Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Räuber,
Franz verwirrt. Wenn mich im Tode ein Schauer
anwandelt?
Moor. Jch habe wol mehr solche Elende ge-
sehn, die bis hieher der Wahrheit Riesentroz bo-
ten, aber im Tode selbst flattert die Täuschung da-
hin. Jch will an eurem Bette stehn, wenn ihr
sterbet -- ich möchte so gar gern einen Tyrannen
sehen dahinfahren -- ich will dabeystehn, und euch
starr ins Auge fassen, wenn der Arzt eure kalte
nasse Hand ergreift, und den verloren schleichenden
Puls kaum mehr finden kann, und aufschaut,
und mit jenem schröcklichen Achselzucken zu euch
spricht: menschliche Hülfe ist umsonst! Hütet euch
dann, o hütet euch ja, daß ihr da nicht ausseht
wie Richard und Nero!
Franz. Nein, nein!
Moser. Auch dieses Nein wird dann zu einem
heulenden Ja -- ein innerer Tribunal, den ihr
nimmermehr durch sekptische Grübeleyen beste#hen
könnt, wird izo erwachen, und Gericht über euch
halten. Aber es wird ein Erwachen seyn, wie des
lebendig begrabenen im Bauche des Kirchhofs, es
wird ein Unwille seyn wie des Selbstmörders, wenn
er den tödtlichen Streich schon gethan hat und be-
reut, es wird ein Bliz seyn, der die Mitter-Nacht
eures Lebens zumal überflammt, es wird Ein
Blick seyn, und wenn ihr da noch feste steht, so
sollt ihr gewonnen haben!
Franz.
Die Raͤuber,
Franz verwirrt. Wenn mich im Tode ein Schauer
anwandelt?
Moor. Jch habe wol mehr ſolche Elende ge-
ſehn, die bis hieher der Wahrheit Rieſentroz bo-
ten, aber im Tode ſelbſt flattert die Taͤuſchung da-
hin. Jch will an eurem Bette ſtehn, wenn ihr
ſterbet — ich moͤchte ſo gar gern einen Tyrannen
ſehen dahinfahren — ich will dabeyſtehn, und euch
ſtarr ins Auge faſſen, wenn der Arzt eure kalte
naſſe Hand ergreift, und den verloren ſchleichenden
Puls kaum mehr finden kann, und aufſchaut,
und mit jenem ſchroͤcklichen Achſelzucken zu euch
ſpricht: menſchliche Huͤlfe iſt umſonſt! Huͤtet euch
dann, o huͤtet euch ja, daß ihr da nicht auſſeht
wie Richard und Nero!
Franz. Nein, nein!
Moſer. Auch dieſes Nein wird dann zu einem
heulenden Ja — ein innerer Tribunal, den ihr
nimmermehr durch ſekptiſche Gruͤbeleyen beſte#hen
koͤnnt, wird izo erwachen, und Gericht uͤber euch
halten. Aber es wird ein Erwachen ſeyn, wie des
lebendig begrabenen im Bauche des Kirchhofs, es
wird ein Unwille ſeyn wie des Selbſtmoͤrders, wenn
er den toͤdtlichen Streich ſchon gethan hat und be-
reut, es wird ein Bliz ſeyn, der die Mitter-Nacht
eures Lebens zumal uͤberflammt, es wird Ein
Blick ſeyn, und wenn ihr da noch feſte ſteht, ſo
ſollt ihr gewonnen haben!
