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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

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Grad von Leben des Verstandes. Man mußte Genie und Scharfsinn aufbieten, um mittelst des neuen Werkzeugs neue Verhältnisse zu finden. Die Anwendung desselben auf die eigenthümlichsten, interessantesten und allgemeinsten Seiten der Menschheit mußte vorzügliche Bewunderung erregen und die Aufmerksamkeit aller guten Köpfe auf sich ziehn. So entstanden die gnomischen Massen, die man zu allen Zeiten und bey allen Völkern so hoch geschätzt hat. Es wäre leicht möglich, daß unsere jetzigen genialischen Entdeckungen im Laufe der Zeiten ein ähnliches Schicksal träfe. Es könnte leicht eine Zeit kommen, wo das alles so gemein wäre, wie jetzt Sittensprüche, und neue, erhabenere Entdeckungen den rastlosen Geist der Menschen beschäftigten.



Ein Gesetz ist seinem Begriffe nach, wirksam. Ein unwirksames Gesetz ist kein Gesetz. Gesetz ist ein kausaler Begriff, Mischung von Kraft und Gedanken. Daher ist man sich nie eines Gesetzes, als solchen, bewußt. Jn so fern man an ein Gesetz denkt, ist es nur ein Satz d. h. ein Gedanke mit einem Vermögen verbunden. Ein widerstehender, ein beharrlicher Gedanke, ist ein strebender Gedanke und vermittelt das Gesetz und den bloßen Gedanken.



Eine allzugroße Dienstfertigkeit der Organe würde dem irdischen Daseyn gefährlich seyn. Der Geist in seinem jetzigen Zustande würde eine zerstörende Anwendung davon machen. Eine gewisse Schwere des

Grad von Leben des Verstandes. Man mußte Genie und Scharfsinn aufbieten, um mittelst des neuen Werkzeugs neue Verhaͤltnisse zu finden. Die Anwendung desselben auf die eigenthuͤmlichsten, interessantesten und allgemeinsten Seiten der Menschheit mußte vorzuͤgliche Bewunderung erregen und die Aufmerksamkeit aller guten Koͤpfe auf sich ziehn. So entstanden die gnomischen Massen, die man zu allen Zeiten und bey allen Voͤlkern so hoch geschaͤtzt hat. Es waͤre leicht moͤglich, daß unsere jetzigen genialischen Entdeckungen im Laufe der Zeiten ein aͤhnliches Schicksal traͤfe. Es koͤnnte leicht eine Zeit kommen, wo das alles so gemein waͤre, wie jetzt Sittenspruͤche, und neue, erhabenere Entdeckungen den rastlosen Geist der Menschen beschaͤftigten.



Ein Gesetz ist seinem Begriffe nach, wirksam. Ein unwirksames Gesetz ist kein Gesetz. Gesetz ist ein kausaler Begriff, Mischung von Kraft und Gedanken. Daher ist man sich nie eines Gesetzes, als solchen, bewußt. Jn so fern man an ein Gesetz denkt, ist es nur ein Satz d. h. ein Gedanke mit einem Vermoͤgen verbunden. Ein widerstehender, ein beharrlicher Gedanke, ist ein strebender Gedanke und vermittelt das Gesetz und den bloßen Gedanken.



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[96/0107] Grad von Leben des Verstandes. Man mußte Genie und Scharfsinn aufbieten, um mittelst des neuen Werkzeugs neue Verhaͤltnisse zu finden. Die Anwendung desselben auf die eigenthuͤmlichsten, interessantesten und allgemeinsten Seiten der Menschheit mußte vorzuͤgliche Bewunderung erregen und die Aufmerksamkeit aller guten Koͤpfe auf sich ziehn. So entstanden die gnomischen Massen, die man zu allen Zeiten und bey allen Voͤlkern so hoch geschaͤtzt hat. Es waͤre leicht moͤglich, daß unsere jetzigen genialischen Entdeckungen im Laufe der Zeiten ein aͤhnliches Schicksal traͤfe. Es koͤnnte leicht eine Zeit kommen, wo das alles so gemein waͤre, wie jetzt Sittenspruͤche, und neue, erhabenere Entdeckungen den rastlosen Geist der Menschen beschaͤftigten. Ein Gesetz ist seinem Begriffe nach, wirksam. Ein unwirksames Gesetz ist kein Gesetz. Gesetz ist ein kausaler Begriff, Mischung von Kraft und Gedanken. Daher ist man sich nie eines Gesetzes, als solchen, bewußt. Jn so fern man an ein Gesetz denkt, ist es nur ein Satz d. h. ein Gedanke mit einem Vermoͤgen verbunden. Ein widerstehender, ein beharrlicher Gedanke, ist ein strebender Gedanke und vermittelt das Gesetz und den bloßen Gedanken. Eine allzugroße Dienstfertigkeit der Organe wuͤrde dem irdischen Daseyn gefaͤhrlich seyn. Der Geist in seinem jetzigen Zustande wuͤrde eine zerstoͤrende Anwendung davon machen. Eine gewisse Schwere des

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/107>, abgerufen am 21.05.2024.