Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

sollten. Gustav Adolph, an der Spize einer siegenden Armee, hätte von Leipzig bis Prag, Wien und Preßburg wenig Widerstand gefunden. Böhmen, Mähren, Oesterreich, Ungarn waren von Vertheidigern entblößt, die unterdrückten Protestanten dieser Länder nach einer Veränderung lüstern. Der Kaiser selbst nicht mehr sicher in seiner Burg; in dem Schrecken des ersten Ueberfalls hätte Wien seine Thore geöffnet. Mit den Staaten, die er dem Feind entzog, vertrockneten diesem auch die Quellen, aus denen der Krieg bestritten werden sollte, und bereitwillig hätte sich Ferdinand zu einem Frieden verstanden, der einen furchtbaren Feind aus dem Herzen seiner Staaten entfernte. Einem Eroberer hätte dieser kühne Kriegsplan geschmeichelt, und vielleicht auch ein glücklicher Erfolg ihn gerechtfertigt. Gustav Adolph, eben so vorsichtig als kühn, und mehr Staatsmann als Eroberer, verwarf ihn, weil er einen höhern Zweck zu verfolgen fand, weil er dem Glück und der Tapferkeit allein den Ausschlag nicht anvertrauen wollte.

Erwählte Gustav den Weg nach Böhmen, so mußte Franken und der Oberrhein dem Churfürsten von Sachsen überlassen werden. Aber schon fing Tilly an, aus den Trümmern seiner geschlagenen Armee, aus den Besazungen in Niedersachsen, und den Verstärkungen, die ihm zugeführt wurden, ein neues Heer an der Weser zusammen zu ziehen, an dessen Spize er wohl schwerlich lange säumen konnte, den Feind aufzusuchen. Einem so erfahrnen General durfte kein Arnheim entgegen gestellt werden, von dessen Fähigkeiten die Leipziger Schlacht ein sehr zweydeutiges Zeugniß ablegte. Was halfen aber dem König noch so rasche und glänzende Fortschritte in Böhmen und Oesterreich, wenn Tilly in den Reichslanden wieder mächtig wurde, wenn er den Muth der Katholischen durch neue Siege belebte, und die Bundsgenossen des Königs entwaffnete? Wozu diente es ihm, den

sollten. Gustav Adolph, an der Spize einer siegenden Armee, hätte von Leipzig bis Prag, Wien und Preßburg wenig Widerstand gefunden. Böhmen, Mähren, Oesterreich, Ungarn waren von Vertheidigern entblößt, die unterdrückten Protestanten dieser Länder nach einer Veränderung lüstern. Der Kaiser selbst nicht mehr sicher in seiner Burg; in dem Schrecken des ersten Ueberfalls hätte Wien seine Thore geöffnet. Mit den Staaten, die er dem Feind entzog, vertrockneten diesem auch die Quellen, aus denen der Krieg bestritten werden sollte, und bereitwillig hätte sich Ferdinand zu einem Frieden verstanden, der einen furchtbaren Feind aus dem Herzen seiner Staaten entfernte. Einem Eroberer hätte dieser kühne Kriegsplan geschmeichelt, und vielleicht auch ein glücklicher Erfolg ihn gerechtfertigt. Gustav Adolph, eben so vorsichtig als kühn, und mehr Staatsmann als Eroberer, verwarf ihn, weil er einen höhern Zweck zu verfolgen fand, weil er dem Glück und der Tapferkeit allein den Ausschlag nicht anvertrauen wollte.

