Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.Unterdessen hatte sich die Wachsamkeit der Defensoren in etwas gemindert, und der Hof glaubte, einen ernstlichen Schritt wagen zu können. Auf Befehl des Kaisers wurde die Kirche zu Klostergrab niedergerissen, die zu Braunau gewaltsam gesperrt, und die unruhigsten Köpfe unter den Bürgern ins Gefängniß geworfen. Eine allgemeine Bewegung unter den Protestanten war die Folge dieses Schrittes; man schrie über Verletzung des Majestätsbriefs, und der Graf von Thurn, von Rachbegier beseelt, und durch sein Defensoramt noch mehr aufgefordert, zeigte sich besonders geschäftig, die Gemüther zu erhizen. Aus allen Kreisen des Königreichs wurden auf seinen Antrieb Deputierte nach Prag gerufen, um, dieser gemeinschaftlichen Gefahr wegen, die nöthigen Maßregeln zu nehmen. Man kam überein, eine Supplik an den Kaiser aufzusezen, und auf Loslassung der Gefangenen zu dringen. Die Antwort des Kaisers, schon darum von den Ständen sehr übel aufgenommen, weil sie nicht an sie selbst, sondern an seine Statthalter gerichtet war, verwies ihnen ihr Betragen als gesezwidrig und rebellisch, rechtfertigte den Vorgang in Klostergrab und Braunau durch einen kaiserlichen Befehl, und enthielt einige Stellen, welche drohend gedeutet werden konnten. Der Graf von Thurn unterließ nicht, den schlimmen Eindruck zu vermehren, den dieses kaiserliche Schreiben unter den versammelten Ständen machte. Er zeigte ihnen die Gefahr, worin alle Theilnehmer an dieser Bittschrift schwebten, und wußte sie durch Erbitterung und Furcht zu gewaltsamen Entschliessungen hinzureissen. Sie unmittelbar gegen den Kaiser zu empören, wäre jezt noch ein zu gewagter Schritt gewesen. Nur von Stufe zu Stufe führte er sie an dieses unvermeidliche Ziel. Er fand daher für gut, ihren Unwillen zuerst auf die Räthe des Kaisers abzuleiten, und verbreitete zu dem Ende die Meinung, daß das kaiserliche Schreiben in der Statthalterey zu Prag aufgesezt, und nur zu Wien unterschrieben Unterdessen hatte sich die Wachsamkeit der Defensoren in etwas gemindert, und der Hof glaubte, einen ernstlichen Schritt wagen zu können. Auf Befehl des Kaisers wurde die Kirche zu Klostergrab niedergerissen, die zu Braunau gewaltsam gesperrt, und die unruhigsten Köpfe unter den Bürgern ins Gefängniß geworfen. Eine allgemeine Bewegung unter den Protestanten war die Folge dieses Schrittes; man schrie über Verletzung des Majestätsbriefs, und der Graf von Thurn, von Rachbegier beseelt, und durch sein Defensoramt noch mehr aufgefordert, zeigte sich besonders geschäftig, die Gemüther zu erhizen. Aus allen Kreisen des Königreichs wurden auf seinen Antrieb Deputierte nach Prag gerufen, um, dieser gemeinschaftlichen Gefahr wegen, die nöthigen Maßregeln zu nehmen. Man kam überein, eine Supplik an den Kaiser aufzusezen, und auf Loslassung der Gefangenen zu dringen. Die Antwort des Kaisers, schon darum von den Ständen sehr übel aufgenommen, weil sie nicht an sie selbst, sondern an seine Statthalter gerichtet war, verwies ihnen ihr Betragen als gesezwidrig und rebellisch, rechtfertigte den Vorgang in Klostergrab und Braunau durch einen kaiserlichen Befehl, und enthielt einige Stellen, welche drohend gedeutet werden konnten. Der Graf von Thurn unterließ nicht, den schlimmen Eindruck zu vermehren, den dieses kaiserliche Schreiben unter den versammelten Ständen machte. Er zeigte ihnen die Gefahr, worin alle Theilnehmer an dieser Bittschrift schwebten, und wußte sie durch Erbitterung und Furcht zu gewaltsamen Entschliessungen hinzureissen. Sie unmittelbar gegen den Kaiser zu empören, wäre jezt noch ein zu gewagter Schritt gewesen. Nur von Stufe zu Stufe führte er sie an dieses unvermeidliche Ziel. Er fand daher für gut, ihren Unwillen zuerst auf die Räthe des Kaisers abzuleiten, und verbreitete zu dem Ende die Meinung, daß das kaiserliche Schreiben in der Statthalterey zu Prag aufgesezt, und nur zu Wien unterschrieben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0083" n="75"/> <p>Unterdessen