Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Bogen immer mit gekauft werden, als dem Verfasser selbst, dem es genügen kann, sie dem Scheine nach angefüllt zu haben. Zwar sollten wir ihn nicht so ernsthaft nehmen. Dem fröhlichen Manne ist es schwerlich um Vortrefflichkeit zu thun; es scheint ihm vielmehr, so oft er auch die Ewigkeit als das große point de vue hinstellt, hauptsächlich an der Zeitlichkeit gelegen zu seyn. Um es dabey noch recht bequem zu haben, macht man sich eine Moral, eine Tugend, eine Unschuld, eine Liebe, die ein für allemal dafür gelten müßen, ein wenig auf den Kauf gemacht, unhaltbar, aber gut in die Augen fallend. Wenn man ihn indessen auch so jovialisch ansehn will, wie er selbst sein Thun und Treiben, so ist es doch nicht gleichgültig, was er für Begriffe von allen jenen Dingen unter die Leute bringt, und es ist der Mühe werth zu fragen, worin es liegt, daß er mit so viel gutem Willen und Glauben sittlich zu seyn, den schon so mächtigen Hang zur Erschlaffung und Passivität befördert. Es ist gewiß, wenn er sich als Schriftsteller strenger zu betrachten wüßte, so würde er auch die menschliche Natur höher zu halten verstehn. Jn seinen früheren Sachen schien er einen zugleich eigenthümlichen und gefälligen Gang nehmen zu wollen, ob er gleich von dem, was ein Gedicht ist, nie einen reinen Begriff gehabt haben muß, da er seine Szenen Gedichte nennen, ja sie sogar als Annäherungen zur tragischen Dichtkunst betrachten konnte. Vermuthlich hatte er schon damals kein höheres Jdeal von dieser letzten als den "tragischen Bogen immer mit gekauft werden, als dem Verfasser selbst, dem es genuͤgen kann, sie dem Scheine nach angefuͤllt zu haben. Zwar sollten wir ihn nicht so ernsthaft nehmen. Dem froͤhlichen Manne ist es schwerlich um Vortrefflichkeit zu thun; es scheint ihm vielmehr, so oft er auch die Ewigkeit als das große point de vue hinstellt, hauptsaͤchlich an der Zeitlichkeit gelegen zu seyn. Um es dabey noch recht bequem zu haben, macht man sich eine Moral, eine Tugend, eine Unschuld, eine Liebe, die ein fuͤr allemal dafuͤr gelten muͤßen, ein wenig auf den Kauf gemacht, unhaltbar, aber gut in die Augen fallend. Wenn man ihn indessen auch so jovialisch ansehn will, wie er selbst sein Thun und Treiben, so ist es doch nicht gleichguͤltig, was er fuͤr Begriffe von allen jenen Dingen unter die Leute bringt, und es ist der Muͤhe werth zu fragen, worin es liegt, daß er mit so viel gutem Willen und Glauben sittlich zu seyn, den schon so maͤchtigen Hang zur Erschlaffung und Passivitaͤt befoͤrdert. Es ist gewiß, wenn er sich als Schriftsteller strenger zu betrachten wuͤßte, so wuͤrde er auch die menschliche Natur hoͤher zu halten verstehn. Jn seinen fruͤheren Sachen schien er einen zugleich eigenthuͤmlichen und gefaͤlligen Gang nehmen zu wollen, ob er gleich von dem, was ein Gedicht ist, nie einen reinen Begriff gehabt haben muß, da er seine Szenen Gedichte nennen, ja sie sogar als Annaͤherungen zur tragischen Dichtkunst betrachten konnte. Vermuthlich hatte er schon damals kein hoͤheres Jdeal von dieser letzten als den „tragischen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0163" n="152"/> Bogen immer mit gekauft werden, als dem Verfasser