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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Halberstadt, wo er sich kaum Zeit nahm, die Heilung von seinen Wunden abzuwarten, und gegen die Weser eilte, sich mit den kaiserlichen Besazungen in Niedersachsen zu verstärken.

Der Churfürst von Sachsen hatte nicht gesäumt, sogleich nach überstandener Gefahr im Lager des Königs zu erscheinen. Der König dankte ihm, daß er zur Schlacht gerathen hätte, und Johann Georg, überrascht von diesem gütigen Empfang, versprach ihm in der ersten Freude - die Römische Königskrone. Gleich den folgenden Tag rückte Gustav gegen Merseburg, nachdem er es dem Churfürsten überlassen hatte, Leipzig wieder zu erobern. Fünftausend Kaiserliche, welche sich wieder zusammen gezogen hatten und ihm unterwegs in die Hände fielen, wurden theils niedergehauen, theils gefangen, und die meisten von diesen traten in seinen Dienst. Merseburg ergab sich sogleich; bald darauf wurde Halle erobert, wo sich der Churfürst von Sachsen nach der Einnahme von Leipzig bey dem Könige einfand, um über den künftigen Operationsplan das weitere zu berathschlagen.

Erfochten war der Sieg, aber nur eine weise Benutzung konnte ihn entscheidend machen. Die kaiserliche Armee war aufgerieben, Sachsen sah keinen Feind mehr, und der flüchtige Tilly hatte sich nach Braunschweig gezogen. Ihn bis dahin zu verfolgen, hätte den Krieg in Niedersachsen erneuert, welches von den Drangsalen des vorhergehenden Kriegs kaum erstanden war. Es ward also beschlossen, den Krieg in die feindlichen Lande zu wälzen, welche unvertheidigt und offen bis nach Wien, den Sieger einluden. Man konnte zur Rechten in die Länder der katholischen Fürsten fallen, man konnte zur Linken in die kaiserlichen Erbstaaten dringen, und den Kaiser selbst in seiner Residenz zittern machen. Beydes ward erwählt, und jezt war die Frage, wie die Rollen vertheilt werden

Halberstadt, wo er sich kaum Zeit nahm, die Heilung von seinen Wunden abzuwarten, und gegen die Weser eilte, sich mit den kaiserlichen Besazungen in Niedersachsen zu verstärken.

Der Churfürst von Sachsen hatte nicht gesäumt, sogleich nach überstandener Gefahr im Lager des Königs zu erscheinen. Der König dankte ihm, daß er zur Schlacht gerathen hätte, und Johann Georg, überrascht von diesem gütigen Empfang, versprach ihm in der ersten Freude – die Römische Königskrone. Gleich den folgenden Tag rückte Gustav gegen Merseburg, nachdem er es dem Churfürsten überlassen hatte, Leipzig wieder zu erobern. Fünftausend Kaiserliche, welche sich wieder zusammen gezogen hatten und ihm unterwegs in die Hände fielen, wurden theils niedergehauen, theils gefangen, und die meisten von diesen traten in seinen Dienst. Merseburg ergab sich sogleich; bald darauf wurde Halle erobert, wo sich der Churfürst von Sachsen nach der Einnahme von Leipzig bey dem Könige einfand, um über den künftigen Operationsplan das weitere zu berathschlagen.

Erfochten war der Sieg, aber nur eine weise Benutzung konnte ihn entscheidend machen. Die kaiserliche Armee war aufgerieben, Sachsen sah keinen Feind mehr, und der flüchtige Tilly hatte sich nach Braunschweig gezogen. Ihn bis dahin zu verfolgen, hätte den Krieg in Niedersachsen erneuert, welches von den Drangsalen des vorhergehenden Kriegs kaum erstanden war. Es ward also beschlossen, den Krieg in die feindlichen Lande zu wälzen, welche unvertheidigt und offen bis nach Wien, den Sieger einluden. Man konnte zur Rechten in die Länder der katholischen Fürsten fallen, man konnte zur Linken in die kaiserlichen Erbstaaten dringen, und den Kaiser selbst in seiner Residenz zittern machen. Beydes ward erwählt, und jezt war die Frage, wie die Rollen vertheilt werden

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[223/0231] Halberstadt, wo er sich kaum Zeit nahm, die Heilung von seinen Wunden abzuwarten, und gegen die Weser eilte, sich mit den kaiserlichen Besazungen in Niedersachsen zu verstärken. Der Churfürst von Sachsen hatte nicht gesäumt, sogleich nach überstandener Gefahr im Lager des Königs zu erscheinen. Der König dankte ihm, daß er zur Schlacht gerathen hätte, und Johann Georg, überrascht von diesem gütigen Empfang, versprach ihm in der ersten Freude – die Römische Königskrone. Gleich den folgenden Tag rückte Gustav gegen Merseburg, nachdem er es dem Churfürsten überlassen hatte, Leipzig wieder zu erobern. Fünftausend Kaiserliche, welche sich wieder zusammen gezogen hatten und ihm unterwegs in die Hände fielen, wurden theils niedergehauen, theils gefangen, und die meisten von diesen traten in seinen Dienst. Merseburg ergab sich sogleich; bald darauf wurde Halle erobert, wo sich der Churfürst von Sachsen nach der Einnahme von Leipzig bey dem Könige einfand, um über den künftigen Operationsplan das weitere zu berathschlagen. Erfochten war der Sieg, aber nur eine weise Benutzung konnte ihn entscheidend machen. Die kaiserliche Armee war aufgerieben, Sachsen sah keinen Feind mehr, und der flüchtige Tilly hatte sich nach Braunschweig gezogen. Ihn bis dahin zu verfolgen, hätte den Krieg in Niedersachsen erneuert, welches von den Drangsalen des vorhergehenden Kriegs kaum erstanden war. Es ward also beschlossen, den Krieg in die feindlichen Lande zu wälzen, welche unvertheidigt und offen bis nach Wien, den Sieger einluden. Man konnte zur Rechten in die Länder der katholischen Fürsten fallen, man konnte zur Linken in die kaiserlichen Erbstaaten dringen, und den Kaiser selbst in seiner Residenz zittern machen. Beydes ward erwählt, und jezt war die Frage, wie die Rollen vertheilt werden

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/231>, abgerufen am 24.11.2024.