Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

längern Genuß des Religionsfriedens nur den Verlegenheiten zu danken hätte, worein den Kaiser die innerlichen Unruhen in seinen Ländern versezten, und eben darum beeilte man sich nicht, ihn aus diesen Verlegenheiten zu reißen.

Fast alle Angelegenheiten des Reichstags blieben entweder aus Saumseligkeit des Kaisers, oder durch die Schuld der protestantischen Reichsstände liegen, welche es sich zum Geseze gemacht hatten, nicht eher zu den gemeinschaftlichen Bedürfnissen des Reichs etwas beyzutragen, bis ihre Beschwerden gehoben wären. Diese Beschwerden wurden vorzüglich über das schlechte Regiment des Kaisers, über Kränkung des Religionsfriedens, und über die neuen Anmaßungen des Reichshofraths geführt, welcher unter dieser Regierung angefangen hatte, zum Nachtheil des Kammergerichts, seine Gerichtsbarkeit zu erweitern. Sonst hatten die Kaiser, in unwichtigen Fällen für sich allein, in wichtigen mit Zuziehung der Fürsten, alle Rechtshändel zwischen den Ständen, die das Faustrecht nicht ohne sie ausmachte, in höchster Instanz entschieden, oder durch kaiserliche Richter, die ihrem Hoflager folgten, entscheiden lassen. Dieses oberrichterliche Amt hatten sie am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts einem regelmäßigen, fortdauernden und stehenden Tribunal, dem Kammergericht zu Speyer, übertragen, zu welchem die Stände des Reichs, um nicht durch die Willkühr des Kaisers unterdrückt zu werden, sich vorbehielten, die Beysizer zu stellen, auch die Aussprüche des Gerichts durch periodische Revisionen zu untersuchen. Durch den Religionsfrieden war dieses Recht der Stände, das Präsentations- und Visitationsrecht genannt, auch auf die Lutherischen ausgedehnt worden, so daß nunmehr auch protestantische Richter in protestantischen Rechtshändeln sprachen, und ein scheinbares Gleichgewicht beyder Religionen in diesem höchsten Reichsgericht Statt fand.

längern Genuß des Religionsfriedens nur den Verlegenheiten zu danken hätte, worein den Kaiser die innerlichen Unruhen in seinen Ländern versezten, und eben darum beeilte man sich nicht, ihn aus diesen Verlegenheiten zu reißen.

