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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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kein Landstand wollte huldigen. Ungarn bedrohte der Fürst Bethlen Gabor von Siebenbürgen mit einem Ueberfall; eine geheimnißvolle Rüstung der Türken erschreckte alle östlich gelegenen Provinzen; damit das Bedrängniß vollkommen würde, so mußten auch, von dem allgemeinen Beyspiel geweckt, die Protestanten in seinen väterlichen Erbstaaten ihr Haupt erheben. In diesen Ländern war die Zahl der Protestanten überwiegend, in den meisten hatten sie die Einkünfte im Besiz, mit denen Ferdinand seinen Krieg führen sollte. Die Neutralen fingen an zu wanken, die Getreuen zu verzagen, nur die Schlimmgesinnten hatten Muth; die eine Hälfte von Deutschland winkte den Rebellen Ermunterung, die andere erwartete müßig den Ausschlag; Spanische Hülfe stand noch in fernen Landen. Der Augenblick, der ihm alles brachte, drohte ihm alles zu entreissen; am Ziele seiner Hoffnungen, an der Schwelle der Größe und des Glücks, erwartete ihn der rächende Genius der beleidigten Freyheit.

Was er auch jezt, von dem harten Gesez der Noth unterjocht, den Böhmischen Rebellen anbiethet - alle seine Vorschläge zum Frieden werden mit Uebermuth verschmäht. An der Spize eines Heeres zeigt sich der Graf von Thurn schon in Mähren, diese einzige noch wankende Provinz zur Entscheidung zu bringen. Die Erscheinung der Freunde giebt den Mährischen Protestanten das Signal der Empörung. Brünn wird erobert; das übrige Land folgt freywillig nach; in der ganzen Provinz ändert man Religion und Regierung. Wachsend in seinem Laufe, stürzt der Rebellenstrom in Oberösterreich, wo eine gleichgesinnte Parthey ihn mit freudigem Beyfall empfängt. "Kein Unterschied der Religion soll mehr seyn, gleiche Rechte für alle christlichen Kirchen. - Man habe gehört, daß fremdes Volk in dem Lande geworben werde, die Böhmen zu unterdrücken. Dieses suche man auf, und bis nach

kein Landstand wollte huldigen. Ungarn bedrohte der Fürst Bethlen Gabor von Siebenbürgen mit einem Ueberfall; eine geheimnißvolle Rüstung der Türken erschreckte alle östlich gelegenen Provinzen; damit das Bedrängniß vollkommen würde, so mußten auch, von dem allgemeinen Beyspiel geweckt, die Protestanten in seinen väterlichen Erbstaaten ihr Haupt erheben. In diesen Ländern war die Zahl der Protestanten überwiegend, in den meisten hatten sie die Einkünfte im Besiz, mit denen Ferdinand seinen Krieg führen sollte. Die Neutralen fingen an zu wanken, die Getreuen zu verzagen, nur die Schlimmgesinnten hatten Muth; die eine Hälfte von Deutschland winkte den Rebellen Ermunterung, die andere erwartete müßig den Ausschlag; Spanische Hülfe stand noch in fernen Landen. Der Augenblick, der ihm alles brachte, drohte ihm alles zu entreissen; am Ziele seiner Hoffnungen, an der Schwelle der Größe und des Glücks, erwartete ihn der rächende Genius der beleidigten Freyheit.

Was er auch jezt, von dem harten Gesez der Noth unterjocht, den Böhmischen Rebellen anbiethet – alle seine Vorschläge zum Frieden werden mit Uebermuth verschmäht. An der Spize eines Heeres zeigt sich der Graf von Thurn schon in Mähren, diese einzige noch wankende Provinz zur Entscheidung zu bringen. Die Erscheinung der Freunde giebt den Mährischen Protestanten das Signal der Empörung. Brünn wird erobert; das übrige Land folgt freywillig nach; in der ganzen Provinz ändert man Religion und Regierung. Wachsend in seinem Laufe, stürzt der Rebellenstrom in Oberösterreich, wo eine gleichgesinnte Parthey ihn mit freudigem Beyfall empfängt. „Kein Unterschied der Religion soll mehr seyn, gleiche Rechte für alle christlichen Kirchen. – Man habe gehört, daß fremdes Volk in dem Lande geworben werde, die Böhmen zu unterdrücken. Dieses suche man auf, und bis nach

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[87/0095] kein Landstand wollte huldigen. Ungarn bedrohte der Fürst Bethlen Gabor von Siebenbürgen mit einem Ueberfall; eine geheimnißvolle Rüstung der Türken erschreckte alle östlich gelegenen Provinzen; damit das Bedrängniß vollkommen würde, so mußten auch, von dem allgemeinen Beyspiel geweckt, die Protestanten in seinen väterlichen Erbstaaten ihr Haupt erheben. In diesen Ländern war die Zahl der Protestanten überwiegend, in den meisten hatten sie die Einkünfte im Besiz, mit denen Ferdinand seinen Krieg führen sollte. Die Neutralen fingen an zu wanken, die Getreuen zu verzagen, nur die Schlimmgesinnten hatten Muth; die eine Hälfte von Deutschland winkte den Rebellen Ermunterung, die andere erwartete müßig den Ausschlag; Spanische Hülfe stand noch in fernen Landen. Der Augenblick, der ihm alles brachte, drohte ihm alles zu entreissen; am Ziele seiner Hoffnungen, an der Schwelle der Größe und des Glücks, erwartete ihn der rächende Genius der beleidigten Freyheit. Was er auch jezt, von dem harten Gesez der Noth unterjocht, den Böhmischen Rebellen anbiethet – alle seine Vorschläge zum Frieden werden mit Uebermuth verschmäht. An der Spize eines Heeres zeigt sich der Graf von Thurn schon in Mähren, diese einzige noch wankende Provinz zur Entscheidung zu bringen. Die Erscheinung der Freunde giebt den Mährischen Protestanten das Signal der Empörung. Brünn wird erobert; das übrige Land folgt freywillig nach; in der ganzen Provinz ändert man Religion und Regierung. Wachsend in seinem Laufe, stürzt der Rebellenstrom in Oberösterreich, wo eine gleichgesinnte Parthey ihn mit freudigem Beyfall empfängt. „Kein Unterschied der Religion soll mehr seyn, gleiche Rechte für alle christlichen Kirchen. – Man habe gehört, daß fremdes Volk in dem Lande geworben werde, die Böhmen zu unterdrücken. Dieses suche man auf, und bis nach

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/95>, abgerufen am 06.05.2024.