Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Räuber,
meinem Sohne schreibt er? -- wie kommst du zu
dieser Besorgniß? Du hast mich zweymal gefragt.
Franz. Wenn ihr krank seyd -- nur die leise-
ste Ahndung habt es zu werden, so laßt mich --
ich will zu gelegnerer Zeit zu euch reden, halb vor
sich.
Diese Zeitung ist nicht für einen zerbrechlichen
Körper.
D. a. Moor. Gott! Gott! was werd ich hö-
ren?
Franz. Laßt mich vorerst auf die Seite gehn,
und eine Träne des Mitleids vergießen um meinen
verlornen Bruder -- ich sollte schweigen auf ewig
-- denn er ist euer Sohn: Jch sollte seine Schan-
de verhüllen auf ewig -- denn er ist mein Bruder.
-- Aber euch gehorchen ist meine erste traurige
Pflicht -- darum vergebt mir.
D. a. Moor. O Karl! Karl! wüßtest du wie
deine Aufführung das Vaterherz foltert! Wie eine
einzige frohe Nachricht von dir meinem Leben ze-
hen Jahre zusetzen würde -- mich zum Jüngling
machen würde -- da mich nun jede, ach! -- ei-
nen Schritt näher ans Grab rückt!
Franz. Jst es das, alter Mann so lebt wol --
wir alle würden noch heute die Haare ausraufen
über eurem Sarge.
D. a. Moor. Bleib! -- Es ist noch um den
kleinen kurzen Schritt zu thun -- laß ihm seinen
Willen, indem er sich niedersetzt. Die Sünden seiner
Väter
Die Raͤuber,
meinem Sohne ſchreibt er? — wie kommſt du zu
dieſer Beſorgniß? Du haſt mich zweymal gefragt.
Franz. Wenn ihr krank ſeyd — nur die leiſe-
ſte Ahndung habt es zu werden, ſo laßt mich —
ich will zu gelegnerer Zeit zu euch reden, halb vor
ſich.
Dieſe Zeitung iſt nicht fuͤr einen zerbrechlichen
Koͤrper.
D. a. Moor. Gott! Gott! was werd ich hoͤ-
ren?
Franz. Laßt mich vorerſt auf die Seite gehn,
und eine Traͤne des Mitleids vergießen um meinen
verlornen Bruder — ich ſollte ſchweigen auf ewig
— denn er iſt euer Sohn: Jch ſollte ſeine Schan-
de verhuͤllen auf ewig — denn er iſt mein Bruder.
— Aber euch gehorchen iſt meine erſte traurige
Pflicht — darum vergebt mir.
D. a. Moor. O Karl! Karl! wuͤßteſt du wie
deine Auffuͤhrung das Vaterherz foltert! Wie eine
einzige frohe Nachricht von dir meinem Leben ze-
hen Jahre zuſetzen wuͤrde — mich zum Juͤngling
machen wuͤrde — da mich nun jede, ach! — ei-
nen Schritt naͤher ans Grab ruͤckt!
Franz. Jſt es das, alter Mann ſo lebt wol —
wir alle wuͤrden noch heute die Haare ausraufen
uͤber eurem Sarge.
