Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.bewegen. So lange die Weisheit bey ihrem Vorhaben auf Weisheit rechnet, oder sich auf ihre eignen Kräfte verläßt, entwirft sie keine andre als schimärische Plane, und die Weisheit läuft Gefahr, sich zum Gelächter der Welt zu machen - aber ein glücklicher Erfolg ist ihr gewiß, und sie kann auf Beyfall und Bewunderung zählen, sobald sie in ihren geistreichen Planen eine Rolle für Barbarey, Habsucht und Aberglauben hat, und die Umstände ihr vergönnen, eigennüzige Leidenschaften zu Vollstreckern ihrer schönen Zwecke zu machen. In dem erstern Falle hätte Heinrichs bekanntes Projekt, das Oesterreichische Haus aus allen seinen Besizungen zu verjagen, und unter den Europäischen Mächten seinen Raub zu vertheilen, den Namen einer Schimäre wirklich verdient, womit man immer so freygebig gegen dasselbe gewesen ist; aber verdiente es ihn auch in dem andern? Dem vortrefflichen König war es wohl nie eingefallen, bey den Vollstreckern seines Projekts auf einen Beweggrund zu zählen, welcher demjenigen ähnlich gewesen wäre, der ihn selbst und seinen Sully bey dieser Unternehmung beseelte. Alle Staaten, deren Mitwirkung dabey nöthig war, wurden durch die stärksten Motive, die eine politische Macht nur immer in Handlung sezen können, zu der Rolle vermocht, die sie dabey zu übernehmen hatten. Von den Protestanten im Oesterreichischen verlangte man nichts, als was ohnehin das Ziel ihres Bestrebens schien, die Abwerfung des Oesterreichischen Joches; von den Niederländern nichts, als einen ähnlichen Abfall von dem Spanischen. Dem Pabst und allen Republiken Italiens war keine Angelegenheit wichtiger, als die Spanische Tyranney auf immer von ihrer Halbinsel zu verjagen; für England konnte nichts wünschenswürdiger seyn, als eine Revolution, welche es von seinem abgesagtesten Feinde befreyte. Jede Macht gewann bey dieser Theilung des Oesterreichischen Raubes entweder Land bewegen. So lange die Weisheit bey ihrem Vorhaben auf Weisheit rechnet, oder sich auf ihre eignen Kräfte verläßt, entwirft sie keine andre als schimärische Plane, und die Weisheit läuft Gefahr, sich zum Gelächter der Welt zu machen – aber ein glücklicher Erfolg ist ihr gewiß, und sie kann auf Beyfall und Bewunderung zählen, sobald sie in ihren geistreichen Planen eine Rolle für Barbarey, Habsucht und Aberglauben hat, und die Umstände ihr vergönnen, eigennüzige Leidenschaften zu Vollstreckern ihrer schönen Zwecke zu machen. In dem erstern Falle hätte Heinrichs bekanntes Projekt, das Oesterreichische Haus aus allen seinen Besizungen zu verjagen, und unter den Europäischen Mächten seinen Raub zu vertheilen, den Namen einer Schimäre wirklich verdient, womit man immer so freygebig gegen dasselbe gewesen ist; aber verdiente es ihn auch in dem andern? Dem vortrefflichen König war es wohl nie eingefallen, bey den Vollstreckern seines Projekts auf einen Beweggrund zu zählen, welcher demjenigen ähnlich gewesen wäre, der ihn selbst und seinen Sully bey dieser Unternehmung beseelte. Alle Staaten, deren Mitwirkung dabey nöthig war, wurden durch die stärksten Motive, die eine politische Macht nur immer in Handlung sezen können, zu der Rolle vermocht, die sie dabey zu übernehmen hatten. Von den Protestanten im Oesterreichischen verlangte man nichts, als was ohnehin das Ziel ihres Bestrebens schien, die Abwerfung des Oesterreichischen Joches; von den Niederländern nichts, als einen ähnlichen Abfall von dem Spanischen. Dem Pabst und allen Republiken Italiens war keine Angelegenheit wichtiger, als die Spanische Tyranney auf immer von ihrer Halbinsel zu verjagen; für England konnte nichts wünschenswürdiger seyn, als eine Revolution, welche es von seinem abgesagtesten Feinde befreyte. 