Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Jnnigste Gemeinschaft aller Kenntnisse, scientifische Republik, ist der hohe Zweck der Gelehrten. Sollte nicht die Distanz einer besondern Wissenschaft von der allgemeinen, und so der Rang der Wissenschaften untereinander, nach der Zahl ihrer Grundsätze zu rechnen seyn? Je weniger Grundsätze, desto höher die Wissenschaft. Man versteht das Künstliche gewöhnlich besser, als das Natürliche. Es gehört mehr Geist zum Einfachen, als zum Complizirten, aber weniger Talent. Werkzeuge armiren den Menschen. Man kann wohl sagen, der Mensch versteht eine Welt hervorzubringen, es mangelt ihm nur am gehörigen Apparat, an der verhältnißmäßigen Armatur seiner Sinneswerkzeuge. Der Anfang ist da. So liegt das Prinzip eines Kriegsschiffes in der Jdee des Schiffbaumeisters, der durch Menschenhaufen und gehörige Werkzeuge und Materialien diesen Gedanken zu verkörpern vermag, indem er durch alles dieses sich gleichsam zu einer ungeheuren Maschine macht. So erforderte die Jdee eines Augenblicks oft ungeheure Organe, ungeheure Massen von Materien, und der Mensch ist also, wo nicht actu, doch potentia Schöpfer. Jn jeder Berührung entsteht eine Substanz, deren Wirkung so lange, als die Berührung dauert. Jnnigste Gemeinschaft aller Kenntnisse, scientifische Republik, ist der hohe Zweck der Gelehrten. Sollte nicht die Distanz einer besondern Wissenschaft von der allgemeinen, und so der Rang der Wissenschaften untereinander, nach der Zahl ihrer Grundsaͤtze zu rechnen seyn? Je weniger Grundsaͤtze, desto hoͤher die Wissenschaft. Man versteht das Kuͤnstliche gewoͤhnlich besser, als das Natuͤrliche. Es gehoͤrt mehr Geist zum Einfachen, als zum Complizirten, aber weniger Talent. Werkzeuge armiren den Menschen. Man kann wohl sagen, der Mensch versteht eine Welt hervorzubringen, es mangelt ihm nur am gehoͤrigen Apparat, an der verhaͤltnißmaͤßigen Armatur seiner Sinneswerkzeuge. Der Anfang ist da. So liegt das Prinzip eines Kriegsschiffes in der Jdee des Schiffbaumeisters, der durch Menschenhaufen und gehoͤrige Werkzeuge und Materialien diesen Gedanken zu verkoͤrpern vermag, indem er durch alles dieses sich gleichsam zu einer ungeheuren Maschine macht. So erforderte die Jdee eines Augenblicks oft ungeheure Organe, ungeheure Massen von Materien, und der Mensch ist also, wo nicht actu, doch potentia Schoͤpfer. Jn jeder Beruͤhrung entsteht eine Substanz, deren Wirkung so lange, als die Beruͤhrung dauert. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0109" n="98"/> <p>Jnnigste Gemeinschaft aller Kenntnisse, scientifische Republik, ist der hohe Zweck der Gelehrten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Sollte nicht die Distanz einer besondern Wissenschaft von der allgemeinen, und so der Rang der Wissenschaften untereinander, nach der Zahl ihrer Grundsaͤtze zu rechnen seyn? Je weniger Grundsaͤtze, desto hoͤher die Wissenschaft.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Man versteht das Kuͤnstliche gewoͤhnlich besser, als das Natuͤrliche. Es gehoͤrt mehr Geist zum Einfachen, als zum Complizirten, aber weniger Talent.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Werkzeuge armiren den Menschen. Man kann wohl sagen, der Mensch versteht eine Welt hervorzubringen, es mangelt ihm nur am gehoͤrigen Apparat, an der verhaͤltnißmaͤßigen Armatur seiner Sinneswerkzeuge. Der Anfang ist da. So liegt das Prinzip eines Kriegsschiffes in der Jdee des Schiffbaumeisters, der durch Menschenhaufen und gehoͤrige Werkzeuge und Materialien diesen Gedanken zu verkoͤrpern vermag, indem er durch alles dieses sich gleichsam zu einer ungeheuren Maschine macht. So erforderte die Jdee eines Augenblicks oft ungeheure Organe, ungeheure Massen von Materien, und der Mensch ist also, wo nicht <foreign xml:lang="la">actu</foreign>, doch <foreign xml:lang="la">potentia</foreign> Schoͤpfer.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Jn jeder Beruͤhrung entsteht eine Substanz, deren Wirkung so lange, als die Beruͤhrung dauert.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0109]
Jnnigste Gemeinschaft aller Kenntnisse, scientifische Republik, ist der hohe Zweck der Gelehrten.
Sollte nicht die Distanz einer besondern Wissenschaft von der allgemeinen, und so der Rang der Wissenschaften untereinander, nach der Zahl ihrer Grundsaͤtze zu rechnen seyn? Je weniger Grundsaͤtze, desto hoͤher die Wissenschaft.
Man versteht das Kuͤnstliche gewoͤhnlich besser, als das Natuͤrliche. Es gehoͤrt mehr Geist zum Einfachen, als zum Complizirten, aber weniger Talent.
Werkzeuge armiren den Menschen. Man kann wohl sagen, der Mensch versteht eine Welt hervorzubringen, es mangelt ihm nur am gehoͤrigen Apparat, an der verhaͤltnißmaͤßigen Armatur seiner Sinneswerkzeuge. Der Anfang ist da. So liegt das Prinzip eines Kriegsschiffes in der Jdee des Schiffbaumeisters, der durch Menschenhaufen und gehoͤrige Werkzeuge und Materialien diesen Gedanken zu verkoͤrpern vermag, indem er durch alles dieses sich gleichsam zu einer ungeheuren Maschine macht. So erforderte die Jdee eines Augenblicks oft ungeheure Organe, ungeheure Massen von Materien, und der Mensch ist also, wo nicht actu, doch potentia Schoͤpfer.
Jn jeder Beruͤhrung entsteht eine Substanz, deren Wirkung so lange, als die Beruͤhrung dauert.
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