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Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.

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Die Räuber,
hätte? Wann gerade mir die Lappländers Nase?
Gerade mir dieses Mohrenmaul? Diese Hottentot-
ten Augen? Wirklich ich glaube sie hat von allen
Menschensorten das Scheußliche auf einen Hauffen
geworffen, und mich daraus gebacken. Mord und
Tod! Wer hat ihr die Vollmacht gegeben jenem
dieses zu verleyhen, und mir vorzuenthalten? Könnte
ihr jemand darum hofiren, eh er entstund? Oder
sie beleidigen, eh er selbst wurde? Warum gieng
sie so parteylich zu Werke?

Nein! Nein! Jch thu ihr Unrecht. Gab
sie uns doch Erfindungs-Geist mit, setzte uns
nackt and armselig ans Ufer dieses grossen Ozeans
Welt -- Schwimme, wer schwimmen kann, und
wer zu plump ist geh unter! Sie gab mir nichts
mit; wozu ich mich machen will, das ist nun mei-
ne Sache. Jeder hat gleiches Recht zum Grösten
und Kleinsten, Anspruch wird an Anspruch, Trieb an
Trieb, und Krafft an Krafft zernichtet. Das Recht
wohnet beym Ueberwältiger, und die Schranken
unserer Krafft sind unsere Geseze.

Wohl gibt es gewiße gemeinschafftliche Pakta,
die man geschloßen hat, die Pulse des Weltzirkels
zu treiben. Ehrlicher Nahme! -- Wahrhaftig ei-
ne reichhaltige Münze mit der sich meisterlich scha-
chern läßt, wers versteht, sie gut auszugeben. Ge-
wissen, -- o ja freilich! ein tüchtiger Lumpenmann,
Sperlinge von Kirschbäumen wegzuschröken! --
auch
Die Raͤuber,
haͤtte? Wann gerade mir die Lapplaͤnders Naſe?
Gerade mir dieſes Mohrenmaul? Dieſe Hottentot-
ten Augen? Wirklich ich glaube ſie hat von allen
Menſchenſorten das Scheußliche auf einen Hauffen
geworffen, und mich daraus gebacken. Mord und
Tod! Wer hat ihr die Vollmacht gegeben jenem
dieſes zu verleyhen, und mir vorzuenthalten? Koͤnnte
ihr jemand darum hofiren, eh er entſtund? Oder
ſie beleidigen, eh er ſelbſt wurde? Warum gieng
ſie ſo parteylich zu Werke?

Nein! Nein! Jch thu ihr Unrecht. Gab
ſie uns doch Erfindungs-Geiſt mit, ſetzte uns
nackt and armſelig ans Ufer dieſes groſſen Ozeans
Welt — Schwimme, wer ſchwimmen kann, und
wer zu plump iſt geh unter! Sie gab mir nichts
mit; wozu ich mich machen will, das iſt nun mei-
ne Sache. Jeder hat gleiches Recht zum Groͤſten
und Kleinſten, Anſpruch wird an Anſpruch, Trieb an
Trieb, und Krafft an Krafft zernichtet. Das Recht
wohnet beym Ueberwaͤltiger, und die Schranken
unſerer Krafft ſind unſere Geſeze.

Wohl gibt es gewiße gemeinſchafftliche Pakta,
die man geſchloßen hat, die Pulſe des Weltzirkels
zu treiben. Ehrlicher Nahme! — Wahrhaftig ei-
ne reichhaltige Muͤnze mit der ſich meiſterlich ſcha-
chern laͤßt, wers verſteht, ſie gut auszugeben. Ge-
wiſſen, — o ja freilich! ein tuͤchtiger Lumpenmann,
Sperlinge von Kirſchbaͤumen wegzuſchroͤken! —
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[14/0036] Die Raͤuber, haͤtte? Wann gerade mir die Lapplaͤnders Naſe? Gerade mir dieſes Mohrenmaul? Dieſe Hottentot- ten Augen? Wirklich ich glaube ſie hat von allen Menſchenſorten das Scheußliche auf einen Hauffen geworffen, und mich daraus gebacken. Mord und Tod! Wer hat ihr die Vollmacht gegeben jenem dieſes zu verleyhen, und mir vorzuenthalten? Koͤnnte ihr jemand darum hofiren, eh er entſtund? Oder ſie beleidigen, eh er ſelbſt wurde? Warum gieng ſie ſo parteylich zu Werke? Nein! Nein! Jch thu ihr Unrecht. Gab ſie uns doch Erfindungs-Geiſt mit, ſetzte uns nackt and armſelig ans Ufer dieſes groſſen Ozeans Welt — Schwimme, wer ſchwimmen kann, und wer zu plump iſt geh unter! Sie gab mir nichts mit; wozu ich mich machen will, das iſt nun mei- ne Sache. Jeder hat gleiches Recht zum Groͤſten und Kleinſten, Anſpruch wird an Anſpruch, Trieb an Trieb, und Krafft an Krafft zernichtet. Das Recht wohnet beym Ueberwaͤltiger, und die Schranken unſerer Krafft ſind unſere Geſeze. Wohl gibt es gewiße gemeinſchafftliche Pakta, die man geſchloßen hat, die Pulſe des Weltzirkels zu treiben. Ehrlicher Nahme! — Wahrhaftig ei- ne reichhaltige Muͤnze mit der ſich meiſterlich ſcha- chern laͤßt, wers verſteht, ſie gut auszugeben. Ge- wiſſen, — o ja freilich! ein tuͤchtiger Lumpenmann, Sperlinge von Kirſchbaͤumen wegzuſchroͤken! — auch

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/36>, abgerufen am 03.12.2024.