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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Aber es war nicht mehr Ferdinand der Zweyte, gegen den es jetzt als ein offenbarer Feind aufstand; diesen hatte schon im Februar 1637 im neun und funfzigsten Jahre seines Alters der Tod von dem Schauplatz abgerufen. Der Krieg, den seine Herrschsucht entzündet hatte, überlebte ihn; nie hatte er während seiner achtzehenjährigen Regierung das Schwert aus der Hand gelegt; nie, so lang er das Reichszepter führte, die Wohlthat des Friedens geschmeckt. Mit den Talenten des guten Herrschers geboren, mit vielen Tugenden geschmückt, die das Glück der Völker begründen, sanft und menschlich von Natur, sehen wir ihn, aus einem übel verstandenen Begriff von Monarchenpflicht, das Werkzeug zugleich und das Opfer fremder Leidenschaften, seine wohlthätige Bestimmung verfehlen, und den Freund der Gerechtigkeit in einen Unterdrücker der Menschheit, in einen Feind des Friedens, in eine Geißel seiner Völker ausarten. In seinem Privatleben liebenswürdig, in seinem Regentenamt achtungswerth, nur in seiner Politik schlimm berichtet, vereinigte er auf seinem Haupte den Segen seiner katholischen Unterthanen und die Flüche der protestantischen Welt. Die Geschichte stellt mehr und schlimmere Despoten auf, als Ferdinand der Zweyte gewesen, und doch hat nur Einer einen dreyßigjährigen Krieg entzündet; aber der Ehrgeitz dieses Einzigen mußte unglücklicher Weise gerade mit einem solchen Jahrhundert, mit solchen Vorbereitungen, mit solchen Keimen der Zwietracht zusammentreffen, wenn er von so verderblichen Folgen begleitet seyn sollte. In einer friedlichern Zeitepoche hätte dieser Funke keine Nahrung gefunden, und die Ruhe des Jahrhunderts hätte den Ehrgeitz des Einzelnen erstickt: jetzt fiel der unglückliche Strahl in ein hoch aufgethürmtes, lange gesammeltes Brenngeräthe, und Europa entzündete sich.

Sein Sohn, Ferdinand der Dritte, wenige

Aber es war nicht mehr Ferdinand der Zweyte, gegen den es jetzt als ein offenbarer Feind aufstand; diesen hatte schon im Februar 1637 im neun und funfzigsten Jahre seines Alters der Tod von dem Schauplatz abgerufen. Der Krieg, den seine Herrschsucht entzündet hatte, überlebte ihn; nie hatte er während seiner achtzehenjährigen Regierung das Schwert aus der Hand gelegt; nie, so lang er das Reichszepter führte, die Wohlthat des Friedens geschmeckt. Mit den Talenten des guten Herrschers geboren, mit vielen Tugenden geschmückt, die das Glück der Völker begründen, sanft und menschlich von Natur, sehen wir ihn, aus einem übel verstandenen Begriff von Monarchenpflicht, das Werkzeug zugleich und das Opfer fremder Leidenschaften, seine wohlthätige Bestimmung verfehlen, und den Freund der Gerechtigkeit in einen Unterdrücker der Menschheit, in einen Feind des Friedens, in eine Geißel seiner Völker ausarten. In seinem Privatleben liebenswürdig, in seinem Regentenamt achtungswerth, nur in seiner Politik schlimm berichtet, vereinigte er auf seinem Haupte den Segen seiner katholischen Unterthanen und die Flüche der protestantischen Welt. Die Geschichte stellt mehr und schlimmere Despoten auf, als Ferdinand der Zweyte gewesen, und doch hat nur Einer einen dreyßigjährigen Krieg entzündet; aber der Ehrgeitz dieses Einzigen mußte unglücklicher Weise gerade mit einem solchen Jahrhundert, mit solchen Vorbereitungen, mit solchen Keimen der Zwietracht zusammentreffen, wenn er von so verderblichen Folgen begleitet seyn sollte. In einer friedlichern Zeitepoche hätte dieser Funke keine Nahrung gefunden, und die Ruhe des Jahrhunderts hätte den Ehrgeitz des Einzelnen erstickt: jetzt fiel der unglückliche Strahl in ein hoch aufgethürmtes, lange gesammeltes Brenngeräthe, und Europa entzündete sich.

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[447/0455] Aber es war nicht mehr Ferdinand der Zweyte, gegen den es jetzt als ein offenbarer Feind aufstand; diesen hatte schon im Februar 1637 im neun und funfzigsten Jahre seines Alters der Tod von dem Schauplatz abgerufen. Der Krieg, den seine Herrschsucht entzündet hatte, überlebte ihn; nie hatte er während seiner achtzehenjährigen Regierung das Schwert aus der Hand gelegt; nie, so lang er das Reichszepter führte, die Wohlthat des Friedens geschmeckt. Mit den Talenten des guten Herrschers geboren, mit vielen Tugenden geschmückt, die das Glück der Völker begründen, sanft und menschlich von Natur, sehen wir ihn, aus einem übel verstandenen Begriff von Monarchenpflicht, das Werkzeug zugleich und das Opfer fremder Leidenschaften, seine wohlthätige Bestimmung verfehlen, und den Freund der Gerechtigkeit in einen Unterdrücker der Menschheit, in einen Feind des Friedens, in eine Geißel seiner Völker ausarten. In seinem Privatleben liebenswürdig, in seinem Regentenamt achtungswerth, nur in seiner Politik schlimm berichtet, vereinigte er auf seinem Haupte den Segen seiner katholischen Unterthanen und die Flüche der protestantischen Welt. Die Geschichte stellt mehr und schlimmere Despoten auf, als Ferdinand der Zweyte gewesen, und doch hat nur Einer einen dreyßigjährigen Krieg entzündet; aber der Ehrgeitz dieses Einzigen mußte unglücklicher Weise gerade mit einem solchen Jahrhundert, mit solchen Vorbereitungen, mit solchen Keimen der Zwietracht zusammentreffen, wenn er von so verderblichen Folgen begleitet seyn sollte. In einer friedlichern Zeitepoche hätte dieser Funke keine Nahrung gefunden, und die Ruhe des Jahrhunderts hätte den Ehrgeitz des Einzelnen erstickt: jetzt fiel der unglückliche Strahl in ein hoch aufgethürmtes, lange gesammeltes Brenngeräthe, und Europa entzündete sich. Sein Sohn, Ferdinand der Dritte, wenige

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/455>, abgerufen am 04.05.2024.