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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Naturlehre, Chemie und dem Studium der Antiquitäten besonders - ergab er sich mit einem leidenschaftlichen Hange, der ihn aber zu einer Zeit; wo die bedenkliche Lage der Dinge die angestrengteste Aufmerksamkeit heischte, und seine erschöpften Finanzen die höchste Sparsamkeit nöthig machten, von Regierungsgeschäften zurück zog, und zu einer höchst schädlichen Verschwendung reizte. Sein Geschmack an der Sternkunst verirrte sich in astrologische Träumereyen, denen sich ein melancholisches und furchtsames Gemüth, wie das seinige war, so leicht überliefert. Dieses und eine in Spanien zugebrachte Jugend öffnete sein Ohr den schlimmen Rathschlägen der Jesuiten und den Eingebungen des Spanischen Hofs, die ihn zuletzt unumschränkt beherrschten. Von Liebhabereyen angezogen, die seines grossen Postens so wenig würdig waren, und von lächerlichen Wahrsagungen geschreckt, verschwand er nach Spanischer Sitte vor seinen Unterthanen, um sich unter seinen Gemmen und Antiken, in seinem Laboratorium, in seinem Marstalle zu verbergen, während daß die gefährlichste Zwietracht alle Bande des Deutschen Staatskörpers auflöste, und die Flamme der Empörung schon anfing, an die Stufen seines Thrones zu schlagen. Der Zugang zu ihm war jedem ohne Ausnahme versperrt, daß man sich in einen Stallknecht verkleiden mußte, um sich seiner Person nur zu nähern. Unausgefertigt lagen unterdessen die dringendsten Geschäfte; die Aussicht auf die reiche Spanische Erbschaft verschwand, weil er unschlüssig blieb, der Infantin Isabella seine Hand zu geben; dem Reiche drohte die fürchterlichste Anarchie, weil er, obgleich selbst ohne Erben, nicht dahin zu bringen war, einen Römischen König erwählen zu lassen. Die Oesterreichischen Landstände sagten ihm den Gehorsam auf, Ungarn und Siebenbürgen entrissen sich seiner Hoheit, und Böhmen säumte nicht lange, diesem Beyspiel zu folgen. Die Nachkommenschaft des so gefürchteten Carls V. schwebte in einer mehr als schimärischen

Naturlehre, Chemie und dem Studium der Antiquitäten besonders – ergab er sich mit einem leidenschaftlichen Hange, der ihn aber zu einer Zeit; wo die bedenkliche Lage der Dinge die angestrengteste Aufmerksamkeit heischte, und seine erschöpften Finanzen die höchste Sparsamkeit nöthig machten, von Regierungsgeschäften zurück zog, und zu einer höchst schädlichen Verschwendung reizte. Sein Geschmack an der Sternkunst verirrte sich in astrologische Träumereyen, denen sich ein melancholisches und furchtsames Gemüth, wie das seinige war, so leicht überliefert. Dieses und eine in Spanien zugebrachte Jugend öffnete sein Ohr den schlimmen Rathschlägen der Jesuiten und den Eingebungen des Spanischen Hofs, die ihn zuletzt unumschränkt beherrschten. Von Liebhabereyen angezogen, die seines grossen Postens so wenig würdig waren, und von lächerlichen Wahrsagungen geschreckt, verschwand er nach Spanischer Sitte vor seinen Unterthanen, um sich unter seinen Gemmen und Antiken, in seinem Laboratorium, in seinem Marstalle zu verbergen, während daß die gefährlichste Zwietracht alle Bande des Deutschen Staatskörpers auflöste, und die Flamme der Empörung schon anfing, an die Stufen seines Thrones zu schlagen. Der Zugang zu ihm war jedem ohne Ausnahme versperrt, daß man sich in einen Stallknecht verkleiden mußte, um sich seiner Person nur zu nähern. Unausgefertigt lagen unterdessen die dringendsten Geschäfte; die Aussicht auf die reiche Spanische Erbschaft verschwand, weil er unschlüssig blieb, der Infantin Isabella seine Hand zu geben; dem Reiche drohte die fürchterlichste Anarchie, weil er, obgleich selbst ohne Erben, nicht dahin zu bringen war, einen Römischen König erwählen zu lassen. Die Oesterreichischen Landstände sagten ihm den Gehorsam auf, Ungarn und Siebenbürgen entrissen sich seiner Hoheit, und Böhmen säumte nicht lange, diesem Beyspiel zu folgen. Die Nachkommenschaft des so gefürchteten Carls V. schwebte in einer mehr als schimärischen

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[26/0034] Naturlehre, Chemie und dem Studium der Antiquitäten besonders – ergab er sich mit einem leidenschaftlichen Hange, der ihn aber zu einer Zeit; wo die bedenkliche Lage der Dinge die angestrengteste Aufmerksamkeit heischte, und seine erschöpften Finanzen die höchste Sparsamkeit nöthig machten, von Regierungsgeschäften zurück zog, und zu einer höchst schädlichen Verschwendung reizte. Sein Geschmack an der Sternkunst verirrte sich in astrologische Träumereyen, denen sich ein melancholisches und furchtsames Gemüth, wie das seinige war, so leicht überliefert. Dieses und eine in Spanien zugebrachte Jugend öffnete sein Ohr den schlimmen Rathschlägen der Jesuiten und den Eingebungen des Spanischen Hofs, die ihn zuletzt unumschränkt beherrschten. Von Liebhabereyen angezogen, die seines grossen Postens so wenig würdig waren, und von lächerlichen Wahrsagungen geschreckt, verschwand er nach Spanischer Sitte vor seinen Unterthanen, um sich unter seinen Gemmen und Antiken, in seinem Laboratorium, in seinem Marstalle zu verbergen, während daß die gefährlichste Zwietracht alle Bande des Deutschen Staatskörpers auflöste, und die Flamme der Empörung schon anfing, an die Stufen seines Thrones zu schlagen. Der Zugang zu ihm war jedem ohne Ausnahme versperrt, daß man sich in einen Stallknecht verkleiden mußte, um sich seiner Person nur zu nähern. Unausgefertigt lagen unterdessen die dringendsten Geschäfte; die Aussicht auf die reiche Spanische Erbschaft verschwand, weil er unschlüssig blieb, der Infantin Isabella seine Hand zu geben; dem Reiche drohte die fürchterlichste Anarchie, weil er, obgleich selbst ohne Erben, nicht dahin zu bringen war, einen Römischen König erwählen zu lassen. Die Oesterreichischen Landstände sagten ihm den Gehorsam auf, Ungarn und Siebenbürgen entrissen sich seiner Hoheit, und Böhmen säumte nicht lange, diesem Beyspiel zu folgen. Die Nachkommenschaft des so gefürchteten Carls V. schwebte in einer mehr als schimärischen

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/34>, abgerufen am 27.04.2024.