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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Reiche, wenn ein entscheidender Streich sie hier nothwendig machte. Deutschland war damals eine Vorrathskammer des Kriegs für fast alle Europäische Mächte. Der Religionskrieg hatte Soldaten darin angehäuft, die der Friede ausser Brodt sezte. So vielen von einander unabhängigen Fürsten war es leicht, Kriegsheere zusammen zu bringen, welche sie alsdann, sey's aus Gewinnsucht oder aus Partheygeist, an fremde Mächte verliehen. Mit Deutschen Truppen bekriegte Philipp II. die Niederlande, und mit Deutschen Truppen vertheidigten sie sich. Eine jede solche Truppenwerbung in Deutschland schreckte immer eine von beyden Religionspartheyen auf; sie konnte zu ihrer Unterdrückung abzielen. Ein herum wandernder Gesandte, ein ausserordentlicher päbstlicher Legat, eine Zusammenkunft von Fürsten, jede ungewöhnliche Erscheinung mußte dem einen oder dem andern Theile Verderben bereiten. So stand Deutschland gegen ein halbes Jahrhundert, die Hand an dem Schwert; jedes rauschende Blatt erschreckte.

Ferdinand I. König von Ungarn, und sein vortreflicher Sohn Maximilian II. hielten in dieser bedenklichen Epoche die Zügel des Reichs. Mit einem Herzen voll Aufrichtigkeit, mit einer wirklich heroischen Geduld, hatte Ferdinand den Religionsfrieden zu Augsburg vermittelt, und an den undankbaren Versuch, beyde Kirchen auf dem Concilium zu Trient zu vereinigen, eine vergebliche Mühe verschwendet. Von seinem Neffen, dem Spanischen Philipp, im Stich gelassen, zugleich in Siebenbürgen und Ungarn von den siegreichen Waffen der Türken bedrängt, wie hätte sich dieser Kaiser sollen in den Sinn kommen lassen, den Religionsfrieden zu verlezen, und sein eigenes mühevolles Werk zu vernichten? Der große Aufwand des immer sich erneuernden Türkenkriegs konnte von den sparsamen Beyträgen seiner erschöpften Erblande nicht bestritten werden; er brauchte also den Beystand des Reichs -

Reiche, wenn ein entscheidender Streich sie hier nothwendig machte. Deutschland war damals eine Vorrathskammer des Kriegs für fast alle Europäische Mächte. Der Religionskrieg hatte Soldaten darin angehäuft, die der Friede ausser Brodt sezte. So vielen von einander unabhängigen Fürsten war es leicht, Kriegsheere zusammen zu bringen, welche sie alsdann, sey’s aus Gewinnsucht oder aus Partheygeist, an fremde Mächte verliehen. Mit Deutschen Truppen bekriegte Philipp II. die Niederlande, und mit Deutschen Truppen vertheidigten sie sich. Eine jede solche Truppenwerbung in Deutschland schreckte immer eine von beyden Religionspartheyen auf; sie konnte zu ihrer Unterdrückung abzielen. Ein herum wandernder Gesandte, ein ausserordentlicher päbstlicher Legat, eine Zusammenkunft von Fürsten, jede ungewöhnliche Erscheinung mußte dem einen oder dem andern Theile Verderben bereiten. So stand Deutschland gegen ein halbes Jahrhundert, die Hand an dem Schwert; jedes rauschende Blatt erschreckte.

Ferdinand I. König von Ungarn, und sein vortreflicher Sohn Maximilian II. hielten in dieser bedenklichen Epoche die Zügel des Reichs. Mit einem Herzen voll Aufrichtigkeit, mit einer wirklich heroischen Geduld, hatte Ferdinand den Religionsfrieden zu Augsburg vermittelt, und an den undankbaren Versuch, beyde Kirchen auf dem Concilium zu Trient zu vereinigen, eine vergebliche Mühe verschwendet. Von seinem Neffen, dem Spanischen Philipp, im Stich gelassen, zugleich in Siebenbürgen und Ungarn von den siegreichen Waffen der Türken bedrängt, wie hätte sich dieser Kaiser sollen in den Sinn kommen lassen, den Religionsfrieden zu verlezen, und sein eigenes mühevolles Werk zu vernichten? Der große Aufwand des immer sich erneuernden Türkenkriegs konnte von den sparsamen Beyträgen seiner erschöpften Erblande nicht bestritten werden; er brauchte also den Beystand des Reichs –

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[24/0032] Reiche, wenn ein entscheidender Streich sie hier nothwendig machte. Deutschland war damals eine Vorrathskammer des Kriegs für fast alle Europäische Mächte. Der Religionskrieg hatte Soldaten darin angehäuft, die der Friede ausser Brodt sezte. So vielen von einander unabhängigen Fürsten war es leicht, Kriegsheere zusammen zu bringen, welche sie alsdann, sey’s aus Gewinnsucht oder aus Partheygeist, an fremde Mächte verliehen. Mit Deutschen Truppen bekriegte Philipp II. die Niederlande, und mit Deutschen Truppen vertheidigten sie sich. Eine jede solche Truppenwerbung in Deutschland schreckte immer eine von beyden Religionspartheyen auf; sie konnte zu ihrer Unterdrückung abzielen. Ein herum wandernder Gesandte, ein ausserordentlicher päbstlicher Legat, eine Zusammenkunft von Fürsten, jede ungewöhnliche Erscheinung mußte dem einen oder dem andern Theile Verderben bereiten. So stand Deutschland gegen ein halbes Jahrhundert, die Hand an dem Schwert; jedes rauschende Blatt erschreckte. Ferdinand I. König von Ungarn, und sein vortreflicher Sohn Maximilian II. hielten in dieser bedenklichen Epoche die Zügel des Reichs. Mit einem Herzen voll Aufrichtigkeit, mit einer wirklich heroischen Geduld, hatte Ferdinand den Religionsfrieden zu Augsburg vermittelt, und an den undankbaren Versuch, beyde Kirchen auf dem Concilium zu Trient zu vereinigen, eine vergebliche Mühe verschwendet. Von seinem Neffen, dem Spanischen Philipp, im Stich gelassen, zugleich in Siebenbürgen und Ungarn von den siegreichen Waffen der Türken bedrängt, wie hätte sich dieser Kaiser sollen in den Sinn kommen lassen, den Religionsfrieden zu verlezen, und sein eigenes mühevolles Werk zu vernichten? Der große Aufwand des immer sich erneuernden Türkenkriegs konnte von den sparsamen Beyträgen seiner erschöpften Erblande nicht bestritten werden; er brauchte also den Beystand des Reichs –

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/32>, abgerufen am 24.04.2024.