Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.Freund und Feind ohne Unterschied verübten. Die schwache Hand eines Einzigen vermochte einer Gesetzlosigkeit nicht zu steuern, die durch das Stillschweigen der untern Befehlshaber eine scheinbare Billigung, und oft durch ihr eigenes verderbliches Beyspiel Ermunterung erhielt. Tief schmerzte den Monarchen dieser schimpfliche Verfall der Kriegszucht, in die er bis jetzt einen so gegründeten Stolz gesetzt hatte, und der Nachdruck, womit er den Deutschen Offizieren ihre Nachlässigkeit verweist, bezeugt die Heftigkeit seiner Empfindungen. "Ihr Deutschen," rief er aus, "ihr, ihr selbst seyd es, die ihr euer eigenes Vaterland bestehlt, und gegen eure eigenen Glaubensgenossen wüthet. Gott sey mein Zeuge, ich verabscheue euch, ich habe einen Ekel an euch, und das Herz gällt mir im Leibe, wenn ich euch anschaue. Ihr übertrettet meine Verordnungen, ihr seyd Ursache, daß die Welt mich verflucht, daß mich die Thränen der schuldlosen Armuth verfolgen, daß ich öffentlich hören muß: Der König, unser Freund, thut uns mehr Uebels an, als unsre grimmigsten Feinde. Euretwegen habe ich meine Krone ihres Schatzes entblößt, und über vierzig Tonnen Goldes aufgewendet; von eurem Deutschen Reich aber nicht erhalten, wovon ich mich schlecht bekleiden könnte. Euch gab ich alles, was Gott mir zutheilte, und, hättet ihr meine Gesetze geachtet, alles, was er mir künftig noch geben mag, würde ich mit Freuden unter euch ausgetheilt haben. Eure schlechte Mannszucht überzeugt mich, daß ihrs böse meint, wie sehr ich auch Ursache haben mag, eure Tapferkeit zu loben." Nürnberg hatte sich über Vermögen angestrengt, die ungeheure Menschenmenge, welche in seinem Gebiete zusammengepreßt war, eilf Wochen lang zu ernähren; endlich aber versiegten die Mittel, und der König, als der zahlreichere Theil, mußte sich eben darum zuerst zum Abzug entschließen. Mehr als zehntausend seiner Einwohner hatte Nürnberg Freund und Feind ohne Unterschied verübten. Die schwache Hand eines Einzigen vermochte einer Gesetzlosigkeit nicht zu steuern, die durch das Stillschweigen der untern Befehlshaber eine scheinbare Billigung, und oft durch ihr eigenes verderbliches Beyspiel Ermunterung erhielt. Tief schmerzte den Monarchen dieser schimpfliche Verfall der Kriegszucht, in die er bis jetzt einen so gegründeten Stolz gesetzt hatte, und der Nachdruck, womit er den Deutschen Offizieren ihre Nachlässigkeit verweist, bezeugt die Heftigkeit seiner Empfindungen. „Ihr Deutschen,“ rief er aus, „ihr, ihr selbst seyd es, die ihr euer eigenes Vaterland bestehlt, und gegen eure eigenen Glaubensgenossen wüthet. Gott sey mein Zeuge, ich verabscheue euch, ich habe einen Ekel an euch, und das Herz gällt mir im Leibe, wenn ich euch anschaue. Ihr übertrettet meine Verordnungen, ihr seyd Ursache, daß die Welt mich verflucht, daß mich die Thränen der schuldlosen Armuth verfolgen, daß ich öffentlich hören muß: Der König, unser Freund, thut uns mehr Uebels an, als unsre grimmigsten Feinde. Euretwegen habe ich meine Krone ihres Schatzes entblößt, und über vierzig Tonnen Goldes aufgewendet; von eurem Deutschen Reich aber nicht erhalten, wovon ich mich schlecht bekleiden könnte. Euch gab ich alles, was Gott mir zutheilte, und, hättet ihr meine Gesetze geachtet, alles, was er mir künftig noch geben mag, würde ich mit Freuden unter euch ausgetheilt haben. Eure schlechte Mannszucht überzeugt mich, daß ihrs böse meint, wie sehr ich auch Ursache haben mag, eure Tapferkeit zu loben.