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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Aber die Feinde der Reformation und der ständischen Freyheit, wachsam auf jeden Umstand, der ihre Zwecke begünstigte, fanden bald einen Ausweg, den Nuzen dieser Einrichtung zu zerstören. Nach und nach kam es auf, daß ein Privatgerichtshof des Kaisers, der Reichshofrath in Wien - anfänglich zu nichts anderm bestimmt, als dem Kaiser in Ausübung seiner unbezweifelten persöhnlichen Kaiserrechte mit Rath an die Hand zu gehen - ein Tribunal, dessen Mitglieder, von dem Kaiser allein willkührlich aufgestellt und von ihm allein besoldet, den Vortheil ihres Herrn zu ihrem höchsten Geseze, und das Beste der katholischen Religion, zu welcher sie sich bekannten, zu ihrer einzigen Richtschnur machen mußten - die höchste Justiz über die Reichsstände ausübte. Vor den Reichshofrath wurden nunmehr viele Rechtshändel zwischen Ständen ungleicher Religion gezogen, über welche zu sprechen nur dem Kammergericht gebührte, und vor Entstehung desselben dem Fürstenrathe gebührt hatte. Kein Wunder, wenn die Aussprüche dieses Gerichtshofs ihren Ursprung verriethen, wenn von katholischen Richtern und von Kreaturen des Kaisers dem Interesse der katholischen Religion und des Kaisers die Gerechtigkeit aufgeopfert ward. Obgleich alle Reichsstände Deutschlands Ursache zu haben schienen, einem so gefährlichen Mißbrauche in Zeiten zu begegnen, so stellten sich doch bloß allein die Protestanten, welche er am empfindlichsten drückte, und unter diesen nicht einmal alle, als Vertheidiger der Deutschen Freyheit auf, die ein so willkührliches Institut an ihrer heiligsten Stelle, an der Gerechtigkeitspflege, verlezte. In der That würde Deutschland gar wenig Ursache gehabt haben, sich zu Abschaffung des Faustrechts und Einsezung des Kammergerichts Glück zu wünschen, wenn neben dem leztern noch eine willkührliche kaiserliche Gerichtsbarkeit Statt finden durfte. Die Deutschen Reichsstände würden sich gegen jene Zeiten der Barbarey gar wenig verbessert haben, wenn das

Aber die Feinde der Reformation und der ständischen Freyheit, wachsam auf jeden Umstand, der ihre Zwecke begünstigte, fanden bald einen Ausweg, den Nuzen dieser Einrichtung zu zerstören. Nach und nach kam es auf, daß ein Privatgerichtshof des Kaisers, der Reichshofrath in Wien – anfänglich zu nichts anderm bestimmt, als dem Kaiser in Ausübung seiner unbezweifelten persöhnlichen Kaiserrechte mit Rath an die Hand zu gehen – ein Tribunal, dessen Mitglieder, von dem Kaiser allein willkührlich aufgestellt und von ihm allein besoldet, den Vortheil ihres Herrn zu ihrem höchsten Geseze, und das Beste der katholischen Religion, zu welcher sie sich bekannten, zu ihrer einzigen Richtschnur machen mußten – die höchste Justiz über die Reichsstände ausübte. Vor den Reichshofrath wurden nunmehr viele Rechtshändel zwischen Ständen ungleicher Religion gezogen, über welche zu sprechen nur dem Kammergericht gebührte, und vor Entstehung desselben dem Fürstenrathe gebührt hatte. Kein Wunder, wenn die Aussprüche dieses Gerichtshofs ihren Ursprung verriethen, wenn von katholischen Richtern und von Kreaturen des Kaisers dem Interesse der katholischen Religion und des Kaisers die Gerechtigkeit aufgeopfert ward. Obgleich alle Reichsstände Deutschlands Ursache zu haben schienen, einem so gefährlichen Mißbrauche in Zeiten zu begegnen, so stellten sich doch bloß allein die Protestanten, welche er am empfindlichsten drückte, und unter diesen nicht einmal alle, als Vertheidiger der Deutschen Freyheit auf, die ein so willkührliches Institut an ihrer heiligsten Stelle, an der Gerechtigkeitspflege, verlezte. In der That würde Deutschland gar wenig Ursache gehabt haben, sich zu Abschaffung des Faustrechts und Einsezung des Kammergerichts Glück zu wünschen, wenn neben dem leztern noch eine willkührliche kaiserliche Gerichtsbarkeit Statt finden durfte. Die Deutschen Reichsstände würden sich gegen jene Zeiten der Barbarey gar wenig verbessert haben, wenn das

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[43/0051] Aber die Feinde der Reformation und der ständischen Freyheit, wachsam auf jeden Umstand, der ihre Zwecke begünstigte, fanden bald einen Ausweg, den Nuzen dieser Einrichtung zu zerstören. Nach und nach kam es auf, daß ein Privatgerichtshof des Kaisers, der Reichshofrath in Wien – anfänglich zu nichts anderm bestimmt, als dem Kaiser in Ausübung seiner unbezweifelten persöhnlichen Kaiserrechte mit Rath an die Hand zu gehen – ein Tribunal, dessen Mitglieder, von dem Kaiser allein willkührlich aufgestellt und von ihm allein besoldet, den Vortheil ihres Herrn zu ihrem höchsten Geseze, und das Beste der katholischen Religion, zu welcher sie sich bekannten, zu ihrer einzigen Richtschnur machen mußten – die höchste Justiz über die Reichsstände ausübte. Vor den Reichshofrath wurden nunmehr viele Rechtshändel zwischen Ständen ungleicher Religion gezogen, über welche zu sprechen nur dem Kammergericht gebührte, und vor Entstehung desselben dem Fürstenrathe gebührt hatte. Kein Wunder, wenn die Aussprüche dieses Gerichtshofs ihren Ursprung verriethen, wenn von katholischen Richtern und von Kreaturen des Kaisers dem Interesse der katholischen Religion und des Kaisers die Gerechtigkeit aufgeopfert ward. Obgleich alle Reichsstände Deutschlands Ursache zu haben schienen, einem so gefährlichen Mißbrauche in Zeiten zu begegnen, so stellten sich doch bloß allein die Protestanten, welche er am empfindlichsten drückte, und unter diesen nicht einmal alle, als Vertheidiger der Deutschen Freyheit auf, die ein so willkührliches Institut an ihrer heiligsten Stelle, an der Gerechtigkeitspflege, verlezte. In der That würde Deutschland gar wenig Ursache gehabt haben, sich zu Abschaffung des Faustrechts und Einsezung des Kammergerichts Glück zu wünschen, wenn neben dem leztern noch eine willkührliche kaiserliche Gerichtsbarkeit Statt finden durfte. Die Deutschen Reichsstände würden sich gegen jene Zeiten der Barbarey gar wenig verbessert haben, wenn das

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/51>, abgerufen am 29.04.2024.