Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.
Und unerschöpflich ihre Blutentwürfe. Bis diesen Tag zwar schützte mich die Allmacht, Doch ewig wankt die Kron' auf meinem Haupt, So lang sie lebt, die ihrem Schwärmereifer Den Vorwand leiht und ihre Hoffnung nährt. Mortimer. Sie lebt nicht mehr, sobald du es gebietest. Elisabeth. Ach Sir! Ich glaubte mich am Ziele schon Zu sehn, und bin nicht weiter als am Anfang. Ich wollte die Gesetze handeln lassen, Die eigne Hand vom Blute rein behalten. Das Urtheil ist gesprochen. Was gewinn' ich? Es muß vollzogen werden, Mortimer! Und ich muß die Vollziehung anbefehlen. Mich immer trifft der Haß der That. Ich muß Sie eingestehn, und kann den Schein nicht retten. Das ist das schlimmste! Mortimer. Was bekümmert dich Der böse Schein, bei der gerechten Sache? Elisabeth. Ihr kennt die Welt nicht, Ritter. Was man scheint, Hat jedermann zum Richter, was man ist, hat keinen.
Und unerſchoͤpflich ihre Blutentwuͤrfe. Bis dieſen Tag zwar ſchuͤtzte mich die Allmacht, Doch ewig wankt die Kron' auf meinem Haupt, So lang ſie lebt, die ihrem Schwaͤrmereifer Den Vorwand leiht und ihre Hoffnung naͤhrt. Mortimer. Sie lebt nicht mehr, ſobald du es gebieteſt. Eliſabeth. Ach Sir! Ich glaubte mich am Ziele ſchon Zu ſehn, und bin nicht weiter als am Anfang. Ich wollte die Geſetze handeln laſſen, Die eigne Hand vom Blute rein behalten. Das Urtheil iſt geſprochen. Was gewinn' ich? Es muß vollzogen werden, Mortimer! Und ich muß die Vollziehung anbefehlen. Mich immer trifft der Haß der That. Ich muß Sie eingeſtehn, und kann den Schein nicht retten. Das iſt das ſchlimmſte! Mortimer. Was bekuͤmmert dich Der boͤſe Schein, bei der gerechten Sache? Eliſabeth. Ihr kennt die Welt nicht, Ritter. Was man ſcheint, Hat jedermann zum Richter, was man iſt, hat keinen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#ELI"> <p><pb facs="#f0094" n="88"/> Und unerſchoͤpflich ihre Blutentwuͤrfe.<lb/> Bis dieſen Tag zwar ſchuͤtzte mich die Allmacht,<lb/> Doch ewig wankt die Kron' auf meinem Haupt,<lb/> So lang <hi rendition="#g">ſie</hi> lebt, die ihrem Schwaͤrmereifer<lb/> Den Vorwand leiht und ihre Hoffnung naͤhrt.</p><lb/> </sp> <sp who="#MOR"> <speaker><hi rendition="#g">Mortimer</hi>.</speaker><lb/> <p>Sie lebt nicht mehr, ſobald du es gebieteſt.</p><lb/> </sp> <sp who="#ELI"> <speaker><hi rendition="#g">Eliſabeth</hi>.</speaker><lb/> <p>Ach Sir! Ich glaubte mich am Ziele ſchon<lb/> Zu ſehn, und bin nicht weiter als am Anfang.<lb/> Ich wollte die Geſetze handeln laſſen,<lb/> Die eigne Hand vom Blute rein behalten.<lb/> Das Urtheil iſt geſprochen. Was gewinn' ich?<lb/> Es muß <hi rendition="#g">vollzogen</hi> werden, Mortimer!<lb/> Und <hi rendition="#g">ich</hi> muß die Vollziehung anbefehlen.<lb/> Mich immer trifft der Haß der That. Ich muß<lb/> Sie eingeſtehn, und kann den Schein nicht retten.<lb/> Das iſt das ſchlimmſte!</p><lb/> </sp> <sp who="#MOR"> <speaker><hi rendition="#g">Mortimer</hi>.</speaker><lb/> <p>Was bekuͤmmert dich<lb/> Der boͤſe Schein, bei der gerechten Sache?</p><lb/> </sp> <sp who="#ELI"> <speaker><hi rendition="#g">Eliſabeth</hi>.</speaker><lb/> <p>Ihr kennt die Welt nicht, Ritter. Was man <hi rendition="#g">ſcheint</hi>,<lb/> Hat jedermann zum Richter, was man <hi rendition="#g">iſt</hi>, hat keinen.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0094]
Und unerſchoͤpflich ihre Blutentwuͤrfe.
Bis dieſen Tag zwar ſchuͤtzte mich die Allmacht,
Doch ewig wankt die Kron' auf meinem Haupt,
So lang ſie lebt, die ihrem Schwaͤrmereifer
Den Vorwand leiht und ihre Hoffnung naͤhrt.
Mortimer.
Sie lebt nicht mehr, ſobald du es gebieteſt.
Eliſabeth.
Ach Sir! Ich glaubte mich am Ziele ſchon
Zu ſehn, und bin nicht weiter als am Anfang.
Ich wollte die Geſetze handeln laſſen,
Die eigne Hand vom Blute rein behalten.
Das Urtheil iſt geſprochen. Was gewinn' ich?
Es muß vollzogen werden, Mortimer!
Und ich muß die Vollziehung anbefehlen.
Mich immer trifft der Haß der That. Ich muß
Sie eingeſtehn, und kann den Schein nicht retten.
Das iſt das ſchlimmſte!
Mortimer.
Was bekuͤmmert dich
Der boͤſe Schein, bei der gerechten Sache?
Eliſabeth.
Ihr kennt die Welt nicht, Ritter. Was man ſcheint,
Hat jedermann zum Richter, was man iſt, hat keinen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |