Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? (Antrittsvorlesung in Jena, 26. 5. 1789 ). Jena, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

förmigkeit und unveränderlichen Einheit der Naturge-
setze und des menschlichen Gemüths, welche Einheit
Ursache ist, daß die Ereigniße des entferntesten Alter-
thums, unter dem Zusammenfluß ähnlicher Umstände
von aussen, in den neuesten Zeitläuften wiederkehren;
daß also von den neuesten Erscheinungen, die im Kreis
unsrer Beobachtung liegen, auf diejenigen, welche sich
in geschichtlosen Zeiten verlieren, rückwärts ein Schluß
gezogen und einiges Licht verbreitet werden kann. Die
Methode, nach der Analogie zu schließen, ist, wie
überall so auch in der Geschichte ein mächtiges Hülfs-
mittel: aber sie muß durch einen erheblichen Zweck ge-
rechtfertigt, und mit eben soviel Vorsicht als Beur-
theilung in Ausübung gebracht werden.

Nicht lange kann sich der philosophische Geist bey
dem Stoffe der Weltgeschichte verweilen, so wird ein
neuer Trieb in ihm geschäftig werden, der nach Ueber-
einstimmung strebt -- der ihn unwiderstehlich reizt,
alles um sich herum seiner eigenen vernünftigen Natur
zu assimiliren, und jede ihm vorkommende Erscheinung
zu der höchsten Wirkung, die er erkannt, zum Gedan-
ken
zu erheben. Je öfter also und mit je glücklicherm
Erfolge er den Versuch erneuert, das Vergangene mit
dem Gegenwärtigen zu verknüpfen: desto mehr wird
er geneigt, was er als Ursache und Wirkung in ein-
ander greifen sieht, als Mittel und Absicht zu verbin-
den. Eine Erscheinung nach der andern fängt an, sich

dem

foͤrmigkeit und unveraͤnderlichen Einheit der Naturge-
ſetze und des menſchlichen Gemuͤths, welche Einheit
Urſache iſt, daß die Ereigniße des entfernteſten Alter-
thums, unter dem Zuſammenfluß aͤhnlicher Umſtaͤnde
von auſſen, in den neueſten Zeitlaͤuften wiederkehren;
daß alſo von den neueſten Erſcheinungen, die im Kreis
unſrer Beobachtung liegen, auf diejenigen, welche ſich
in geſchichtloſen Zeiten verlieren, ruͤckwaͤrts ein Schluß
gezogen und einiges Licht verbreitet werden kann. Die
Methode, nach der Analogie zu ſchließen, iſt, wie
uͤberall ſo auch in der Geſchichte ein maͤchtiges Huͤlfs-
mittel: aber ſie muß durch einen erheblichen Zweck ge-
rechtfertigt, und mit eben ſoviel Vorſicht als Beur-
theilung in Ausuͤbung gebracht werden.

Nicht lange kann ſich der philoſophiſche Geiſt bey
dem Stoffe der Weltgeſchichte verweilen, ſo wird ein
neuer Trieb in ihm geſchaͤftig werden, der nach Ueber-
einſtimmung ſtrebt — der ihn unwiderſtehlich reizt,
alles um ſich herum ſeiner eigenen vernuͤnftigen Natur
zu aſſimiliren, und jede ihm vorkommende Erſcheinung
zu der hoͤchſten Wirkung, die er erkannt, zum Gedan-
ken
zu erheben. Je oͤfter alſo und mit je gluͤcklicherm
Erfolge er den Verſuch erneuert, das Vergangene mit
dem Gegenwaͤrtigen zu verknuͤpfen: deſto mehr wird
er geneigt, was er als Urſache und Wirkung in ein-
ander greifen ſieht, als Mittel und Abſicht zu verbin-
den. Eine Erſcheinung nach der andern faͤngt an, ſich