Franz.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0216" n="194"/>
          <fw place="top" type="header">Die Ra&#x0364;uber,</fw><lb/>
          <sp who="#FRA">
            <speaker> <hi rendition="#b">Franz</hi> </speaker>
            <stage>verwirrt.</stage>
            <p>Wenn mich im Tode ein Schauer<lb/>
anwandelt?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MOOR">
            <speaker> <hi rendition="#b">Moor.</hi> </speaker>
            <p>Jch habe wol mehr &#x017F;olche Elende ge-<lb/>
&#x017F;ehn, die bis hieher der Wahrheit Rie&#x017F;entroz bo-<lb/>
ten, aber im Tode &#x017F;elb&#x017F;t flattert die Ta&#x0364;u&#x017F;chung da-<lb/>
hin. Jch will an eurem Bette &#x017F;tehn, wenn ihr<lb/>
&#x017F;terbet &#x2014; ich mo&#x0364;chte &#x017F;o gar gern einen Tyrannen<lb/>
&#x017F;ehen dahinfahren &#x2014; ich will dabey&#x017F;tehn, und euch<lb/>
&#x017F;tarr ins Auge fa&#x017F;&#x017F;en, wenn der Arzt eure kalte<lb/>
na&#x017F;&#x017F;e Hand ergreift, und den verloren &#x017F;chleichenden<lb/>
Puls kaum mehr finden kann, und auf&#x017F;chaut,<lb/>
und mit jenem &#x017F;chro&#x0364;cklichen Ach&#x017F;elzucken zu euch<lb/>
&#x017F;pricht: men&#x017F;chliche Hu&#x0364;lfe i&#x017F;t um&#x017F;on&#x017F;t! Hu&#x0364;tet euch<lb/>
dann, o hu&#x0364;tet euch ja, daß ihr da nicht au&#x017F;&#x017F;eht<lb/>
wie Richard und Nero!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#FRA">
            <speaker> <hi rendition="#b">Franz.</hi> </speaker>
            <p>Nein, nein!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MOS">
            <speaker> <hi rendition="#b">Mo&#x017F;er.</hi> </speaker>
            <p>Auch die&#x017F;es Nein wird dann zu einem<lb/>
heulenden Ja &#x2014; ein innerer Tribunal, den ihr<lb/>
nimmermehr durch &#x017F;ekpti&#x017F;che Gru&#x0364;beleyen be&#x017F;te#hen<lb/>
ko&#x0364;nnt, wird izo erwachen, und Gericht u&#x0364;ber euch<lb/>
halten. Aber es wird ein Erwachen &#x017F;eyn, wie des<lb/>
lebendig begrabenen im Bauche des Kirchhofs, es<lb/>
wird ein Unwille &#x017F;eyn wie des Selb&#x017F;tmo&#x0364;rders, wenn<lb/>
er den to&#x0364;dtlichen Streich &#x017F;chon gethan hat und be-<lb/>
reut, es wird ein Bliz &#x017F;eyn, der die Mitter-Nacht<lb/>
eures Lebens zumal u&#x0364;berflammt, es wird <hi rendition="#fr">Ein</hi><lb/>
Blick &#x017F;eyn, und wenn ihr da noch fe&#x017F;te &#x017F;teht, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ollt ihr gewonnen haben!</p>
          </sp><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Franz.</hi> </hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0216] Die Raͤuber, Franz verwirrt. Wenn mich im Tode ein Schauer anwandelt? Moor. Jch habe wol mehr ſolche Elende ge- ſehn, die bis hieher der Wahrheit Rieſentroz bo- ten, aber im Tode ſelbſt flattert die Taͤuſchung da- hin. Jch will an eurem Bette ſtehn, wenn ihr ſterbet — ich moͤchte ſo gar gern einen Tyrannen ſehen dahinfahren — ich will dabeyſtehn, und euch ſtarr ins Auge faſſen, wenn der Arzt eure kalte naſſe Hand ergreift, und den verloren ſchleichenden Puls kaum mehr finden kann, und aufſchaut, und mit jenem ſchroͤcklichen Achſelzucken zu euch ſpricht: menſchliche Huͤlfe iſt umſonſt! Huͤtet euch dann, o huͤtet euch ja, daß ihr da nicht auſſeht wie Richard und Nero! Franz. Nein, nein! Moſer. Auch dieſes Nein wird dann zu einem heulenden Ja — ein innerer Tribunal, den ihr nimmermehr durch ſekptiſche Gruͤbeleyen beſte#hen koͤnnt, wird izo erwachen, und Gericht uͤber euch halten. Aber es wird ein Erwachen ſeyn, wie des lebendig begrabenen im Bauche des Kirchhofs, es wird ein Unwille ſeyn wie des Selbſtmoͤrders, wenn er den toͤdtlichen Streich ſchon gethan hat und be- reut, es wird ein Bliz ſeyn, der die Mitter-Nacht eures Lebens zumal uͤberflammt, es wird Ein Blick ſeyn, und wenn ihr da noch feſte ſteht, ſo ſollt ihr gewonnen haben! Franz.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/216
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/216>, abgerufen am 21.11.2024.