem feindseligen Schritt zu reizen, um seiner Verbindlichkeit dadurch quitt zu seyn, und eine beschwerliche Rechnung mit guter Art zerreißen zu können? So müßte man nicht weniger über den verwegenen Uebermuth des Tilly erstaunen, der kein Bedenken trug, im Angesicht eines furchtbaren Feindes sich einen neuen zu machen - und über die Sorglosigkeit eben dieses Feldherrn, die Vereinigung beyder ohne Widerstand zu gestatten.

Johann Georg, durch den Eintritt des Tilly in seine Staaten zur Verzweiflung gebracht, warf sich, nicht ohne grosses Widerstreben, dem König von Schweden in die Arme.

Gleich nach Abfertigung der ersten Gesandtschaft des Tilly hatte er seinen Feldmarschall von Arnheim aufs eilfertigste in Gustavs Lager gesendet, diesen lange vernachläßigten Monarchen um schleunige Hülfe anzugehn. Der König verbarg die innere Zufriedenheit, welche ihm diese sehnlich gewünschte Entwicklung gewährte. "Mir thut es leid um den

Denkungsart dieses Fürsten, der durch eigne Neigung und durch die Eingebungen seiner bestochenen Minister dem Interesse des Kaisers, selbst auf Unkosten seiner heiligsten Pflichten, ergeben war, den man bisher mit so geringem Aufwand von Kunst in Unthätigkeit erhalten, so muß man über die Verblendung des Kaisers oder seiner Minister erstaunen, ihrer bisherigen Politik gerade in dem bedenklichsten Zeitpunkte zu entsagen, und durch ein gewaltthätiges Verfahren diesen so leicht zu lenkenden Fürsten aufs äusserste zu bringen. Oder war eben dieses die Absicht des Tilly? War es ihm darum zu thun, einen zweydeutigen Freund in einen offenbaren Feind zu verwandeln, um dadurch der Schonung überhoben zu seyn, welche der geheime Befehl des Kaisers ihm bisher gegen die Länder dieses Fürsten aufgelegt hatte? War es vielleicht gar die Absicht des Kaisers, den Churfürsten zu einem feindseligen Schritt zu reizen, um seiner Verbindlichkeit dadurch quitt zu seyn, und eine beschwerliche Rechnung mit guter Art zerreißen zu können? So müßte man nicht weniger über den verwegenen Uebermuth des Tilly erstaunen, der kein Bedenken trug, im Angesicht eines furchtbaren Feindes sich einen neuen zu machen – und über die Sorglosigkeit eben dieses Feldherrn, die Vereinigung beyder ohne Widerstand zu gestatten.

Johann Georg, durch den Eintritt des Tilly in seine Staaten zur Verzweiflung gebracht, warf sich, nicht ohne grosses Widerstreben, dem König von Schweden in die Arme.

Gleich nach Abfertigung der ersten Gesandtschaft des Tilly hatte er seinen Feldmarschall von Arnheim aufs eilfertigste in Gustavs Lager gesendet, diesen lange vernachläßigten Monarchen um schleunige Hülfe anzugehn. Der König verbarg die innere Zufriedenheit, welche ihm diese sehnlich gewünschte Entwicklung gewährte. „Mir thut es leid um den

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[213/0221] Denkungsart dieses Fürsten, der durch eigne Neigung und durch die Eingebungen seiner bestochenen Minister dem Interesse des Kaisers, selbst auf Unkosten seiner heiligsten Pflichten, ergeben war, den man bisher mit so geringem Aufwand von Kunst in Unthätigkeit erhalten, so muß man über die Verblendung des Kaisers oder seiner Minister erstaunen, ihrer bisherigen Politik gerade in dem bedenklichsten Zeitpunkte zu entsagen, und durch ein gewaltthätiges Verfahren diesen so leicht zu lenkenden Fürsten aufs äusserste zu bringen. Oder war eben dieses die Absicht des Tilly? War es ihm darum zu thun, einen zweydeutigen Freund in einen offenbaren Feind zu verwandeln, um dadurch der Schonung überhoben zu seyn, welche der geheime Befehl des Kaisers ihm bisher gegen die Länder dieses Fürsten aufgelegt hatte? War es vielleicht gar die Absicht des Kaisers, den Churfürsten zu einem feindseligen Schritt zu reizen, um seiner Verbindlichkeit dadurch quitt zu seyn, und eine beschwerliche Rechnung mit guter Art zerreißen zu können? So müßte man nicht weniger über den verwegenen Uebermuth des Tilly erstaunen, der kein Bedenken trug, im Angesicht eines furchtbaren Feindes sich einen neuen zu machen – und über die Sorglosigkeit eben dieses Feldherrn, die Vereinigung beyder ohne Widerstand zu gestatten. Johann Georg, durch den Eintritt des Tilly in seine Staaten zur Verzweiflung gebracht, warf sich, nicht ohne grosses Widerstreben, dem König von Schweden in die Arme. Gleich nach Abfertigung der ersten Gesandtschaft des Tilly hatte er seinen Feldmarschall von Arnheim aufs eilfertigste in Gustavs Lager gesendet, diesen lange vernachläßigten Monarchen um schleunige Hülfe anzugehn. Der König verbarg die innere Zufriedenheit, welche ihm diese sehnlich gewünschte Entwicklung gewährte. „Mir thut es leid um den

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/221>, abgerufen am 21.11.2024.