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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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war in kurzer Zeit weltlich gemacht; und wenn es mit Oberdeutschland anders war, so lag es an dem lebhaften Widerstand der Katholischen, die hier das Uebergewicht hatten. Jede Parthey drückte oder unterdrückte, wo sie die mächtigere war, die Anhänger der andern; die geistlichen Fürsten besonders, als die wehrlosesten Glieder des Reichs, wurden unaufhörlich durch die Vergrösserungsbegierde ihrer unkatholischen Nachbarn geängstigt. Wer zu ohnmächtig war, Gewalt durch Gewalt abzuwenden, flüchtete sich unter die Flügel der Justiz, und die Spolienklagen gegen protestantische Stände häuften sich auf dem Reichsgerichte an, welches bereitwillig genug war, den angeklagten Theil mit Sentenzen zu verfolgen, aber zu wenig unterstüzt, um sie geltend zu machen. Der Friede, welcher den Ständen des Reichs die vollkommene Religionsfreyheit einräumte, hatte doch einigermassen auch für den Unterthan gesorgt, indem er ihm das Recht ausbedung, das Land, in welchem seine Religion unterdrückt war, unangefochten zu verlassen. Aber vor den Gewaltthätigkeiten, womit der Landesherr einen gehaßten Unterthan drücken, vor den namenlosen Drangsalen, wodurch er dem Auswandernden den Abzug erschweren, vor den künstlich gelegten Schlingen, worein die Arglist, mit der Stärke verbunden, die Gemüther verstricken kann, konnte der todte Buchstabe dieses Friedens ihn nicht schüzen. Der katholische Unterthan protestantischer Herren klagte laut über Verlezung des Religionsfriedens - der evangelische noch lauter über die Bedrückungen, welche ihm von seiner katholischen Obrigkeit widerfuhren. Die Erbitterung und Streitsucht der Theologen vergiftete jeden Vorfall, der an sich unbedeutend war, und sezte die Gemüther in Flammen. Glücklich genug, wenn sich diese theologische Wuth an dem gemeinschaftlichen Religionsfeind erschöpft hätte, ohne gegen die eignen Religionsverwandten ihr Gift auszusprüzen.

war in kurzer Zeit weltlich gemacht; und wenn es mit Oberdeutschland anders war, so lag es an dem lebhaften Widerstand der Katholischen, die hier das Uebergewicht hatten. Jede Parthey drückte oder unterdrückte, wo sie die mächtigere war, die Anhänger der andern; die geistlichen Fürsten besonders, als die wehrlosesten Glieder des Reichs, wurden unaufhörlich durch die Vergrösserungsbegierde ihrer unkatholischen Nachbarn geängstigt. Wer zu ohnmächtig war, Gewalt durch Gewalt abzuwenden, flüchtete sich unter die Flügel der Justiz, und die Spolienklagen gegen protestantische Stände häuften sich auf dem Reichsgerichte an, welches bereitwillig genug war, den angeklagten Theil mit Sentenzen zu verfolgen, aber zu wenig unterstüzt, um sie geltend zu machen. Der Friede, welcher den Ständen des Reichs die vollkommene Religionsfreyheit einräumte, hatte doch einigermassen auch für den Unterthan gesorgt, indem er ihm das Recht ausbedung, das Land, in welchem seine Religion unterdrückt war, unangefochten zu verlassen. Aber vor den Gewaltthätigkeiten, womit der Landesherr einen gehaßten Unterthan drücken, vor den namenlosen Drangsalen, wodurch er dem Auswandernden den Abzug erschweren, vor den künstlich gelegten Schlingen, worein die Arglist, mit der Stärke verbunden, die Gemüther verstricken kann, konnte der todte Buchstabe dieses Friedens ihn nicht schüzen. Der katholische Unterthan protestantischer Herren klagte laut über Verlezung des Religionsfriedens – der evangelische noch lauter über die Bedrückungen, welche ihm von seiner katholischen Obrigkeit widerfuhren. Die Erbitterung und Streitsucht der Theologen vergiftete jeden Vorfall, der an sich unbedeutend war, und sezte die Gemüther in Flammen. Glücklich genug, wenn sich diese theologische Wuth an dem gemeinschaftlichen Religionsfeind erschöpft hätte, ohne gegen die eignen Religionsverwandten ihr Gift auszusprüzen.

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[19/0027] war in kurzer Zeit weltlich gemacht; und wenn es mit Oberdeutschland anders war, so lag es an dem lebhaften Widerstand der Katholischen, die hier das Uebergewicht hatten. Jede Parthey drückte oder unterdrückte, wo sie die mächtigere war, die Anhänger der andern; die geistlichen Fürsten besonders, als die wehrlosesten Glieder des Reichs, wurden unaufhörlich durch die Vergrösserungsbegierde ihrer unkatholischen Nachbarn geängstigt. Wer zu ohnmächtig war, Gewalt durch Gewalt abzuwenden, flüchtete sich unter die Flügel der Justiz, und die Spolienklagen gegen protestantische Stände häuften sich auf dem Reichsgerichte an, welches bereitwillig genug war, den angeklagten Theil mit Sentenzen zu verfolgen, aber zu wenig unterstüzt, um sie geltend zu machen. Der Friede, welcher den Ständen des Reichs die vollkommene Religionsfreyheit einräumte, hatte doch einigermassen auch für den Unterthan gesorgt, indem er ihm das Recht ausbedung, das Land, in welchem seine Religion unterdrückt war, unangefochten zu verlassen. Aber vor den Gewaltthätigkeiten, womit der Landesherr einen gehaßten Unterthan drücken, vor den namenlosen Drangsalen, wodurch er dem Auswandernden den Abzug erschweren, vor den künstlich gelegten Schlingen, worein die Arglist, mit der Stärke verbunden, die Gemüther verstricken kann, konnte der todte Buchstabe dieses Friedens ihn nicht schüzen. Der katholische Unterthan protestantischer Herren klagte laut über Verlezung des Religionsfriedens – der evangelische noch lauter über die Bedrückungen, welche ihm von seiner katholischen Obrigkeit widerfuhren. Die Erbitterung und Streitsucht der Theologen vergiftete jeden Vorfall, der an sich unbedeutend war, und sezte die Gemüther in Flammen. Glücklich genug, wenn sich diese theologische Wuth an dem gemeinschaftlichen Religionsfeind erschöpft hätte, ohne gegen die eignen Religionsverwandten ihr Gift auszusprüzen.

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/27>, abgerufen am 18.04.2024.