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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

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mögen, schwerlich ganz an poetischer Energie fehlt. Auf dem Grund und Boden solcher Mährlein ist der Feenpallast des göttlichen Meisters Ariosto erbaut; und es könnte schon deswegen anziehend seyn, sie in ihrer ursprünglichen rohen Treuherzigkeit vorgeführt zu sehen, um damit die welschen Umbildungen eines hellen und feinen Verstandes zu vergleichen. Der jüngste und gewaltigste unter den Heymonskindern, Reynold, ist Ariosto's Rinaldo,
Figliuol d'Amon, Signor di Mont' Albano;
und sein Pferd Bayart, das in der Geschichte eine so große Rolle spielt, und zuletzt der Aussöhnung seines Herrn mit Kaiser Karl aufgeopfert und ertränkt wird (eine Begebenheit, welche Kindern und auch Erwachsenen, welche sich noch nicht gegen dergleichen abgehärtet haben, immer eine große Rührung kosten wird, wie der Hund Argos beym Homer) ist derselbe Bayardo, der gleich zu Anfang des Orlando furioso so klug, gewandt und stark erscheint. Hat dieß treffliche Roß etwa keinen Karakter, weil die Motive seiner Handlungen nicht gründlich genug nach der Pferdepsychologie zergliedert worden sind? Das ist nun so die Art der Poesie, daß sie die lebendigen Kräfte hinstellt, unbekümmert um das Problem, warum ihre Eigenthümlichkeit grade diese und keine andre ist. Wenn nicht ein geheimer Grund zu einem bestimmten Daseyn in ihnen läge, so wären es ja eben keine Naturen.

Jn der wundersamen Liebesgeschichte der schönen Magelone und des Grafen Peter

moͤgen, schwerlich ganz an poetischer Energie fehlt. Auf dem Grund und Boden solcher Maͤhrlein ist der Feenpallast des goͤttlichen Meisters Ariosto erbaut; und es koͤnnte schon deswegen anziehend seyn, sie in ihrer urspruͤnglichen rohen Treuherzigkeit vorgefuͤhrt zu sehen, um damit die welschen Umbildungen eines hellen und feinen Verstandes zu vergleichen. Der juͤngste und gewaltigste unter den Heymonskindern, Reynold, ist Ariosto's Rinaldo,
Figliuol d'Amon, Signor di Mont' Albano;
und sein Pferd Bayart, das in der Geschichte eine so große Rolle spielt, und zuletzt der Aussoͤhnung seines Herrn mit Kaiser Karl aufgeopfert und ertraͤnkt wird (eine Begebenheit, welche Kindern und auch Erwachsenen, welche sich noch nicht gegen dergleichen abgehaͤrtet haben, immer eine große Ruͤhrung kosten wird, wie der Hund Argos beym Homer) ist derselbe Bayardo, der gleich zu Anfang des Orlando furioso so klug, gewandt und stark erscheint. Hat dieß treffliche Roß etwa keinen Karakter, weil die Motive seiner Handlungen nicht gruͤndlich genug nach der Pferdepsychologie zergliedert worden sind? Das ist nun so die Art der Poesie, daß sie die lebendigen Kraͤfte hinstellt, unbekuͤmmert um das Problem, warum ihre Eigenthuͤmlichkeit grade diese und keine andre ist. Wenn nicht ein geheimer Grund zu einem bestimmten Daseyn in ihnen laͤge, so waͤren es ja eben keine Naturen.

Jn der wundersamen Liebesgeschichte der schoͤnen Magelone und des Grafen Peter

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[171/0182] moͤgen, schwerlich ganz an poetischer Energie fehlt. Auf dem Grund und Boden solcher Maͤhrlein ist der Feenpallast des goͤttlichen Meisters Ariosto erbaut; und es koͤnnte schon deswegen anziehend seyn, sie in ihrer urspruͤnglichen rohen Treuherzigkeit vorgefuͤhrt zu sehen, um damit die welschen Umbildungen eines hellen und feinen Verstandes zu vergleichen. Der juͤngste und gewaltigste unter den Heymonskindern, Reynold, ist Ariosto's Rinaldo, Figliuol d'Amon, Signor di Mont' Albano; und sein Pferd Bayart, das in der Geschichte eine so große Rolle spielt, und zuletzt der Aussoͤhnung seines Herrn mit Kaiser Karl aufgeopfert und ertraͤnkt wird (eine Begebenheit, welche Kindern und auch Erwachsenen, welche sich noch nicht gegen dergleichen abgehaͤrtet haben, immer eine große Ruͤhrung kosten wird, wie der Hund Argos beym Homer) ist derselbe Bayardo, der gleich zu Anfang des Orlando furioso so klug, gewandt und stark erscheint. Hat dieß treffliche Roß etwa keinen Karakter, weil die Motive seiner Handlungen nicht gruͤndlich genug nach der Pferdepsychologie zergliedert worden sind? Das ist nun so die Art der Poesie, daß sie die lebendigen Kraͤfte hinstellt, unbekuͤmmert um das Problem, warum ihre Eigenthuͤmlichkeit grade diese und keine andre ist. Wenn nicht ein geheimer Grund zu einem bestimmten Daseyn in ihnen laͤge, so waͤren es ja eben keine Naturen. Jn der wundersamen Liebesgeschichte der schoͤnen Magelone und des Grafen Peter

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/182>, abgerufen am 21.11.2024.