Fast alle Angelegenheiten des Reichstags blieben entweder aus Saumseligkeit des Kaisers, oder durch die Schuld der protestantischen Reichsstände liegen, welche es sich zum Geseze gemacht hatten, nicht eher zu den gemeinschaftlichen Bedürfnissen des Reichs etwas beyzutragen, bis ihre Beschwerden gehoben wären. Diese Beschwerden wurden vorzüglich über das schlechte Regiment des Kaisers, über Kränkung des Religionsfriedens, und über die neuen Anmaßungen des Reichshofraths geführt, welcher unter dieser Regierung angefangen hatte, zum Nachtheil des Kammergerichts, seine Gerichtsbarkeit zu erweitern. Sonst hatten die Kaiser, in unwichtigen Fällen für sich allein, in wichtigen mit Zuziehung der Fürsten, alle Rechtshändel zwischen den Ständen, die das Faustrecht nicht ohne sie ausmachte, in höchster Instanz entschieden, oder durch kaiserliche Richter, die ihrem Hoflager folgten, entscheiden lassen. Dieses oberrichterliche Amt hatten sie am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts einem regelmäßigen, fortdauernden und stehenden Tribunal, dem Kammergericht zu Speyer, übertragen, zu welchem die Stände des Reichs, um nicht durch die Willkühr des Kaisers unterdrückt zu werden, sich vorbehielten, die Beysizer zu stellen, auch die Aussprüche des Gerichts durch periodische Revisionen zu untersuchen. Durch den Religionsfrieden war dieses Recht der Stände, das Präsentations- und Visitationsrecht genannt, auch auf die Lutherischen ausgedehnt worden, so daß nunmehr auch protestantische Richter in protestantischen Rechtshändeln sprachen, und ein scheinbares Gleichgewicht beyder Religionen in diesem höchsten Reichsgericht Statt fand.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0050" n="42"/>
längern Genuß des Religionsfriedens nur den Verlegenheiten zu danken hätte,           worein den Kaiser die innerlichen Unruhen in seinen Ländern versezten, und eben darum           beeilte man sich nicht, ihn aus diesen Verlegenheiten zu reißen.</p>
        <p>Fast alle Angelegenheiten des Reichstags blieben entweder aus Saumseligkeit des Kaisers,           oder durch die Schuld der protestantischen Reichsstände liegen, welche es sich zum Geseze           gemacht hatten, nicht eher zu den gemeinschaftlichen Bedürfnissen des Reichs etwas           beyzutragen, bis ihre Beschwerden gehoben wären. Diese Beschwerden wurden vorzüglich über           das schlechte Regiment des Kaisers, über Kränkung des Religionsfriedens, und über die           neuen Anmaßungen des <hi rendition="#fr">Reichshofraths</hi> geführt, welcher unter dieser           Regierung angefangen hatte, zum Nachtheil des Kammergerichts, seine Gerichtsbarkeit zu           erweitern. Sonst hatten die Kaiser, in unwichtigen Fällen für sich allein, in wichtigen           mit Zuziehung der Fürsten, alle Rechtshändel zwischen den Ständen, die das Faustrecht           nicht ohne sie ausmachte, in höchster Instanz entschieden, oder durch kaiserliche Richter,           die ihrem Hoflager folgten, entscheiden lassen. Dieses oberrichterliche Amt hatten sie am           Ende des fünfzehnten Jahrhunderts einem regelmäßigen, fortdauernden und stehenden           Tribunal, dem <hi rendition="#fr">Kammergericht</hi> zu Speyer, übertragen, zu welchem die           Stände des Reichs, um nicht durch die Willkühr des Kaisers unterdrückt zu werden, sich           vorbehielten, die Beysizer zu stellen, auch die Aussprüche des Gerichts durch periodische           Revisionen zu untersuchen. Durch den Religionsfrieden war dieses Recht der Stände, das           Präsentations- und Visitationsrecht genannt, auch auf die Lutherischen ausgedehnt worden,           so daß nunmehr auch protestantische Richter in protestantischen Rechtshändeln sprachen,           und ein scheinbares Gleichgewicht beyder Religionen in diesem höchsten Reichsgericht Statt           fand.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0050] längern Genuß des Religionsfriedens nur den Verlegenheiten zu danken hätte, worein den Kaiser die innerlichen Unruhen in seinen Ländern versezten, und eben darum beeilte man sich nicht, ihn aus diesen Verlegenheiten zu reißen. Fast alle Angelegenheiten des Reichstags blieben entweder aus Saumseligkeit des Kaisers, oder durch die Schuld der protestantischen Reichsstände liegen, welche es sich zum Geseze gemacht hatten, nicht eher zu den gemeinschaftlichen Bedürfnissen des Reichs etwas beyzutragen, bis ihre Beschwerden gehoben wären. Diese Beschwerden wurden vorzüglich über das schlechte Regiment des Kaisers, über Kränkung des Religionsfriedens, und über die neuen Anmaßungen des Reichshofraths geführt, welcher unter dieser Regierung angefangen hatte, zum Nachtheil des Kammergerichts, seine Gerichtsbarkeit zu erweitern. Sonst hatten die Kaiser, in unwichtigen Fällen für sich allein, in wichtigen mit Zuziehung der Fürsten, alle Rechtshändel zwischen den Ständen, die das Faustrecht nicht ohne sie ausmachte, in höchster Instanz entschieden, oder durch kaiserliche Richter, die ihrem Hoflager folgten, entscheiden lassen. Dieses oberrichterliche Amt hatten sie am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts einem regelmäßigen, fortdauernden und stehenden Tribunal, dem Kammergericht zu Speyer, übertragen, zu welchem die Stände des Reichs, um nicht durch die Willkühr des Kaisers unterdrückt zu werden, sich vorbehielten, die Beysizer zu stellen, auch die Aussprüche des Gerichts durch periodische Revisionen zu untersuchen. Durch den Religionsfrieden war dieses Recht der Stände, das Präsentations- und Visitationsrecht genannt, auch auf die Lutherischen ausgedehnt worden, so daß nunmehr auch protestantische Richter in protestantischen Rechtshändeln sprachen, und ein scheinbares Gleichgewicht beyder Religionen in diesem höchsten Reichsgericht Statt fand.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/50
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/50>, abgerufen am 29.03.2024.