Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.retardiren, beyde beschleunigen, beyde führen zum Ziel. So scheint sich im Roman der Dichter bald dem Spiel zu nähern, bald wieder zu entfernen, und nie ist es näher, als wenn es am entferntesten zu seyn scheint. Ein Verbrecher kann sich über Unrecht nicht beklagen, wenn man ihn hart und unmenschlich behandelt. Sein Verbrechen war ein Eintritt ins Reich der Gewalt, der Tyrannen. Maß und Proporzion giebt es nicht in dieser Welt, daher darf ihn die Unverhältnißmäßigkeit der Gegenwirkung nicht befremden. Die Fabellehre enthält die Geschichte der urbildlichen Welt, sie begreift Vorzeit, Gegenwart und Zukunft. Wenn der Geist heiligt, so ist jedes ächte Buch Bibel. Aber nur selten wird ein Buch um des Buchs willen geschrieben, und wenn Geist gleich edlem Metall ist, so sind die meisten Bücher Ephrcimiten. Freylich muß jedes nützliche Buch wenigstens stark legirt seyn. Rein ist das edle Metall in Handel und Wandel nicht zu gebrauchen. Vielen wahren Büchern geht es wie den Goldklumpen in Jrland. Sie dienen lange Jahre nur als Gewichte. Manche Bücher sind länger als sie scheinen. Sie haben in der That kein Ende. Die Langeweile die sie erregen, ist wahrhaft absolut und unendlich. Musterhafte retardiren, beyde beschleunigen, beyde fuͤhren zum Ziel. So scheint sich im Roman der Dichter bald dem Spiel zu naͤhern, bald wieder zu entfernen, und nie ist es naͤher, als wenn es am entferntesten zu seyn scheint. Ein Verbrecher kann sich uͤber Unrecht nicht beklagen, wenn man ihn hart und unmenschlich behandelt. Sein Verbrechen war ein Eintritt ins Reich der Gewalt, der Tyrannen. Maß und Proporzion giebt es nicht in dieser Welt, daher darf ihn die Unverhaͤltnißmaͤßigkeit der Gegenwirkung nicht befremden. Die Fabellehre enthaͤlt die Geschichte der urbildlichen Welt, sie begreift Vorzeit, Gegenwart und Zukunft. Wenn der Geist heiligt, so ist jedes aͤchte Buch Bibel. Aber nur selten wird ein Buch um des Buchs willen geschrieben, und wenn Geist gleich edlem Metall ist, so sind die meisten Buͤcher Ephrcimiten. Freylich muß jedes nuͤtzliche Buch wenigstens stark legirt seyn. Rein ist das edle Metall in Handel und Wandel nicht zu gebrauchen. Vielen wahren Buͤchern geht es wie den Goldklumpen in Jrland. Sie dienen lange Jahre nur als Gewichte. Manche Buͤcher sind laͤnger als sie scheinen. Sie haben in der That kein Ende. Die Langeweile die sie erregen, ist wahrhaft absolut und unendlich. Musterhafte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0113" n="102"/> retardiren, beyde beschleunigen, beyde fuͤhren zum Ziel. So scheint sich im Roman der Dichter bald dem Spiel zu naͤhern, bald wieder zu entfernen, und nie ist es naͤher, als wenn es am entferntesten zu seyn scheint.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Ein Verbrecher kann sich uͤber Unrecht nicht beklagen, wenn man ihn hart und unmenschlich behandelt. Sein Verbrechen war ein Eintritt ins Reich der Gewalt, der Tyrannen. Maß und Proporzion giebt es nicht in dieser Welt, daher darf ihn die Unverhaͤltnißmaͤßigkeit der Gegenwirkung nicht befremden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Die Fabellehre enthaͤlt die Geschichte der urbildlichen Welt, sie begreift Vorzeit, Gegenwart und Zukunft.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Wenn der Geist heiligt, so ist jedes aͤchte Buch Bibel. Aber nur selten wird ein Buch um des Buchs willen geschrieben, und wenn Geist gleich edlem Metall ist, so sind die meisten Buͤcher Ephrcimiten. Freylich muß jedes nuͤtzliche Buch wenigstens stark legirt seyn. Rein ist das edle Metall in Handel und Wandel nicht zu gebrauchen. Vielen wahren Buͤchern geht es wie den Goldklumpen in Jrland. Sie dienen lange Jahre nur als Gewichte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Manche Buͤcher sind laͤnger als sie scheinen. Sie haben in der That kein Ende. Die Langeweile die sie erregen, ist wahrhaft absolut und unendlich. Musterhafte<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [102/0113]
retardiren, beyde beschleunigen, beyde fuͤhren zum Ziel. So scheint sich im Roman der Dichter bald dem Spiel zu naͤhern, bald wieder zu entfernen, und nie ist es naͤher, als wenn es am entferntesten zu seyn scheint.
Ein Verbrecher kann sich uͤber Unrecht nicht beklagen, wenn man ihn hart und unmenschlich behandelt. Sein Verbrechen war ein Eintritt ins Reich der Gewalt, der Tyrannen. Maß und Proporzion giebt es nicht in dieser Welt, daher darf ihn die Unverhaͤltnißmaͤßigkeit der Gegenwirkung nicht befremden.
Die Fabellehre enthaͤlt die Geschichte der urbildlichen Welt, sie begreift Vorzeit, Gegenwart und Zukunft.
Wenn der Geist heiligt, so ist jedes aͤchte Buch Bibel. Aber nur selten wird ein Buch um des Buchs willen geschrieben, und wenn Geist gleich edlem Metall ist, so sind die meisten Buͤcher Ephrcimiten. Freylich muß jedes nuͤtzliche Buch wenigstens stark legirt seyn. Rein ist das edle Metall in Handel und Wandel nicht zu gebrauchen. Vielen wahren Buͤchern geht es wie den Goldklumpen in Jrland. Sie dienen lange Jahre nur als Gewichte.
Manche Buͤcher sind laͤnger als sie scheinen. Sie haben in der That kein Ende. Die Langeweile die sie erregen, ist wahrhaft absolut und unendlich. Musterhafte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/113 |
Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/113>, abgerufen am 16.02.2025. |