aus der Provence hat sich der Erzähler eine zu schwere Aufgabe gemacht, die vielleicht nicht rein zu lösen war. Die Anlage ist einfältig, Und tändelt mit der Unschuld süßer Liebe, So wie die alte Zeit; aber diesen Gang der Begebenheiten sollte nun ein Spiel der Empfindungen entfaltend begleiten, das nur über den Liebenden schwebt, und sich ihnen nicht recht aneignen will. Jene schlichten Sitten und der reiche Ausdruck einer Schwärmerey, die alle Gegenstände in ihre glühenden Farben taucht, konnten vermischt, aber nicht völlig verschmelzt werden, und man fühlt das Fremdartige und die Willkühr der Zusammenstellung. Zwar die Poesie ist die gemeinschaftliche Zunge aller Zeiten, Geschlechter, Alter und Sitten; und wenn sich die innre Regung in Gesang ausathmet, findet sie in einer höhern Region die Simplicität wieder, die ihr unter dem rednerischen Bemühen, sich in der gewöhnlichen Sprache vollständig mitzutheilen, verloren gegangen war. Die eben gerügte Mishelligkeit erstreckt sich also nicht auf die zahlreich eingestreueten Lieder. Hätte der Dichter den lyrischen Theil der Darstellung ganz auf sie versparen, und noch mehr eine Erzählung mit Gesang (eine Gattung, von der sich eben so wohl eine mannichfaltige Bearbeitung denken läßt, als von dem Schauspiele mit Gesang) daraus machen können, als schon geschehn ist, so hätte für den veränderten Punkt der Betrachtung gewiß alles an Wahrheit und Harmonie gewonnen. Allein auch wie es jetzt steht, fehlt es nicht an bestechenden
aus der Provence hat sich der Erzaͤhler eine zu schwere Aufgabe gemacht, die vielleicht nicht rein zu loͤsen war. Die Anlage ist einfaͤltig, Und taͤndelt mit der Unschuld suͤßer Liebe, So wie die alte Zeit; aber diesen Gang der Begebenheiten sollte nun ein Spiel der Empfindungen entfaltend begleiten, das nur uͤber den Liebenden schwebt, und sich ihnen nicht recht aneignen will. Jene schlichten Sitten und der reiche Ausdruck einer Schwaͤrmerey, die alle Gegenstaͤnde in ihre gluͤhenden Farben taucht, konnten vermischt, aber nicht voͤllig verschmelzt werden, und man fuͤhlt das Fremdartige und die Willkuͤhr der Zusammenstellung. Zwar die Poesie ist die gemeinschaftliche Zunge aller Zeiten, Geschlechter, Alter und Sitten; und wenn sich die innre Regung in Gesang ausathmet, findet sie in einer hoͤhern Region die Simplicitaͤt wieder, die ihr unter dem rednerischen Bemuͤhen, sich in der gewoͤhnlichen Sprache vollstaͤndig mitzutheilen, verloren gegangen war. Die eben geruͤgte Mishelligkeit erstreckt sich also nicht auf die zahlreich eingestreueten Lieder. Haͤtte der Dichter den lyrischen Theil der Darstellung ganz auf sie versparen, und noch mehr eine Erzaͤhlung mit Gesang (eine Gattung, von der sich eben so wohl eine mannichfaltige Bearbeitung denken laͤßt, als von dem Schauspiele mit Gesang) daraus machen koͤnnen, als schon geschehn ist, so haͤtte fuͤr den veraͤnderten Punkt der Betrachtung gewiß alles an Wahrheit und Harmonie gewonnen. Allein auch wie es jetzt steht, fehlt es nicht an bestechenden
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aus der Provence hat sich der Erzaͤhler eine zu schwere Aufgabe gemacht, die vielleicht nicht rein zu loͤsen war. Die Anlage ist einfaͤltig,
Und taͤndelt mit der Unschuld suͤßer Liebe,
So wie die alte Zeit;
aber diesen Gang der Begebenheiten sollte nun ein Spiel der Empfindungen entfaltend begleiten, das nur uͤber den Liebenden schwebt, und sich ihnen nicht recht aneignen will. Jene schlichten Sitten und der reiche Ausdruck einer Schwaͤrmerey, die alle Gegenstaͤnde in ihre gluͤhenden Farben taucht, konnten vermischt, aber nicht voͤllig verschmelzt werden, und man fuͤhlt das Fremdartige und die Willkuͤhr der Zusammenstellung. Zwar die Poesie ist die gemeinschaftliche Zunge aller Zeiten, Geschlechter, Alter und Sitten; und wenn sich die innre Regung in Gesang ausathmet, findet sie in einer hoͤhern Region die Simplicitaͤt wieder, die ihr unter dem rednerischen Bemuͤhen, sich in der gewoͤhnlichen Sprache vollstaͤndig mitzutheilen, verloren gegangen war. Die eben geruͤgte Mishelligkeit erstreckt sich also nicht auf die zahlreich eingestreueten Lieder. Haͤtte der Dichter den lyrischen Theil der Darstellung ganz auf sie versparen, und noch mehr eine Erzaͤhlung mit Gesang (eine Gattung, von der sich eben so wohl eine mannichfaltige Bearbeitung denken laͤßt, als von dem Schauspiele mit Gesang) daraus machen koͤnnen, als schon geschehn ist, so haͤtte fuͤr den veraͤnderten Punkt der Betrachtung gewiß alles an Wahrheit und Harmonie gewonnen. Allein auch wie es jetzt steht, fehlt es nicht an bestechenden
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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/183>, abgerufen am 21.11.2024.
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