dem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0029" n="27"/>
fo&#x0364;rmigkeit und unvera&#x0364;nderlichen Einheit der Naturge-<lb/>
&#x017F;etze und des men&#x017F;chlichen Gemu&#x0364;ths, welche Einheit<lb/>
Ur&#x017F;ache i&#x017F;t, daß die Ereigniße des entfernte&#x017F;ten Alter-<lb/>
thums, unter dem Zu&#x017F;ammenfluß a&#x0364;hnlicher Um&#x017F;ta&#x0364;nde<lb/>
von au&#x017F;&#x017F;en, in den neue&#x017F;ten Zeitla&#x0364;uften wiederkehren;<lb/>
daß al&#x017F;o von den neue&#x017F;ten Er&#x017F;cheinungen, die im Kreis<lb/>
un&#x017F;rer Beobachtung liegen, auf diejenigen, welche &#x017F;ich<lb/>
in ge&#x017F;chichtlo&#x017F;en Zeiten verlieren, ru&#x0364;ckwa&#x0364;rts ein Schluß<lb/>
gezogen und einiges Licht verbreitet werden kann. Die<lb/>
Methode, nach der Analogie zu &#x017F;chließen, i&#x017F;t, wie<lb/>
u&#x0364;berall &#x017F;o auch in der Ge&#x017F;chichte ein ma&#x0364;chtiges Hu&#x0364;lfs-<lb/>
mittel: aber &#x017F;ie muß durch einen erheblichen Zweck ge-<lb/>
rechtfertigt, und mit eben &#x017F;oviel Vor&#x017F;icht als Beur-<lb/>
theilung in Ausu&#x0364;bung gebracht werden.</p><lb/>
        <p>Nicht lange kann &#x017F;ich der philo&#x017F;ophi&#x017F;che Gei&#x017F;t bey<lb/>
dem Stoffe der Weltge&#x017F;chichte verweilen, &#x017F;o wird ein<lb/>
neuer Trieb in ihm ge&#x017F;cha&#x0364;ftig werden, der nach Ueber-<lb/>
ein&#x017F;timmung &#x017F;trebt &#x2014; der ihn unwider&#x017F;tehlich reizt,<lb/>
alles um &#x017F;ich herum &#x017F;einer eigenen vernu&#x0364;nftigen Natur<lb/>
zu a&#x017F;&#x017F;imiliren, und jede ihm vorkommende Er&#x017F;cheinung<lb/>
zu der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Wirkung, die er erkannt, zum <hi rendition="#fr">Gedan-<lb/>
ken</hi> zu erheben. Je o&#x0364;fter al&#x017F;o und mit je glu&#x0364;cklicherm<lb/>
Erfolge er den Ver&#x017F;uch erneuert, das Vergangene mit<lb/>
dem Gegenwa&#x0364;rtigen zu verknu&#x0364;pfen: de&#x017F;to mehr wird<lb/>
er geneigt, was er als <hi rendition="#fr">Ur&#x017F;ache</hi> und <hi rendition="#fr">Wirkung</hi> in ein-<lb/>
ander greifen &#x017F;ieht, als <hi rendition="#fr">Mittel</hi> und <hi rendition="#fr">Ab&#x017F;icht</hi> zu verbin-<lb/>
den. Eine Er&#x017F;cheinung nach der andern fa&#x0364;ngt an, &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0029] foͤrmigkeit und unveraͤnderlichen Einheit der Naturge- ſetze und des menſchlichen Gemuͤths, welche Einheit Urſache iſt, daß die Ereigniße des entfernteſten Alter- thums, unter dem Zuſammenfluß aͤhnlicher Umſtaͤnde von auſſen, in den neueſten Zeitlaͤuften wiederkehren; daß alſo von den neueſten Erſcheinungen, die im Kreis unſrer Beobachtung liegen, auf diejenigen, welche ſich in geſchichtloſen Zeiten verlieren, ruͤckwaͤrts ein Schluß gezogen und einiges Licht verbreitet werden kann. Die Methode, nach der Analogie zu ſchließen, iſt, wie uͤberall ſo auch in der Geſchichte ein maͤchtiges Huͤlfs- mittel: aber ſie muß durch einen erheblichen Zweck ge- rechtfertigt, und mit eben ſoviel Vorſicht als Beur- theilung in Ausuͤbung gebracht werden. Nicht lange kann ſich der philoſophiſche Geiſt bey dem Stoffe der Weltgeſchichte verweilen, ſo wird ein neuer Trieb in ihm geſchaͤftig werden, der nach Ueber- einſtimmung ſtrebt — der ihn unwiderſtehlich reizt, alles um ſich herum ſeiner eigenen vernuͤnftigen Natur zu aſſimiliren, und jede ihm vorkommende Erſcheinung zu der hoͤchſten Wirkung, die er erkannt, zum Gedan- ken zu erheben. Je oͤfter alſo und mit je gluͤcklicherm Erfolge er den Verſuch erneuert, das Vergangene mit dem Gegenwaͤrtigen zu verknuͤpfen: deſto mehr wird er geneigt, was er als Urſache und Wirkung in ein- ander greifen ſieht, als Mittel und Abſicht zu verbin- den. Eine Erſcheinung nach der andern faͤngt an, ſich dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_universalgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_universalgeschichte_1789/29
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? (Antrittsvorlesung in Jena, 26. 5. 1789 ). Jena, 1789, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_universalgeschichte_1789/29>, abgerufen am 03.12.2024.