Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.eine Geschichte, welche ein so seltsames Gemisch von Willkühr und Nothwendigkeit, von Zufall und Absicht enthält, für die Elegie, welche so gern mit streitenden Empfindungen spielt, und Widersprüche verkettet, ein sehr angemessener und glücklicher Stoff scheinen. Jn jedem Fall wäre die Voraussetzung, die Beschaffenheit des Rhythmus, der überall in der alten Poesie der Natur des Ganzen wunderbar innig und tief entspricht, könne bey einem so absichtsvollen Künstler zufällig seyn und von keiner Bedeutung, durchaus geschichtswidrig Vergleicht man diese Elegie des Kallimachos mit dem Bruchstücke des Hermesianax, so kann es befremden, daß jener der berühmtere war. Ohne uns in Vermuthungen darüber zu verlieren, ob diese Sonderbarkeit des Kunsturtheils der Alten eben so natürlich und nothwendig war, wie das verschiedene Vorziehen der Jlias und der Odyssee bey den Alten und bey den Neuern, müssen wir nur kurz erinnern: daß der elegische Hymnus des Kallimachos wie seine elegischen Epigramme doch nur eine Nebenart war, und daß wir nur aus seinen erotischen Elegien würden beurtheilen können, warum er für das Haupt seiner Gattung gehalten ward. Er konnte wie der überströmende Philetas leidenschaftlicher, antithetischer, ja sogar gefeilter seyn, wenn er gleich an natürlicher Anmuth den Hermesianax nie erreicht haben kann. eine Geschichte, welche ein so seltsames Gemisch von Willkuͤhr und Nothwendigkeit, von Zufall und Absicht enthaͤlt, fuͤr die Elegie, welche so gern mit streitenden Empfindungen spielt, und Widerspruͤche verkettet, ein sehr angemessener und gluͤcklicher Stoff scheinen. Jn jedem Fall waͤre die Voraussetzung, die Beschaffenheit des Rhythmus, der uͤberall in der alten Poesie der Natur des Ganzen wunderbar innig und tief entspricht, koͤnne bey einem so absichtsvollen Kuͤnstler zufaͤllig seyn und von keiner Bedeutung, durchaus geschichtswidrig Vergleicht man diese Elegie des Kallimachos mit dem Bruchstuͤcke des Hermesianax, so kann es befremden, daß jener der beruͤhmtere war. Ohne uns in Vermuthungen daruͤber zu verlieren, ob diese Sonderbarkeit des Kunsturtheils der Alten eben so natuͤrlich und nothwendig war, wie das verschiedene Vorziehen der Jlias und der Odyssee bey den Alten und bey den Neuern, muͤssen wir nur kurz erinnern: daß der elegische Hymnus des Kallimachos wie seine elegischen Epigramme doch nur eine Nebenart war, und daß wir nur aus seinen erotischen Elegien wuͤrden beurtheilen koͤnnen, warum er fuͤr das Haupt seiner Gattung gehalten ward. Er konnte wie der uͤberstroͤmende Philetas leidenschaftlicher, antithetischer, ja sogar gefeilter seyn, wenn er gleich an natuͤrlicher Anmuth den Hermesianax nie erreicht haben kann. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0151" n="140"/> eine Geschichte, welche ein so seltsames Gemisch von Willkuͤhr und Nothwendigkeit, von Zufall und Absicht enthaͤlt, fuͤr die Elegie, welche so gern mit streitenden Empfindungen spielt, und Widerspruͤche verkettet, ein sehr angemessener und gluͤcklicher Stoff scheinen. Jn jedem Fall waͤre die Voraussetzung, die Beschaffenheit des Rhythmus, der uͤberall in der alten Poesie der Natur des Ganzen wunderbar innig und tief entspricht, koͤnne bey einem so absichtsvollen Kuͤnstler zufaͤllig seyn und von keiner Bedeutung, durchaus geschichtswidrig</p><lb/> <p>Vergleicht man diese Elegie des Kallimachos mit dem Bruchstuͤcke des Hermesianax, so kann es befremden, daß jener der beruͤhmtere war. Ohne uns in Vermuthungen daruͤber zu verlieren, ob diese Sonderbarkeit des Kunsturtheils der Alten eben so natuͤrlich und nothwendig war, wie das verschiedene Vorziehen der Jlias und der Odyssee bey den Alten und bey den Neuern, muͤssen wir nur kurz erinnern: daß der elegische Hymnus des Kallimachos wie seine elegischen Epigramme doch nur eine Nebenart war, und daß wir nur aus seinen erotischen Elegien wuͤrden beurtheilen koͤnnen, warum er fuͤr das Haupt seiner Gattung gehalten ward. Er konnte wie der uͤberstroͤmende Philetas leidenschaftlicher, antithetischer, ja sogar gefeilter seyn, wenn er gleich an natuͤrlicher Anmuth den Hermesianax nie erreicht haben kann.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [140/0151]
eine Geschichte, welche ein so seltsames Gemisch von Willkuͤhr und Nothwendigkeit, von Zufall und Absicht enthaͤlt, fuͤr die Elegie, welche so gern mit streitenden Empfindungen spielt, und Widerspruͤche verkettet, ein sehr angemessener und gluͤcklicher Stoff scheinen. Jn jedem Fall waͤre die Voraussetzung, die Beschaffenheit des Rhythmus, der uͤberall in der alten Poesie der Natur des Ganzen wunderbar innig und tief entspricht, koͤnne bey einem so absichtsvollen Kuͤnstler zufaͤllig seyn und von keiner Bedeutung, durchaus geschichtswidrig
Vergleicht man diese Elegie des Kallimachos mit dem Bruchstuͤcke des Hermesianax, so kann es befremden, daß jener der beruͤhmtere war. Ohne uns in Vermuthungen daruͤber zu verlieren, ob diese Sonderbarkeit des Kunsturtheils der Alten eben so natuͤrlich und nothwendig war, wie das verschiedene Vorziehen der Jlias und der Odyssee bey den Alten und bey den Neuern, muͤssen wir nur kurz erinnern: daß der elegische Hymnus des Kallimachos wie seine elegischen Epigramme doch nur eine Nebenart war, und daß wir nur aus seinen erotischen Elegien wuͤrden beurtheilen koͤnnen, warum er fuͤr das Haupt seiner Gattung gehalten ward. Er konnte wie der uͤberstroͤmende Philetas leidenschaftlicher, antithetischer, ja sogar gefeilter seyn, wenn er gleich an natuͤrlicher Anmuth den Hermesianax nie erreicht haben kann.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |