Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

entschieden, und selbst das Schicksal der Religionen ohne Zuziehung der dabey so sehr interessirten Glieder bestimmt. Es sollte ein allgemeiner Friede, ein Reichsgesetz seyn, als ein solches bekannt gemacht, und durch ein Reichsexekutionsheer, wie ein förmlicher Reichsschluß, vollzogen werden. Wer sich dagegen auflehnte, war ein Feind des Reiches, und so mußte er, allen ständischen Rechten zuwider, ein Gesetz anerkennen, das er nicht selbst mit gegeben hatte. Der Pragische Friede war also, schon seiner Form nach, ein Werk der Willkühr; und er war es nicht weniger durch seinen Inhalt.

Das Restitutionsedikt hatte den Bruch zwischen Chursachsen und dem Kaiser vorzüglich veranlaßt; also mußte man auch bey der Wiederaussöhnung zuerst darauf Rücksicht nehmen. Ohne es ausdrücklich und förmlich aufzuheben, setzte man in dem Pragischen Frieden fest, daß alle unmittelbaren Stifter, und unter den mittelbaren diejenigen, welche nach dem Passauischen Vertrage von den Protestanten eingezogen und besessen worden, noch vierzig Jahre, jedoch ohne Reichstagsstimme, in demjenigen Stande bleiben sollten, in welchem das Restitutionsedikt sie gefunden habe. Vor Ablauf dieser vierzig Jahre sollte dann eine Kommission von beyderley Religionsverwandten gleicher Anzahl friedlich und gesetzmäßig darüber verfügen, und wenn es auch dann zu keinem Endurtheil käme, jeder Theil in den Besitz aller Rechte zurücktreten, die er vor Erscheinung des Restitutionsedikts ausgeübt habe. Diese Auskunft also, weit entfernt den Samen der Zwietracht zu ersticken, suspendirte nur auf eine Zeit lang seine verderblichen Wirkungen, und der Zunder eines neuen Krieges lag schon in diesem Artikel des Pragischen Friedens.

Das Erzstift Magdeburg bleibt dem Prinzen August von Sachsen, und Halberstadt dem Erzherzog Leopold Wilhelm. Von dem Magdeburgischen Gebiet werden vier Aemter abgerissen und

entschieden, und selbst das Schicksal der Religionen ohne Zuziehung der dabey so sehr interessirten Glieder bestimmt. Es sollte ein allgemeiner Friede, ein Reichsgesetz seyn, als ein solches bekannt gemacht, und durch ein Reichsexekutionsheer, wie ein förmlicher Reichsschluß, vollzogen werden. Wer sich dagegen auflehnte, war ein Feind des Reiches, und so mußte er, allen ständischen Rechten zuwider, ein Gesetz anerkennen, das er nicht selbst mit gegeben hatte. Der Pragische Friede war also, schon seiner Form nach, ein Werk der Willkühr; und er war es nicht weniger durch seinen Inhalt.

Das Restitutionsedikt hatte den Bruch zwischen Chursachsen und dem Kaiser vorzüglich veranlaßt; also mußte man auch bey der Wiederaussöhnung zuerst darauf Rücksicht nehmen. Ohne es ausdrücklich und förmlich aufzuheben, setzte man in dem Pragischen Frieden fest, daß alle unmittelbaren Stifter, und unter den mittelbaren diejenigen, welche nach dem Passauischen Vertrage von den Protestanten eingezogen und besessen worden, noch vierzig Jahre, jedoch ohne Reichstagsstimme, in demjenigen Stande bleiben sollten, in welchem das Restitutionsedikt sie gefunden habe. Vor Ablauf dieser vierzig Jahre sollte dann eine Kommission von beyderley Religionsverwandten gleicher Anzahl friedlich und gesetzmäßig darüber verfügen, und wenn es auch dann zu keinem Endurtheil käme, jeder Theil in den Besitz aller Rechte zurücktreten, die er vor Erscheinung des Restitutionsedikts ausgeübt habe. Diese Auskunft also, weit entfernt den Samen der Zwietracht zu ersticken, suspendirte nur auf eine Zeit lang seine verderblichen Wirkungen, und der Zunder eines neuen Krieges lag schon in diesem Artikel des Pragischen Friedens.

