Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.hatte er das rasche Gelübde gethan, seinen Degen nie wieder für den König zu ziehen. An ihn wendet sich jetzt Gustav Adolph, und, seinen Heldenmuth lobend, ersucht er ihn, die Regimenter zum Rückzug zu kommandiren. "Sire," erwiedert der tapfre Soldat, "das ist der einzige Dienst, den ich Eurer Majestät nicht verweigern kann, denn es ist etwas dabey zu wagen;" und sogleich sprengt er davon, den erhaltenen Auftrag ins Werk zu richten. Zwar hatte sich Herzog Bernhard von Weimar in der Hitze des Gefechts einer Anhöhe über der alten Feste bemächtigt, von wo aus man den Berg und das ganze Lager bestreichen konnte. Aber ein heftiger Platzregen, der in derselben Nacht einfiel, machte den Abhang so schlüpfrig, daß es unmöglich war, die Kanonen hinaufzubringen, und so mußte man von freyen Stücken diesen mit Strömen Bluts errungenen Posten verloren geben. Mißtrauisch gegen das Glück, das ihn an diesem entscheidenden Tage verlassen hatte, getraute der König sich nicht, mit erschöpften Truppen am folgenden Tage den Sturm fortzusetzen, und zum erstenmal überwunden, weil er nicht Ueberwinder war, führt er seine Truppen über die Rednitz zurück. Zweytausend Todte, die er auf dem Wahlplatz zurückließ, bezeugten seinen Verlust, und unüberwunden stand der Herzog von Friedland in seinen Linien. Noch ganze vierzehn Tage nach dieser Action blieben die Armeen einander gegenüber gelagert, jede in der Erwartung, die andre zuerst zum Aufbruch zu nöthigen. Je mehr mit jedem Tage der kleine Vorrath an Lebensmitteln schmolz, desto schrecklicher wuchsen die Drangsale des Hungers, desto mehr verwilderte der Soldat, und das Landvolk umher ward das Opfer seiner thierischen Raubsucht. Die steigende Noth löste alle Bande der Zucht und der Ordnung im Schwedischen Lager auf, und besonders zeichneten sich die Deutschen Regimenter durch die Gewaltthätigkeiten aus, die sie gegen hatte er das rasche Gelübde gethan, seinen Degen nie wieder für den König zu ziehen. An ihn wendet sich jetzt Gustav Adolph, und, seinen Heldenmuth lobend, ersucht er ihn, die Regimenter zum Rückzug zu kommandiren. „Sire,“ erwiedert der tapfre Soldat, „das ist der einzige Dienst, den ich Eurer Majestät nicht verweigern kann, denn es ist etwas dabey zu wagen;“ und sogleich sprengt er davon, den erhaltenen Auftrag ins Werk zu richten. Zwar hatte sich Herzog Bernhard von Weimar in der Hitze des Gefechts einer Anhöhe über der alten Feste bemächtigt, von wo aus man den Berg und das ganze Lager bestreichen konnte. Aber ein heftiger Platzregen, der in derselben Nacht einfiel, machte den Abhang so schlüpfrig, daß es unmöglich war, die Kanonen hinaufzubringen, und so mußte man von freyen Stücken diesen mit Strömen Bluts errungenen Posten verloren geben. Mißtrauisch gegen das Glück, das ihn an diesem entscheidenden Tage verlassen hatte, getraute der König sich nicht, mit erschöpften Truppen am folgenden Tage den Sturm fortzusetzen, und zum erstenmal überwunden, weil er nicht Ueberwinder war, führt er seine Truppen über die Rednitz zurück. Zweytausend Todte, die er auf dem Wahlplatz zurückließ, bezeugten seinen Verlust, und unüberwunden stand der Herzog von Friedland in seinen Linien. Noch ganze vierzehn Tage nach dieser Action blieben die Armeen einander gegenüber gelagert, jede in der Erwartung, die andre zuerst zum Aufbruch zu nöthigen. Je mehr mit jedem Tage der kleine Vorrath an Lebensmitteln schmolz, desto schrecklicher wuchsen die Drangsale des Hungers, desto mehr verwilderte der Soldat, und das Landvolk umher ward das Opfer seiner thierischen Raubsucht. Die steigende Noth löste alle Bande der Zucht und der Ordnung im Schwedischen Lager auf, und besonders zeichneten sich die Deutschen Regimenter durch die Gewaltthätigkeiten aus, die sie gegen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0330" n="322"/> hatte