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Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.

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ein Schauspiel.
Nein, das sagte er nicht. Aber wie ihn das Frä#-
lein in der Gallerie herumführte, ich puzte eben
den Staub von den Rahmen der Gemälde ab,
stand er bey dem Portrait des seeligen Herrn
plözlich still, wie vom Donner gerührt. Das gnä-
dige Fräulein deutete drauf hin, und sagte: ein
vortreflicher Mann! ja ein vortreflicher Mann gab er
zur Antwort, indem er sich die Augen wischte.
Franz. Höre Daniel! Du weist, ich bin im-
mer ein gütiger Herr gegen dich gewesen, ich hab
dir Nahrung und Kleider gegeben, und dein schwa-
ches Alter in allen Geschäften geschonet --
Daniel. Dafür lohn euch der liebe Herr Gott!
und ich hab euch immer redlich gedienet.
Franz. Das wollt ich eben sagen. Du hast
mir in deinem Leben noch keine Wiederrede gege-
ben, denn du weist gar z# wohl, daß du mir Ge-
horsam schuldig bist in allem, was ich dich heisse.
Daniel. Jn allem von ganzem Herzen, wenn
es nicht wider Gott und mein Gewissen geht.
Franz. Possen, Possen! Schämst du dich nicht?
Ein alter Mann, und an das Weynacht-
Märgen zu glauben! Geh Daniel! das war ein
dummer Gedanke. Jch bin ja Herr. Mich wer-
den Gott und Gewissen strafen, wenn es ja einen
Gott und ein Gewissen gibt.
Daniel schlägt die Hände zusammen. Barmherziger
Himmel!
Franz
ein Schauſpiel.
Nein, das ſagte er nicht. Aber wie ihn das Fraͤ#-
lein in der Gallerie herumfuͤhrte, ich puzte eben
den Staub von den Rahmen der Gemaͤlde ab,
ſtand er bey dem Portrait des ſeeligen Herrn
ploͤzlich ſtill, wie vom Donner geruͤhrt. Das gnaͤ-
dige Fraͤulein deutete drauf hin, und ſagte: ein
vortreflicher Mann! ja ein vortreflicher Mann gab er
zur Antwort, indem er ſich die Augen wiſchte.
Franz. Hoͤre Daniel! Du weiſt, ich bin im-
mer ein guͤtiger Herr gegen dich geweſen, ich hab
dir Nahrung und Kleider gegeben, und dein ſchwa-
ches Alter in allen Geſchaͤften geſchonet —
Daniel. Dafuͤr lohn euch der liebe Herr Gott!
und ich hab euch immer redlich gedienet.
Franz. Das wollt ich eben ſagen. Du haſt
mir in deinem Leben noch keine Wiederrede gege-
ben, denn du weiſt gar z# wohl, daß du mir Ge-
horſam ſchuldig biſt in allem, was ich dich heiſſe.
Daniel. Jn allem von ganzem Herzen, wenn
es nicht wider Gott und mein Gewiſſen geht.
Franz. Poſſen, Poſſen! Schaͤmſt du dich nicht?
Ein alter Mann, und an das Weynacht-
Maͤrgen zu glauben! Geh Daniel! das war ein
dummer Gedanke. Jch bin ja Herr. Mich wer-
den Gott und Gewiſſen ſtrafen, wenn es ja einen
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Himmel!
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[143/0165] ein Schauſpiel. Nein, das ſagte er nicht. Aber wie ihn das Fraͤ#- lein in der Gallerie herumfuͤhrte, ich puzte eben den Staub von den Rahmen der Gemaͤlde ab, ſtand er bey dem Portrait des ſeeligen Herrn ploͤzlich ſtill, wie vom Donner geruͤhrt. Das gnaͤ- dige Fraͤulein deutete drauf hin, und ſagte: ein vortreflicher Mann! ja ein vortreflicher Mann gab er zur Antwort, indem er ſich die Augen wiſchte. Franz. Hoͤre Daniel! Du weiſt, ich bin im- mer ein guͤtiger Herr gegen dich geweſen, ich hab dir Nahrung und Kleider gegeben, und dein ſchwa- ches Alter in allen Geſchaͤften geſchonet — Daniel. Dafuͤr lohn euch der liebe Herr Gott! und ich hab euch immer redlich gedienet. Franz. Das wollt ich eben ſagen. Du haſt mir in deinem Leben noch keine Wiederrede gege- ben, denn du weiſt gar z# wohl, daß du mir Ge- horſam ſchuldig biſt in allem, was ich dich heiſſe. Daniel. Jn allem von ganzem Herzen, wenn es nicht wider Gott und mein Gewiſſen geht. Franz. Poſſen, Poſſen! Schaͤmſt du dich nicht? Ein alter Mann, und an das Weynacht- Maͤrgen zu glauben! Geh Daniel! das war ein dummer Gedanke. Jch bin ja Herr. Mich wer- den Gott und Gewiſſen ſtrafen, wenn es ja einen Gott und ein Gewiſſen gibt. Daniel ſchlaͤgt die Haͤnde zuſammen. Barmherziger Himmel! Franz

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/165>, abgerufen am 24.11.2024.