Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

von jetzt an geschäftig, die Fortschritte des Feindes zu befördern, und die Bedrängnisse seines Herrn zu vermehren. Sehr wahrscheinlich geschah es auf seine Einladung und Ermunterung, daß die Sachsen, schon auf dem Wege nach der Lausitz und Schlesien, sich nach Böhmen wandten, und dieses unvertheidigte Reich mit ihrer Macht überschwemmten; ihre schnellen Eroberungen in demselben waren nicht weniger sein Werk. Durch den Kleinmuth, den er heuchelte, erstickte er jeden Gedanken an Widerstand, und überlieferte die Hauptstadt, durch seinen voreiligen Abzug, dem Sieger. Bey einer Zusammenkunft mit dem Sächsischen General zu Kaunitz, wozu eine Friedensunterhandlung ihm den Vorwand darreichte, wurde wahrscheinlich das Siegel auf die Verschwörung gedrückt, und Böhmens Eroberung war die erste Frucht dieser Verabredung. Indem er selbst nach Vermögen dazu beytrug, die Unglücksfälle über Oesterreich zu häufen, und durch die raschen Fortschritte der Schweden am Rheinstrom aufs nachdrücklichste dabey unterstützt wurde, ließ er seine freywilligen und gedungenen Anhänger in Wien über das öffentliche Unglück die heftigsten Klagen führen, und die Absetzung des vorigen Feldherrn als den einzigen Grund der erlittenen Verluste abschildern. "Dahin hätte Wallenstein es nicht kommen lassen, wenn er am Ruder geblieben wäre!" riefen jetzt tausend Stimmen, und selbst im geheimen Rathe des Kaisers fand diese Meinung feurige Verfechter.

Es bedurfte ihrer wiederholten Bestürmung nicht, dem bedrängten Monarchen die Augen über die Verdienste seines Generals und die begangene Uebereilung zu öffnen. Bald genug ward ihm die Abhängigkeit von Bayern und der Ligue unerträglich; aber eben diese Abhängigkeit verstattete ihm nicht, sein Mißtrauen zu zeigen, und durch Zurückberufung des Herzogs von Friedland den Churfürsten aufzubringen. Jetzt aber, da die Noth mit

von jetzt an geschäftig, die Fortschritte des Feindes zu befördern, und die Bedrängnisse seines Herrn zu vermehren. Sehr wahrscheinlich geschah es auf seine Einladung und Ermunterung, daß die Sachsen, schon auf dem Wege nach der Lausitz und Schlesien, sich nach Böhmen wandten, und dieses unvertheidigte Reich mit ihrer Macht überschwemmten; ihre schnellen Eroberungen in demselben waren nicht weniger sein Werk. Durch den Kleinmuth, den er heuchelte, erstickte er jeden Gedanken an Widerstand, und überlieferte die Hauptstadt, durch seinen voreiligen Abzug, dem Sieger. Bey einer Zusammenkunft mit dem Sächsischen General zu Kaunitz, wozu eine Friedensunterhandlung ihm den Vorwand darreichte, wurde wahrscheinlich das Siegel auf die Verschwörung gedrückt, und Böhmens Eroberung war die erste Frucht dieser Verabredung. Indem er selbst nach Vermögen dazu beytrug, die Unglücksfälle über Oesterreich zu häufen, und durch die raschen Fortschritte der Schweden am Rheinstrom aufs nachdrücklichste dabey unterstützt wurde, ließ er seine freywilligen und gedungenen Anhänger in Wien über das öffentliche Unglück die heftigsten Klagen führen, und die Absetzung des vorigen Feldherrn als den einzigen Grund der erlittenen Verluste abschildern. „Dahin hätte Wallenstein es nicht kommen lassen, wenn er am Ruder geblieben wäre!“ riefen jetzt tausend Stimmen, und selbst im geheimen Rathe des Kaisers fand diese Meinung feurige Verfechter.