Erwählte Gustav den Weg nach Böhmen, so mußte Franken und der Oberrhein dem Churfürsten von Sachsen überlassen werden. Aber schon fing Tilly an, aus den Trümmern seiner geschlagenen Armee, aus den Besazungen in Niedersachsen, und den Verstärkungen, die ihm zugeführt wurden, ein neues Heer an der Weser zusammen zu ziehen, an dessen Spize er wohl schwerlich lange säumen konnte, den Feind aufzusuchen. Einem so erfahrnen General durfte kein Arnheim entgegen gestellt werden, von dessen Fähigkeiten die Leipziger Schlacht ein sehr zweydeutiges Zeugniß ablegte. Was halfen aber dem König noch so rasche und glänzende Fortschritte in Böhmen und Oesterreich, wenn Tilly in den Reichslanden wieder mächtig wurde, wenn er den Muth der Katholischen durch neue Siege belebte, und die Bundsgenossen des Königs entwaffnete? Wozu diente es ihm, den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0232" n="224"/>
sollten. <persName>Gustav Adolph</persName>, an der Spize einer siegenden Armee, hätte von <placeName>Leipzig</placeName> bis <placeName>Prag</placeName>,           <placeName>Wien</placeName> und <placeName>Preßburg</placeName> wenig Widerstand gefunden. <placeName>Böhmen</placeName>, <placeName>Mähren</placeName>, <placeName>Oesterreich</placeName>, <placeName>Ungarn</placeName> waren von           Vertheidigern entblößt, die unterdrückten Protestanten dieser Länder nach einer           Veränderung lüstern. Der Kaiser selbst nicht mehr sicher in seiner Burg; in dem Schrecken           des ersten Ueberfalls hätte Wien seine Thore geöffnet. Mit den Staaten, die er dem Feind           entzog, vertrockneten diesem auch die Quellen, aus denen der Krieg bestritten werden           sollte, und bereitwillig hätte sich Ferdinand zu einem Frieden verstanden, der einen           furchtbaren Feind aus dem Herzen seiner Staaten entfernte. Einem Eroberer hätte dieser           kühne Kriegsplan geschmeichelt, und vielleicht auch ein glücklicher Erfolg ihn           gerechtfertigt. <persName>Gustav Adolph</persName>, eben so vorsichtig als kühn, und mehr Staatsmann als           Eroberer, verwarf ihn, weil er einen höhern Zweck zu verfolgen fand, weil er dem Glück und           der Tapferkeit allein den Ausschlag nicht anvertrauen wollte.</p>
        <p>Erwählte Gustav den Weg nach Böhmen, so mußte Franken und der Oberrhein dem Churfürsten           von Sachsen überlassen werden. Aber schon fing Tilly an, aus den Trümmern seiner           geschlagenen Armee, aus den Besazungen in <placeName>Niedersachsen</placeName>, und den Verstärkungen, die ihm           zugeführt wurden, ein neues Heer an der Weser zusammen zu ziehen, an dessen Spize er wohl           schwerlich lange säumen konnte, den Feind aufzusuchen. Einem so erfahrnen General durfte           kein Arnheim entgegen gestellt werden, von dessen Fähigkeiten die Leipziger Schlacht ein           sehr zweydeutiges Zeugniß ablegte. Was halfen aber dem König noch so rasche und glänzende           Fortschritte in <placeName>Böhmen</placeName> und <placeName>Oesterreich</placeName>, wenn Tilly in den Reichslanden wieder mächtig           wurde, wenn er den Muth der Katholischen durch neue Siege belebte, und die Bundsgenossen           des Königs entwaffnete? Wozu diente es ihm, den
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0232] sollten. Gustav Adolph, an der Spize einer siegenden Armee, hätte von Leipzig bis Prag, Wien und Preßburg wenig Widerstand gefunden. Böhmen, Mähren, Oesterreich, Ungarn waren von Vertheidigern entblößt, die unterdrückten Protestanten dieser Länder nach einer Veränderung lüstern. Der Kaiser selbst nicht mehr sicher in seiner Burg; in dem Schrecken des ersten Ueberfalls hätte Wien seine Thore geöffnet. Mit den Staaten, die er dem Feind entzog, vertrockneten diesem auch die Quellen, aus denen der Krieg bestritten werden sollte, und bereitwillig hätte sich Ferdinand zu einem Frieden verstanden, der einen furchtbaren Feind aus dem Herzen seiner Staaten entfernte. Einem Eroberer hätte dieser kühne Kriegsplan geschmeichelt, und vielleicht auch ein glücklicher Erfolg ihn gerechtfertigt. Gustav Adolph, eben so vorsichtig als kühn, und mehr Staatsmann als Eroberer, verwarf ihn, weil er einen höhern Zweck zu verfolgen fand, weil er dem Glück und der Tapferkeit allein den Ausschlag nicht anvertrauen wollte. Erwählte Gustav den Weg nach Böhmen, so mußte Franken und der Oberrhein dem Churfürsten von Sachsen überlassen werden. Aber schon fing Tilly an, aus den Trümmern seiner geschlagenen Armee, aus den Besazungen in Niedersachsen, und den Verstärkungen, die ihm zugeführt wurden, ein neues Heer an der Weser zusammen zu ziehen, an dessen Spize er wohl schwerlich lange säumen konnte, den Feind aufzusuchen. Einem so erfahrnen General durfte kein Arnheim entgegen gestellt werden, von dessen Fähigkeiten die Leipziger Schlacht ein sehr zweydeutiges Zeugniß ablegte. Was halfen aber dem König noch so rasche und glänzende Fortschritte in Böhmen und Oesterreich, wenn Tilly in den Reichslanden wieder mächtig wurde, wenn er den Muth der Katholischen durch neue Siege belebte, und die Bundsgenossen des Königs entwaffnete? Wozu diente es ihm, den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/232
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/232>, abgerufen am 21.11.2024.