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So lange die Weisheit bey ihrem Vorhaben auf Weisheit rechnet, oder sich auf ihre eignen Kräfte verläßt, entwirft sie keine andre als schimärische Plane, und die Weisheit läuft Gefahr, sich zum Gelächter der Welt zu machen – aber ein glücklicher Erfolg ist ihr gewiß, und sie kann auf Beyfall und Bewunderung zählen, sobald sie in ihren geistreichen Planen eine Rolle für Barbarey, Habsucht und Aberglauben hat, und die Umstände ihr vergönnen, eigennüzige Leidenschaften zu Vollstreckern ihrer schönen Zwecke zu machen.</p> <p>In dem erstern Falle hätte Heinrichs bekanntes Projekt, das Oesterreichische Haus aus allen seinen Besizungen zu verjagen, und unter den Europäischen Mächten seinen Raub zu vertheilen, den Namen einer Schimäre wirklich verdient, womit man immer so freygebig gegen dasselbe gewesen ist; aber verdiente es ihn auch in dem andern? Dem vortrefflichen König war es wohl nie eingefallen, bey den Vollstreckern seines Projekts auf einen Beweggrund zu zählen, welcher demjenigen ähnlich gewesen wäre, der ihn selbst und seinen Sully bey dieser Unternehmung beseelte. Alle Staaten, deren Mitwirkung dabey nöthig war, wurden durch die stärksten Motive, die eine politische Macht nur immer in Handlung sezen können, zu der Rolle vermocht, die sie dabey zu übernehmen hatten. Von den Protestanten im Oesterreichischen verlangte man nichts, als was ohnehin das Ziel ihres Bestrebens schien, die Abwerfung des Oesterreichischen Joches; von den Niederländern nichts, als einen ähnlichen Abfall von dem Spanischen. Dem Pabst und allen Republiken Italiens war keine Angelegenheit wichtiger, als die Spanische Tyranney auf immer von ihrer Halbinsel zu verjagen; für England konnte nichts wünschenswürdiger seyn, als eine Revolution, welche es von seinem abgesagtesten Feinde befreyte. Jede Macht gewann bey dieser Theilung des Oesterreichischen Raubes entweder Land </p> </div> </body> </text> </TEI> [59/0067]
bewegen. So lange die Weisheit bey ihrem Vorhaben auf Weisheit rechnet, oder sich auf ihre eignen Kräfte verläßt, entwirft sie keine andre als schimärische Plane, und die Weisheit läuft Gefahr, sich zum Gelächter der Welt zu machen – aber ein glücklicher Erfolg ist ihr gewiß, und sie kann auf Beyfall und Bewunderung zählen, sobald sie in ihren geistreichen Planen eine Rolle für Barbarey, Habsucht und Aberglauben hat, und die Umstände ihr vergönnen, eigennüzige Leidenschaften zu Vollstreckern ihrer schönen Zwecke zu machen.
In dem erstern Falle hätte Heinrichs bekanntes Projekt, das Oesterreichische Haus aus allen seinen Besizungen zu verjagen, und unter den Europäischen Mächten seinen Raub zu vertheilen, den Namen einer Schimäre wirklich verdient, womit man immer so freygebig gegen dasselbe gewesen ist; aber verdiente es ihn auch in dem andern? Dem vortrefflichen König war es wohl nie eingefallen, bey den Vollstreckern seines Projekts auf einen Beweggrund zu zählen, welcher demjenigen ähnlich gewesen wäre, der ihn selbst und seinen Sully bey dieser Unternehmung beseelte. Alle Staaten, deren Mitwirkung dabey nöthig war, wurden durch die stärksten Motive, die eine politische Macht nur immer in Handlung sezen können, zu der Rolle vermocht, die sie dabey zu übernehmen hatten. Von den Protestanten im Oesterreichischen verlangte man nichts, als was ohnehin das Ziel ihres Bestrebens schien, die Abwerfung des Oesterreichischen Joches; von den Niederländern nichts, als einen ähnlichen Abfall von dem Spanischen. Dem Pabst und allen Republiken Italiens war keine Angelegenheit wichtiger, als die Spanische Tyranney auf immer von ihrer Halbinsel zu verjagen; für England konnte nichts wünschenswürdiger seyn, als eine Revolution, welche es von seinem abgesagtesten Feinde befreyte. Jede Macht gewann bey dieser Theilung des Oesterreichischen Raubes entweder Land
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