“ Nürnberg hatte sich über Vermögen angestrengt, die ungeheure Menschenmenge, welche in seinem Gebiete zusammengepreßt war, eilf Wochen lang zu ernähren; endlich aber versiegten die Mittel, und der König, als der zahlreichere Theil, mußte sich eben darum zuerst zum Abzug entschließen. Mehr als zehntausend seiner Einwohner hatte Nürnberg <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0331" n="323"/> Freund und Feind ohne Unterschied verübten. Die schwache Hand eines Einzigen vermochte einer Gesetzlosigkeit nicht zu steuern, die durch das Stillschweigen der untern Befehlshaber eine scheinbare Billigung, und oft durch ihr eigenes verderbliches Beyspiel Ermunterung erhielt. Tief schmerzte den Monarchen dieser schimpfliche Verfall der Kriegszucht, in die er bis jetzt einen so gegründeten Stolz gesetzt hatte, und der Nachdruck, womit er den Deutschen Offizieren ihre Nachlässigkeit verweist, bezeugt die Heftigkeit seiner Empfindungen. „Ihr Deutschen,“ rief er aus, „ihr, ihr selbst seyd es, die ihr euer eigenes Vaterland bestehlt, und gegen eure eigenen Glaubensgenossen wüthet. Gott sey mein Zeuge, ich verabscheue euch, ich habe einen Ekel an euch, und das Herz gällt mir im Leibe, wenn ich euch anschaue. Ihr übertrettet meine Verordnungen, ihr seyd Ursache, daß die Welt mich verflucht, daß mich die Thränen der schuldlosen Armuth verfolgen, daß ich öffentlich hören muß: Der König, unser Freund, thut uns mehr Uebels an, als unsre grimmigsten Feinde. Euretwegen habe ich meine Krone ihres Schatzes entblößt, und über vierzig Tonnen Goldes aufgewendet; von eurem Deutschen Reich aber nicht erhalten, wovon ich mich schlecht bekleiden könnte. Euch gab ich alles, was Gott mir zutheilte, und, hättet ihr meine Gesetze geachtet, alles, was er mir künftig noch geben mag, würde ich mit Freuden unter euch ausgetheilt haben. Eure schlechte Mannszucht überzeugt mich, daß ihrs böse meint, wie sehr ich auch Ursache haben mag, eure Tapferkeit zu loben.“</p> <p>Nürnberg hatte sich über Vermögen angestrengt, die ungeheure Menschenmenge, welche in seinem Gebiete zusammengepreßt war, eilf Wochen lang zu ernähren; endlich aber versiegten die Mittel, und der König, als der zahlreichere Theil, mußte sich eben darum zuerst zum Abzug entschließen. Mehr als zehntausend seiner Einwohner hatte Nürnberg </p> </div> </body> </text> </TEI> [323/0331]
Freund und Feind ohne Unterschied verübten. Die schwache Hand eines Einzigen vermochte einer Gesetzlosigkeit nicht zu steuern, die durch das Stillschweigen der untern Befehlshaber eine scheinbare Billigung, und oft durch ihr eigenes verderbliches Beyspiel Ermunterung erhielt. Tief schmerzte den Monarchen dieser schimpfliche Verfall der Kriegszucht, in die er bis jetzt einen so gegründeten Stolz gesetzt hatte, und der Nachdruck, womit er den Deutschen Offizieren ihre Nachlässigkeit verweist, bezeugt die Heftigkeit seiner Empfindungen. „Ihr Deutschen,“ rief er aus, „ihr, ihr selbst seyd es, die ihr euer eigenes Vaterland bestehlt, und gegen eure eigenen Glaubensgenossen wüthet. Gott sey mein Zeuge, ich verabscheue euch, ich habe einen Ekel an euch, und das Herz gällt mir im Leibe, wenn ich euch anschaue. Ihr übertrettet meine Verordnungen, ihr seyd Ursache, daß die Welt mich verflucht, daß mich die Thränen der schuldlosen Armuth verfolgen, daß ich öffentlich hören muß: Der König, unser Freund, thut uns mehr Uebels an, als unsre grimmigsten Feinde. Euretwegen habe ich meine Krone ihres Schatzes entblößt, und über vierzig Tonnen Goldes aufgewendet; von eurem Deutschen Reich aber nicht erhalten, wovon ich mich schlecht bekleiden könnte. Euch gab ich alles, was Gott mir zutheilte, und, hättet ihr meine Gesetze geachtet, alles, was er mir künftig noch geben mag, würde ich mit Freuden unter euch ausgetheilt haben. Eure schlechte Mannszucht überzeugt mich, daß ihrs böse meint, wie sehr ich auch Ursache haben mag, eure Tapferkeit zu loben.“
Nürnberg hatte sich über Vermögen angestrengt, die ungeheure Menschenmenge, welche in seinem Gebiete zusammengepreßt war, eilf Wochen lang zu ernähren; endlich aber versiegten die Mittel, und der König, als der zahlreichere Theil, mußte sich eben darum zuerst zum Abzug entschließen. Mehr als zehntausend seiner Einwohner hatte Nürnberg
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