er das rasche Gelübde gethan, seinen Degen nie wieder für den König zu ziehen. An ihn wendet sich jetzt <persName>Gustav Adolph</persName>, und, seinen Heldenmuth lobend, ersucht er ihn, die Regimenter zum Rückzug zu kommandiren. „Sire,“ erwiedert der tapfre Soldat, „das ist der einzige Dienst, den ich Eurer Majestät nicht verweigern kann, denn es ist etwas dabey zu wagen;“ und sogleich sprengt er davon, den erhaltenen Auftrag ins Werk zu richten. Zwar hatte sich Herzog Bernhard von Weimar in der Hitze des Gefechts einer Anhöhe über der alten Feste bemächtigt, von wo aus man den Berg und das ganze Lager bestreichen konnte. Aber ein heftiger Platzregen, der in derselben Nacht einfiel, machte den Abhang so schlüpfrig, daß es unmöglich war, die Kanonen hinaufzubringen, und so mußte man von freyen Stücken diesen mit Strömen Bluts errungenen Posten verloren geben. Mißtrauisch gegen das Glück, das ihn an diesem entscheidenden Tage verlassen hatte, getraute der König sich nicht, mit erschöpften Truppen am folgenden Tage den Sturm fortzusetzen, und zum erstenmal überwunden, weil er nicht Ueberwinder war, führt er seine Truppen über die Rednitz zurück. Zweytausend Todte, die er auf dem Wahlplatz zurückließ, bezeugten seinen Verlust, und unüberwunden stand der Herzog von Friedland in seinen Linien.</p> <p>Noch ganze vierzehn Tage nach dieser Action blieben die Armeen einander gegenüber gelagert, jede in der Erwartung, die andre zuerst zum Aufbruch zu nöthigen. Je mehr mit jedem Tage der kleine Vorrath an Lebensmitteln schmolz, desto schrecklicher wuchsen die Drangsale des Hungers, desto mehr verwilderte der Soldat, und das Landvolk umher ward das Opfer seiner thierischen Raubsucht. Die steigende Noth löste alle Bande der Zucht und der Ordnung im Schwedischen Lager auf, und besonders zeichneten sich die Deutschen Regimenter durch die Gewaltthätigkeiten aus, die sie gegen </p> </div> </body> </text> </TEI> [322/0330]
hatte er das rasche Gelübde gethan, seinen Degen nie wieder für den König zu ziehen. An ihn wendet sich jetzt Gustav Adolph, und, seinen Heldenmuth lobend, ersucht er ihn, die Regimenter zum Rückzug zu kommandiren. „Sire,“ erwiedert der tapfre Soldat, „das ist der einzige Dienst, den ich Eurer Majestät nicht verweigern kann, denn es ist etwas dabey zu wagen;“ und sogleich sprengt er davon, den erhaltenen Auftrag ins Werk zu richten. Zwar hatte sich Herzog Bernhard von Weimar in der Hitze des Gefechts einer Anhöhe über der alten Feste bemächtigt, von wo aus man den Berg und das ganze Lager bestreichen konnte. Aber ein heftiger Platzregen, der in derselben Nacht einfiel, machte den Abhang so schlüpfrig, daß es unmöglich war, die Kanonen hinaufzubringen, und so mußte man von freyen Stücken diesen mit Strömen Bluts errungenen Posten verloren geben. Mißtrauisch gegen das Glück, das ihn an diesem entscheidenden Tage verlassen hatte, getraute der König sich nicht, mit erschöpften Truppen am folgenden Tage den Sturm fortzusetzen, und zum erstenmal überwunden, weil er nicht Ueberwinder war, führt er seine Truppen über die Rednitz zurück. Zweytausend Todte, die er auf dem Wahlplatz zurückließ, bezeugten seinen Verlust, und unüberwunden stand der Herzog von Friedland in seinen Linien.
Noch ganze vierzehn Tage nach dieser Action blieben die Armeen einander gegenüber gelagert, jede in der Erwartung, die andre zuerst zum Aufbruch zu nöthigen. Je mehr mit jedem Tage der kleine Vorrath an Lebensmitteln schmolz, desto schrecklicher wuchsen die Drangsale des Hungers, desto mehr verwilderte der Soldat, und das Landvolk umher ward das Opfer seiner thierischen Raubsucht. Die steigende Noth löste alle Bande der Zucht und der Ordnung im Schwedischen Lager auf, und besonders zeichneten sich die Deutschen Regimenter durch die Gewaltthätigkeiten aus, die sie gegen
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