D. a. Moor. Bleib! — Es iſt noch um den
kleinen kurzen Schritt zu thun — laß ihm ſeinen
Willen, indem er ſich niederſetzt. Die Suͤnden ſeiner
Vaͤter
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#MOOR">
            <p><pb facs="#f0024" n="2"/><fw place="top" type="header">Die Ra&#x0364;uber,</fw><lb/>
meinem Sohne &#x017F;chreibt er? &#x2014; wie komm&#x017F;t du zu<lb/>
die&#x017F;er Be&#x017F;orgniß? Du ha&#x017F;t mich zweymal gefragt.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#FRA">
            <speaker> <hi rendition="#b">Franz.</hi> </speaker>
            <p>Wenn ihr krank &#x017F;eyd &#x2014; nur die lei&#x017F;e-<lb/>
&#x017F;te Ahndung habt es zu werden, &#x017F;o laßt mich &#x2014;<lb/>
ich will zu gelegnerer Zeit zu euch reden, <stage>halb vor<lb/>
&#x017F;ich.</stage> Die&#x017F;e Zeitung i&#x017F;t nicht fu&#x0364;r einen zerbrechlichen<lb/>
Ko&#x0364;rper.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MOOR">
            <speaker> <hi rendition="#b">D. a. Moor.</hi> </speaker>
            <p>Gott! Gott! was werd ich ho&#x0364;-<lb/>
ren?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#FRA">
            <speaker> <hi rendition="#b">Franz.</hi> </speaker>
            <p>Laßt mich vorer&#x017F;t auf die Seite gehn,<lb/>
und eine Tra&#x0364;ne des Mitleids vergießen um meinen<lb/>
verlornen Bruder &#x2014; ich &#x017F;ollte &#x017F;chweigen auf ewig<lb/>
&#x2014; denn er i&#x017F;t euer Sohn: Jch &#x017F;ollte &#x017F;eine Schan-<lb/>
de verhu&#x0364;llen auf ewig &#x2014; denn er i&#x017F;t mein Bruder.<lb/>
&#x2014; Aber euch gehorchen i&#x017F;t meine er&#x017F;te traurige<lb/>
Pflicht &#x2014; darum vergebt mir.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MOOR">
            <speaker> <hi rendition="#b">D. a. Moor.</hi> </speaker>
            <p>O Karl! Karl! wu&#x0364;ßte&#x017F;t du wie<lb/>
deine Auffu&#x0364;hrung das Vaterherz foltert! Wie eine<lb/>
einzige frohe Nachricht von dir meinem Leben ze-<lb/>
hen Jahre zu&#x017F;etzen wu&#x0364;rde &#x2014; mich zum Ju&#x0364;ngling<lb/>
machen wu&#x0364;rde &#x2014; da mich nun jede, ach! &#x2014; ei-<lb/>
nen Schritt na&#x0364;her ans Grab ru&#x0364;ckt!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#FRA">
            <speaker> <hi rendition="#b">Franz.</hi> </speaker>
            <p>J&#x017F;t es das, alter Mann &#x017F;o lebt wol &#x2014;<lb/>
wir alle wu&#x0364;rden noch heute die Haare ausraufen<lb/>
u&#x0364;ber eurem Sarge.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MOOR">
            <speaker> <hi rendition="#b">D. a. Moor.</hi> </speaker>
            <p>Bleib! &#x2014; Es i&#x017F;t noch um den<lb/>
kleinen kurzen Schritt zu thun &#x2014; laß ihm &#x017F;einen<lb/>
Willen, <stage>indem er &#x017F;ich nieder&#x017F;etzt.</stage> Die Su&#x0364;nden &#x017F;einer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Va&#x0364;ter</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0024] Die Raͤuber, meinem Sohne ſchreibt er? — wie kommſt du zu dieſer Beſorgniß? Du haſt mich zweymal gefragt. Franz. Wenn ihr krank ſeyd — nur die leiſe- ſte Ahndung habt es zu werden, ſo laßt mich — ich will zu gelegnerer Zeit zu euch reden, halb vor ſich. Dieſe Zeitung iſt nicht fuͤr einen zerbrechlichen Koͤrper. D. a. Moor. Gott! Gott! was werd ich hoͤ- ren? Franz. Laßt mich vorerſt auf die Seite gehn, und eine Traͤne des Mitleids vergießen um meinen verlornen Bruder — ich ſollte ſchweigen auf ewig — denn er iſt euer Sohn: Jch ſollte ſeine Schan- de verhuͤllen auf ewig — denn er iſt mein Bruder. — Aber euch gehorchen iſt meine erſte traurige Pflicht — darum vergebt mir. D. a. Moor. O Karl! Karl! wuͤßteſt du wie deine Auffuͤhrung das Vaterherz foltert! Wie eine einzige frohe Nachricht von dir meinem Leben ze- hen Jahre zuſetzen wuͤrde — mich zum Juͤngling machen wuͤrde — da mich nun jede, ach! — ei- nen Schritt naͤher ans Grab ruͤckt! Franz. Jſt es das, alter Mann ſo lebt wol — wir alle wuͤrden noch heute die Haare ausraufen uͤber eurem Sarge. D. a. Moor. Bleib! — Es iſt noch um den kleinen kurzen Schritt zu thun — laß ihm ſeinen Willen, indem er ſich niederſetzt. Die Suͤnden ſeiner Vaͤter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/24
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/24>, abgerufen am 21.11.2024.