Es bedurfte ihrer wiederholten Bestürmung nicht, dem bedrängten Monarchen die Augen über die Verdienste seines Generals und die begangene Uebereilung zu öffnen. Bald genug ward ihm die Abhängigkeit von Bayern und der Ligue unerträglich; aber eben diese Abhängigkeit verstattete ihm nicht, sein Mißtrauen zu zeigen, und durch Zurückberufung des Herzogs von Friedland den Churfürsten aufzubringen. Jetzt aber, da die Noth mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0304" n="296"/>
von jetzt an geschäftig, die           Fortschritte des Feindes zu befördern, und die Bedrängnisse seines Herrn zu vermehren.           Sehr wahrscheinlich geschah es auf seine Einladung und Ermunterung, daß die Sachsen, schon           auf dem Wege nach der Lausitz und Schlesien, sich nach Böhmen wandten, und dieses           unvertheidigte Reich mit ihrer Macht überschwemmten; ihre schnellen Eroberungen in           demselben waren nicht weniger sein Werk. Durch den Kleinmuth, den er heuchelte, erstickte           er jeden Gedanken an Widerstand, und überlieferte die Hauptstadt, durch seinen voreiligen           Abzug, dem Sieger. Bey einer Zusammenkunft mit dem Sächsischen General zu Kaunitz, wozu           eine Friedensunterhandlung ihm den Vorwand darreichte, wurde wahrscheinlich das Siegel auf           die Verschwörung gedrückt, und Böhmens Eroberung war die erste Frucht dieser Verabredung.           Indem er selbst nach Vermögen dazu beytrug, die Unglücksfälle über Oesterreich zu häufen,           und durch die raschen Fortschritte der Schweden am Rheinstrom aufs nachdrücklichste dabey           unterstützt wurde, ließ er seine freywilligen und gedungenen Anhänger in Wien über das           öffentliche Unglück die heftigsten Klagen führen, und die Absetzung des vorigen Feldherrn           als den einzigen Grund der erlittenen Verluste abschildern. &#x201E;Dahin hätte Wallenstein es           nicht kommen lassen, wenn er am Ruder geblieben wäre!&#x201C; riefen jetzt tausend Stimmen, und           selbst im geheimen Rathe des Kaisers fand diese Meinung feurige Verfechter.</p>
        <p>Es bedurfte ihrer wiederholten Bestürmung nicht, dem bedrängten Monarchen die Augen über           die Verdienste seines Generals und die begangene Uebereilung zu öffnen. Bald genug ward           ihm die Abhängigkeit von Bayern und der Ligue unerträglich; aber eben diese Abhängigkeit           verstattete ihm nicht, sein Mißtrauen zu zeigen, und durch Zurückberufung des Herzogs von           Friedland den Churfürsten aufzubringen. Jetzt aber, da die Noth mit
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0304] von jetzt an geschäftig, die Fortschritte des Feindes zu befördern, und die Bedrängnisse seines Herrn zu vermehren. Sehr wahrscheinlich geschah es auf seine Einladung und Ermunterung, daß die Sachsen, schon auf dem Wege nach der Lausitz und Schlesien, sich nach Böhmen wandten, und dieses unvertheidigte Reich mit ihrer Macht überschwemmten; ihre schnellen Eroberungen in demselben waren nicht weniger sein Werk. Durch den Kleinmuth, den er heuchelte, erstickte er jeden Gedanken an Widerstand, und überlieferte die Hauptstadt, durch seinen voreiligen Abzug, dem Sieger. Bey einer Zusammenkunft mit dem Sächsischen General zu Kaunitz, wozu eine Friedensunterhandlung ihm den Vorwand darreichte, wurde wahrscheinlich das Siegel auf die Verschwörung gedrückt, und Böhmens Eroberung war die erste Frucht dieser Verabredung. Indem er selbst nach Vermögen dazu beytrug, die Unglücksfälle über Oesterreich zu häufen, und durch die raschen Fortschritte der Schweden am Rheinstrom aufs nachdrücklichste dabey unterstützt wurde, ließ er seine freywilligen und gedungenen Anhänger in Wien über das öffentliche Unglück die heftigsten Klagen führen, und die Absetzung des vorigen Feldherrn als den einzigen Grund der erlittenen Verluste abschildern. „Dahin hätte Wallenstein es nicht kommen lassen, wenn er am Ruder geblieben wäre!“ riefen jetzt tausend Stimmen, und selbst im geheimen Rathe des Kaisers fand diese Meinung feurige Verfechter. Es bedurfte ihrer wiederholten Bestürmung nicht, dem bedrängten Monarchen die Augen über die Verdienste seines Generals und die begangene Uebereilung zu öffnen. Bald genug ward ihm die Abhängigkeit von Bayern und der Ligue unerträglich; aber eben diese Abhängigkeit verstattete ihm nicht, sein Mißtrauen zu zeigen, und durch Zurückberufung des Herzogs von Friedland den Churfürsten aufzubringen. Jetzt aber, da die Noth mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/304
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/304>, abgerufen am 22.11.2024.