selbst, dem es genuͤgen kann, sie dem Scheine nach angefuͤllt zu haben. Zwar sollten wir ihn nicht so ernsthaft nehmen. Dem froͤhlichen Manne ist es schwerlich um Vortrefflichkeit zu thun; es scheint ihm vielmehr, so oft er auch die Ewigkeit als das große <foreign xml:lang="fr">point de vue</foreign> hinstellt, hauptsaͤchlich an der Zeitlichkeit gelegen zu seyn. Um es dabey noch recht bequem zu haben, macht man sich eine Moral, eine Tugend, eine Unschuld, eine Liebe, die ein fuͤr allemal dafuͤr gelten muͤßen, ein wenig auf den Kauf gemacht, unhaltbar, aber gut in die Augen fallend.</p><lb/> <p>Wenn man ihn indessen auch so jovialisch ansehn will, wie er selbst sein Thun und Treiben, so ist es doch nicht gleichguͤltig, was er fuͤr Begriffe von allen jenen Dingen unter die Leute bringt, und es ist der Muͤhe werth zu fragen, worin es liegt, daß er mit so viel gutem Willen und Glauben sittlich zu seyn, den schon so maͤchtigen Hang zur Erschlaffung und Passivitaͤt befoͤrdert. Es ist gewiß, wenn er sich als Schriftsteller strenger zu betrachten wuͤßte, so wuͤrde er auch die menschliche Natur hoͤher zu halten verstehn. Jn seinen fruͤheren Sachen schien er einen zugleich eigenthuͤmlichen und gefaͤlligen Gang nehmen zu wollen, ob er gleich von dem, was ein Gedicht ist, nie einen reinen Begriff gehabt haben muß, da er seine <hi rendition="#g">Szenen</hi> Gedichte nennen, ja sie sogar als Annaͤherungen zur <hi rendition="#g">tragischen</hi> Dichtkunst betrachten konnte. Vermuthlich hatte er schon damals kein hoͤheres Jdeal von dieser letzten als den „tragischen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [152/0163]
Bogen immer mit gekauft werden, als dem Verfasser selbst, dem es genuͤgen kann, sie dem Scheine nach angefuͤllt zu haben. Zwar sollten wir ihn nicht so ernsthaft nehmen. Dem froͤhlichen Manne ist es schwerlich um Vortrefflichkeit zu thun; es scheint ihm vielmehr, so oft er auch die Ewigkeit als das große point de vue hinstellt, hauptsaͤchlich an der Zeitlichkeit gelegen zu seyn. Um es dabey noch recht bequem zu haben, macht man sich eine Moral, eine Tugend, eine Unschuld, eine Liebe, die ein fuͤr allemal dafuͤr gelten muͤßen, ein wenig auf den Kauf gemacht, unhaltbar, aber gut in die Augen fallend.
Wenn man ihn indessen auch so jovialisch ansehn will, wie er selbst sein Thun und Treiben, so ist es doch nicht gleichguͤltig, was er fuͤr Begriffe von allen jenen Dingen unter die Leute bringt, und es ist der Muͤhe werth zu fragen, worin es liegt, daß er mit so viel gutem Willen und Glauben sittlich zu seyn, den schon so maͤchtigen Hang zur Erschlaffung und Passivitaͤt befoͤrdert. Es ist gewiß, wenn er sich als Schriftsteller strenger zu betrachten wuͤßte, so wuͤrde er auch die menschliche Natur hoͤher zu halten verstehn. Jn seinen fruͤheren Sachen schien er einen zugleich eigenthuͤmlichen und gefaͤlligen Gang nehmen zu wollen, ob er gleich von dem, was ein Gedicht ist, nie einen reinen Begriff gehabt haben muß, da er seine Szenen Gedichte nennen, ja sie sogar als Annaͤherungen zur tragischen Dichtkunst betrachten konnte. Vermuthlich hatte er schon damals kein hoͤheres Jdeal von dieser letzten als den „tragischen
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