hatte sich die Wachsamkeit der Defensoren in etwas gemindert, und der Hof glaubte, einen ernstlichen Schritt wagen zu können. Auf Befehl des Kaisers wurde die Kirche zu Klostergrab niedergerissen, die zu Braunau gewaltsam gesperrt, und die unruhigsten Köpfe unter den Bürgern ins Gefängniß geworfen. Eine allgemeine Bewegung unter den Protestanten war die Folge dieses Schrittes; man schrie über Verletzung des Majestätsbriefs, und der Graf von Thurn, von Rachbegier beseelt, und durch sein Defensoramt noch mehr aufgefordert, zeigte sich besonders geschäftig, die Gemüther zu erhizen. Aus allen Kreisen des Königreichs wurden auf seinen Antrieb Deputierte nach Prag gerufen, um, dieser gemeinschaftlichen Gefahr wegen, die nöthigen Maßregeln zu nehmen. Man kam überein, eine Supplik an den Kaiser aufzusezen, und auf Loslassung der Gefangenen zu dringen. Die Antwort des Kaisers, schon darum von den Ständen sehr übel aufgenommen, weil sie nicht an sie selbst, sondern an seine Statthalter gerichtet war, verwies ihnen ihr Betragen als gesezwidrig und rebellisch, rechtfertigte den Vorgang in Klostergrab und Braunau durch einen kaiserlichen Befehl, und enthielt einige Stellen, welche drohend gedeutet werden konnten. Der Graf von Thurn unterließ nicht, den schlimmen Eindruck zu vermehren, den dieses kaiserliche Schreiben unter den versammelten Ständen machte. Er zeigte ihnen die Gefahr, worin alle Theilnehmer an dieser Bittschrift schwebten, und wußte sie durch Erbitterung und Furcht zu gewaltsamen Entschliessungen hinzureissen. Sie unmittelbar gegen den Kaiser zu empören, wäre jezt noch ein zu gewagter Schritt gewesen. Nur von Stufe zu Stufe führte er sie an dieses unvermeidliche Ziel. Er fand daher für gut, ihren Unwillen zuerst auf die Räthe des Kaisers abzuleiten, und verbreitete zu dem Ende die Meinung, daß das kaiserliche Schreiben in der Statthalterey zu Prag aufgesezt, und nur zu Wien unterschrieben </p> </div> </body> </text> </TEI> [75/0083]
Unterdessen hatte sich die Wachsamkeit der Defensoren in etwas gemindert, und der Hof glaubte, einen ernstlichen Schritt wagen zu können. Auf Befehl des Kaisers wurde die Kirche zu Klostergrab niedergerissen, die zu Braunau gewaltsam gesperrt, und die unruhigsten Köpfe unter den Bürgern ins Gefängniß geworfen. Eine allgemeine Bewegung unter den Protestanten war die Folge dieses Schrittes; man schrie über Verletzung des Majestätsbriefs, und der Graf von Thurn, von Rachbegier beseelt, und durch sein Defensoramt noch mehr aufgefordert, zeigte sich besonders geschäftig, die Gemüther zu erhizen. Aus allen Kreisen des Königreichs wurden auf seinen Antrieb Deputierte nach Prag gerufen, um, dieser gemeinschaftlichen Gefahr wegen, die nöthigen Maßregeln zu nehmen. Man kam überein, eine Supplik an den Kaiser aufzusezen, und auf Loslassung der Gefangenen zu dringen. Die Antwort des Kaisers, schon darum von den Ständen sehr übel aufgenommen, weil sie nicht an sie selbst, sondern an seine Statthalter gerichtet war, verwies ihnen ihr Betragen als gesezwidrig und rebellisch, rechtfertigte den Vorgang in Klostergrab und Braunau durch einen kaiserlichen Befehl, und enthielt einige Stellen, welche drohend gedeutet werden konnten. Der Graf von Thurn unterließ nicht, den schlimmen Eindruck zu vermehren, den dieses kaiserliche Schreiben unter den versammelten Ständen machte. Er zeigte ihnen die Gefahr, worin alle Theilnehmer an dieser Bittschrift schwebten, und wußte sie durch Erbitterung und Furcht zu gewaltsamen Entschliessungen hinzureissen. Sie unmittelbar gegen den Kaiser zu empören, wäre jezt noch ein zu gewagter Schritt gewesen. Nur von Stufe zu Stufe führte er sie an dieses unvermeidliche Ziel. Er fand daher für gut, ihren Unwillen zuerst auf die Räthe des Kaisers abzuleiten, und verbreitete zu dem Ende die Meinung, daß das kaiserliche Schreiben in der Statthalterey zu Prag aufgesezt, und nur zu Wien unterschrieben
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