Das Erzstift Magdeburg bleibt dem Prinzen August von Sachsen, und Halberstadt dem Erzherzog Leopold Wilhelm. Von dem Magdeburgischen Gebiet werden vier Aemter abgerissen und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0434" n="426"/>
entschieden, und           selbst das Schicksal der Religionen ohne Zuziehung der dabey so sehr interessirten Glieder           bestimmt. Es sollte ein allgemeiner Friede, ein Reichsgesetz seyn, als ein solches bekannt           gemacht, und durch ein Reichsexekutionsheer, wie ein förmlicher Reichsschluß, vollzogen           werden. Wer sich dagegen auflehnte, war ein Feind des Reiches, und so mußte er, allen           ständischen Rechten zuwider, ein Gesetz anerkennen, das er nicht selbst mit gegeben hatte.           Der Pragische Friede war also, schon seiner Form nach, ein Werk der <hi rendition="#g">Willkühr</hi>; und er war es nicht weniger durch seinen Inhalt.</p>
        <p>Das Restitutionsedikt hatte den Bruch zwischen Chursachsen und dem Kaiser vorzüglich           veranlaßt; also mußte man auch bey der Wiederaussöhnung zuerst darauf Rücksicht nehmen.           Ohne es ausdrücklich und förmlich aufzuheben, setzte man in dem Pragischen Frieden fest,           daß alle unmittelbaren Stifter, und unter den mittelbaren diejenigen, welche nach dem           Passauischen Vertrage von den Protestanten eingezogen und besessen worden, noch <hi rendition="#g">vierzig</hi> Jahre, jedoch ohne Reichstagsstimme, in demjenigen Stande           bleiben sollten, in welchem das Restitutionsedikt sie gefunden habe. Vor Ablauf dieser           vierzig Jahre sollte dann eine Kommission von beyderley Religionsverwandten gleicher           Anzahl friedlich und gesetzmäßig darüber verfügen, und wenn es auch dann zu keinem           Endurtheil käme, jeder Theil in den Besitz aller Rechte zurücktreten, die er vor           Erscheinung des Restitutionsedikts ausgeübt habe. Diese Auskunft also, weit entfernt den           Samen der Zwietracht zu ersticken, <hi rendition="#g">suspendirte</hi> nur auf eine Zeit           lang seine verderblichen Wirkungen, und der Zunder eines neuen Krieges lag schon in diesem           Artikel des Pragischen Friedens.</p>
        <p>Das Erzstift Magdeburg bleibt dem Prinzen August von Sachsen, und Halberstadt dem           Erzherzog Leopold Wilhelm. Von dem Magdeburgischen Gebiet werden vier Aemter abgerissen           und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[426/0434] entschieden, und selbst das Schicksal der Religionen ohne Zuziehung der dabey so sehr interessirten Glieder bestimmt. Es sollte ein allgemeiner Friede, ein Reichsgesetz seyn, als ein solches bekannt gemacht, und durch ein Reichsexekutionsheer, wie ein förmlicher Reichsschluß, vollzogen werden. Wer sich dagegen auflehnte, war ein Feind des Reiches, und so mußte er, allen ständischen Rechten zuwider, ein Gesetz anerkennen, das er nicht selbst mit gegeben hatte. Der Pragische Friede war also, schon seiner Form nach, ein Werk der Willkühr; und er war es nicht weniger durch seinen Inhalt. Das Restitutionsedikt hatte den Bruch zwischen Chursachsen und dem Kaiser vorzüglich veranlaßt; also mußte man auch bey der Wiederaussöhnung zuerst darauf Rücksicht nehmen. Ohne es ausdrücklich und förmlich aufzuheben, setzte man in dem Pragischen Frieden fest, daß alle unmittelbaren Stifter, und unter den mittelbaren diejenigen, welche nach dem Passauischen Vertrage von den Protestanten eingezogen und besessen worden, noch vierzig Jahre, jedoch ohne Reichstagsstimme, in demjenigen Stande bleiben sollten, in welchem das Restitutionsedikt sie gefunden habe. Vor Ablauf dieser vierzig Jahre sollte dann eine Kommission von beyderley Religionsverwandten gleicher Anzahl friedlich und gesetzmäßig darüber verfügen, und wenn es auch dann zu keinem Endurtheil käme, jeder Theil in den Besitz aller Rechte zurücktreten, die er vor Erscheinung des Restitutionsedikts ausgeübt habe. Diese Auskunft also, weit entfernt den Samen der Zwietracht zu ersticken, suspendirte nur auf eine Zeit lang seine verderblichen Wirkungen, und der Zunder eines neuen Krieges lag schon in diesem Artikel des Pragischen Friedens. Das Erzstift Magdeburg bleibt dem Prinzen August von Sachsen, und Halberstadt dem Erzherzog Leopold Wilhelm. Von dem Magdeburgischen Gebiet werden vier Aemter abgerissen und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/434
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/434>, abgerufen am 17.05.2024.