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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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oder Freyheit, neues Eigenthum, oder Sicherheit für das alte; und weil alle gewannen, so blieb das Gleichgewicht unverlezt. Frankreich konnte großmüthig jeden Antheil an der Beute verschmähen, weil es durch Oesterreichs Untergang sich selbst wenigstens zweyfach gewann, und am mächtigsten war, wenn es nicht mächtiger wurde. Endlich um den Preis, daß sie Europa von ihrer Gegenwart befreyten, gab man den Nachkömmlingen von Habsburg die Freyheit, in allen übrigen entdeckten und noch zu entdeckenden Welten sich auszubreiten. Ravaillacs Messerstiche retteten Oesterreich, um die Ruhe von Europa noch um einige Jahrhunderte zu verspäten.

Die Augen auf einen solchen Entwurf geheftet, mußte Heinrich die evangelische Union in Deutschland und den Erbfolgestreit wegen Jülich nothwendig als die wichtigsten Ereignisse mit schnellem, thätigem Antheil ergreifen. Seine Unterhändler waren an allen protestantischen Höfen Deutschlands geschäftig, und das wenige, was sie von dem großen politischen Geheimniß ihres Monarchen preis gaben, oder ahnden liessen, war hinlänglich, Gemüther zu gewinnen, die ein so feuriger Haß gegen Oesterreich beseelte, und die Vergrösserungsbegierde so mächtig beherrschte. Heinrichs staatskluge Bemühungen zogen die Union noch enger zusammen, und der mächtige Beystand, wozu er sich anheischig machte, erhob den Muth der Verbundenen zur festesten Zuversicht. Eine zahlreiche Französische Armee, von dem König in Person angeführt, sollte den Truppen der Union am Rheine begegnen, und zuerst die Eroberung der Jülich-Clevischen Lande vollenden helfen; alsdann in Vereinigung mit den Deutschen nach Italien rücken, (wo Savoyen, Venedig und der Pabst schon einen mächtigen Beystand bereit hielten,) um dort alle Spanischen Throne umzustürzen. Diese siegreiche Armee sollte dann, von der Lombardey aus, in das Habsburgische Erbtheil eindringen, und dort, von

oder Freyheit, neues Eigenthum, oder Sicherheit für das alte; und weil alle gewannen, so blieb das Gleichgewicht unverlezt. Frankreich konnte großmüthig jeden Antheil an der Beute verschmähen, weil es durch Oesterreichs Untergang sich selbst wenigstens zweyfach gewann, und am mächtigsten war, wenn es nicht mächtiger wurde. Endlich um den Preis, daß sie Europa von ihrer Gegenwart befreyten, gab man den Nachkömmlingen von Habsburg die Freyheit, in allen übrigen entdeckten und noch zu entdeckenden Welten sich auszubreiten. Ravaillacs Messerstiche retteten Oesterreich, um die Ruhe von Europa noch um einige Jahrhunderte zu verspäten.

Die Augen auf einen solchen Entwurf geheftet, mußte Heinrich die evangelische Union in Deutschland und den Erbfolgestreit wegen Jülich nothwendig als die wichtigsten Ereignisse mit schnellem, thätigem Antheil ergreifen. Seine Unterhändler waren an allen protestantischen Höfen Deutschlands geschäftig, und das wenige, was sie von dem großen politischen Geheimniß ihres Monarchen preis gaben, oder ahnden liessen, war hinlänglich, Gemüther zu gewinnen, die ein so feuriger Haß gegen Oesterreich beseelte, und die Vergrösserungsbegierde so mächtig beherrschte. Heinrichs staatskluge Bemühungen zogen die Union noch enger zusammen, und der mächtige Beystand, wozu er sich anheischig machte, erhob den Muth der Verbundenen zur festesten Zuversicht. Eine zahlreiche Französische Armee, von dem König in Person angeführt, sollte den Truppen der Union am Rheine begegnen, und zuerst die Eroberung der Jülich-Clevischen Lande vollenden helfen; alsdann in Vereinigung mit den Deutschen nach Italien rücken, (wo Savoyen, Venedig und der Pabst schon einen mächtigen Beystand bereit hielten,) um dort alle Spanischen Throne umzustürzen. Diese siegreiche Armee sollte dann, von der Lombardey aus, in das Habsburgische Erbtheil eindringen, und dort, von

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[60/0068] oder Freyheit, neues Eigenthum, oder Sicherheit für das alte; und weil alle gewannen, so blieb das Gleichgewicht unverlezt. Frankreich konnte großmüthig jeden Antheil an der Beute verschmähen, weil es durch Oesterreichs Untergang sich selbst wenigstens zweyfach gewann, und am mächtigsten war, wenn es nicht mächtiger wurde. Endlich um den Preis, daß sie Europa von ihrer Gegenwart befreyten, gab man den Nachkömmlingen von Habsburg die Freyheit, in allen übrigen entdeckten und noch zu entdeckenden Welten sich auszubreiten. Ravaillacs Messerstiche retteten Oesterreich, um die Ruhe von Europa noch um einige Jahrhunderte zu verspäten. Die Augen auf einen solchen Entwurf geheftet, mußte Heinrich die evangelische Union in Deutschland und den Erbfolgestreit wegen Jülich nothwendig als die wichtigsten Ereignisse mit schnellem, thätigem Antheil ergreifen. Seine Unterhändler waren an allen protestantischen Höfen Deutschlands geschäftig, und das wenige, was sie von dem großen politischen Geheimniß ihres Monarchen preis gaben, oder ahnden liessen, war hinlänglich, Gemüther zu gewinnen, die ein so feuriger Haß gegen Oesterreich beseelte, und die Vergrösserungsbegierde so mächtig beherrschte. Heinrichs staatskluge Bemühungen zogen die Union noch enger zusammen, und der mächtige Beystand, wozu er sich anheischig machte, erhob den Muth der Verbundenen zur festesten Zuversicht. Eine zahlreiche Französische Armee, von dem König in Person angeführt, sollte den Truppen der Union am Rheine begegnen, und zuerst die Eroberung der Jülich-Clevischen Lande vollenden helfen; alsdann in Vereinigung mit den Deutschen nach Italien rücken, (wo Savoyen, Venedig und der Pabst schon einen mächtigen Beystand bereit hielten,) um dort alle Spanischen Throne umzustürzen. Diese siegreiche Armee sollte dann, von der Lombardey aus, in das Habsburgische Erbtheil eindringen, und dort, von

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/68>, abgerufen am 29.11.2024.