Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.sie aber da fixiren wollen, wo die Kraft sie selbst verließ. Dieß ist umsonst: wer einmal thöricht, oder edel, sich bestrebt hat, in den Gang des menschlichen Geistes mit einzugreifen, muß mit fort, oder er ist nicht besser dran als ein Hund im Bratenwender, der die Pfoten nicht vorwärts setzen will. Das sicherste Mittel unverständlich oder vielmehr misverständlich zu seyn, ist, wenn man die Worte in ihrem ursprünglichen Sinne braucht; besonders Worte aus den alten Sprachen. Duclos bemerkt, es gebe wenig ausgezeichnete Werke, die nicht von Schriftstellern von Profession herrühren. Jn Frankreich wird dieser Stand seit langer Zeit mit Achtung anerkannt. Bey uns galt man ehedem weniger als nichts wenn man bloß Schriftsteller war. Noch jetzt regt sich dieß Vorurtheil hier und da, aber die Gewalt verehrter Beyspiele muß es immer mehr lähmen. Die Schriftstellerey ist, je nachdem man sie treibt, eine Jnfamie, eine Ausschweifung, eine Tagelöhnerey, ein Handwerk, eine Kunst, eine Wissenschaft und eine Tugend. Die Kantische Philosophie gleicht dem untergeschobnem Briefe, den Maria in Shakspeare's Was ihr wollt, dem Malvolio in den Weg legt. Nur mit dem Unterschiede, daß es in Deutschland zahllose philosophische Malvolios giebt, die nun die Kniegürtel sie aber da fixiren wollen, wo die Kraft sie selbst verließ. Dieß ist umsonst: wer einmal thoͤricht, oder edel, sich bestrebt hat, in den Gang des menschlichen Geistes mit einzugreifen, muß mit fort, oder er ist nicht besser dran als ein Hund im Bratenwender, der die Pfoten nicht vorwaͤrts setzen will. Das sicherste Mittel unverstaͤndlich oder vielmehr misverstaͤndlich zu seyn, ist, wenn man die Worte in ihrem urspruͤnglichen Sinne braucht; besonders Worte aus den alten Sprachen. Duclos bemerkt, es gebe wenig ausgezeichnete Werke, die nicht von Schriftstellern von Profession herruͤhren. Jn Frankreich wird dieser Stand seit langer Zeit mit Achtung anerkannt. Bey uns galt man ehedem weniger als nichts wenn man bloß Schriftsteller war. Noch jetzt regt sich dieß Vorurtheil hier und da, aber die Gewalt verehrter Beyspiele muß es immer mehr laͤhmen. Die Schriftstellerey ist, je nachdem man sie treibt, eine Jnfamie, eine Ausschweifung, eine Tageloͤhnerey, ein Handwerk, eine Kunst, eine Wissenschaft und eine Tugend. Die Kantische Philosophie gleicht dem untergeschobnem Briefe, den Maria in Shakspeare's Was ihr wollt, dem Malvolio in den Weg legt. Nur mit dem Unterschiede, daß es in Deutschland zahllose philosophische Malvolios giebt, die nun die Knieguͤrtel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0196" n="7"/> sie aber da fixiren wollen, wo die Kraft sie selbst verließ. Dieß ist umsonst: wer einmal thoͤricht, oder edel, sich bestrebt hat, in den Gang des menschlichen Geistes mit einzugreifen, muß mit fort, oder er ist nicht besser dran als ein Hund im Bratenwender, der die Pfoten nicht vorwaͤrts setzen will.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Das sicherste Mittel unverstaͤndlich oder vielmehr misverstaͤndlich zu seyn, ist, wenn man die Worte in ihrem urspruͤnglichen Sinne braucht; besonders Worte aus den alten Sprachen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Duclos bemerkt, es gebe wenig ausgezeichnete Werke, die nicht von Schriftstellern von Profession herruͤhren. Jn Frankreich wird dieser Stand seit langer Zeit mit Achtung anerkannt. Bey uns galt man ehedem weniger als nichts wenn man bloß Schriftsteller war. Noch jetzt regt sich dieß Vorurtheil hier und da, aber die Gewalt verehrter Beyspiele muß es immer mehr laͤhmen. Die Schriftstellerey ist, je nachdem man sie treibt, eine Jnfamie, eine Ausschweifung, eine Tageloͤhnerey, ein Handwerk, eine Kunst, eine Wissenschaft und eine Tugend.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Die Kantische Philosophie gleicht dem untergeschobnem Briefe, den Maria in Shakspeare's Was ihr wollt, dem Malvolio in den Weg legt. Nur mit dem Unterschiede, daß es in Deutschland zahllose philosophische Malvolios giebt, die nun die Knieguͤrtel<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0196]
sie aber da fixiren wollen, wo die Kraft sie selbst verließ. Dieß ist umsonst: wer einmal thoͤricht, oder edel, sich bestrebt hat, in den Gang des menschlichen Geistes mit einzugreifen, muß mit fort, oder er ist nicht besser dran als ein Hund im Bratenwender, der die Pfoten nicht vorwaͤrts setzen will.
Das sicherste Mittel unverstaͤndlich oder vielmehr misverstaͤndlich zu seyn, ist, wenn man die Worte in ihrem urspruͤnglichen Sinne braucht; besonders Worte aus den alten Sprachen.
Duclos bemerkt, es gebe wenig ausgezeichnete Werke, die nicht von Schriftstellern von Profession herruͤhren. Jn Frankreich wird dieser Stand seit langer Zeit mit Achtung anerkannt. Bey uns galt man ehedem weniger als nichts wenn man bloß Schriftsteller war. Noch jetzt regt sich dieß Vorurtheil hier und da, aber die Gewalt verehrter Beyspiele muß es immer mehr laͤhmen. Die Schriftstellerey ist, je nachdem man sie treibt, eine Jnfamie, eine Ausschweifung, eine Tageloͤhnerey, ein Handwerk, eine Kunst, eine Wissenschaft und eine Tugend.
Die Kantische Philosophie gleicht dem untergeschobnem Briefe, den Maria in Shakspeare's Was ihr wollt, dem Malvolio in den Weg legt. Nur mit dem Unterschiede, daß es in Deutschland zahllose philosophische Malvolios giebt, die nun die Knieguͤrtel
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