Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Die Deutschheit ist wohl darum ein Lieblingsgegenstand der Charakteriseurs, weil eine Nazion je weniger sie fertig, um so mehr ein Gegenstand der Kritik ist, und nicht der Historie. Die meisten Menschen sind, wie Leibnitzens mögliche Welten, nur gleichberechtigte Prätendenten der Existenz. Es giebt wenig Existenten. Folgendes scheinen nächst der vollendeten Darstellung des kritischen Jdealismus, die immer das Erste bleibt, die wichtigsten Desiderata der Philosophie zu seyn: eine materiale Logik, eine poetische Poetik, eine positive Politik, eine systematische Ethik, und eine praktische Historie. Witzige Einfälle sind die Sprüchwörter der gebildeten Menschen. Ein blühendes Mädchen ist das reizendste Symbol vom reinen guten Willen. Prüderie ist Prätension auf Unschuld, ohne Unschuld. Die Frauen müssen wohl prüde bleiben, so lange Männer sentimental, dumm und schlecht genug sind, ewige Unschuld und Mangel an Bildung von ihnen zu fodern. Denn Unschuld ist das Einzige, was Bildungslosigkeit adeln kann. Die Deutschheit ist wohl darum ein Lieblingsgegenstand der Charakteriseurs, weil eine Nazion je weniger sie fertig, um so mehr ein Gegenstand der Kritik ist, und nicht der Historie. Die meisten Menschen sind, wie Leibnitzens moͤgliche Welten, nur gleichberechtigte Praͤtendenten der Existenz. Es giebt wenig Existenten. Folgendes scheinen naͤchst der vollendeten Darstellung des kritischen Jdealismus, die immer das Erste bleibt, die wichtigsten Desiderata der Philosophie zu seyn: eine materiale Logik, eine poetische Poetik, eine positive Politik, eine systematische Ethik, und eine praktische Historie. Witzige Einfaͤlle sind die Spruͤchwoͤrter der gebildeten Menschen. Ein bluͤhendes Maͤdchen ist das reizendste Symbol vom reinen guten Willen. Pruͤderie ist Praͤtension auf Unschuld, ohne Unschuld. Die Frauen muͤssen wohl pruͤde bleiben, so lange Maͤnner sentimental, dumm und schlecht genug sind, ewige Unschuld und Mangel an Bildung von ihnen zu fodern. Denn Unschuld ist das Einzige, was Bildungslosigkeit adeln kann. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0199" n="10"/> <p>Die Deutschheit ist wohl darum ein Lieblingsgegenstand der Charakteriseurs, weil eine Nazion je weniger sie fertig, um so mehr ein Gegenstand der Kritik ist, und nicht der Historie.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Die meisten Menschen sind, wie Leibnitzens moͤgliche Welten, nur gleichberechtigte Praͤtendenten der Existenz. Es giebt wenig Existenten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Folgendes scheinen naͤchst der vollendeten Darstellung des kritischen Jdealismus, die immer das Erste bleibt, die wichtigsten Desiderata der Philosophie zu seyn: eine materiale Logik, eine poetische Poetik, eine positive Politik, eine systematische Ethik, und eine praktische Historie.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Witzige Einfaͤlle sind die Spruͤchwoͤrter der gebildeten Menschen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Ein bluͤhendes Maͤdchen ist das reizendste Symbol vom reinen guten Willen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Pruͤderie ist Praͤtension auf Unschuld, ohne Unschuld. Die Frauen muͤssen wohl pruͤde bleiben, so lange Maͤnner sentimental, dumm und schlecht genug sind, ewige Unschuld und Mangel an Bildung von ihnen zu fodern. Denn Unschuld ist das Einzige, was Bildungslosigkeit adeln kann.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [10/0199]
Die Deutschheit ist wohl darum ein Lieblingsgegenstand der Charakteriseurs, weil eine Nazion je weniger sie fertig, um so mehr ein Gegenstand der Kritik ist, und nicht der Historie.
Die meisten Menschen sind, wie Leibnitzens moͤgliche Welten, nur gleichberechtigte Praͤtendenten der Existenz. Es giebt wenig Existenten.
Folgendes scheinen naͤchst der vollendeten Darstellung des kritischen Jdealismus, die immer das Erste bleibt, die wichtigsten Desiderata der Philosophie zu seyn: eine materiale Logik, eine poetische Poetik, eine positive Politik, eine systematische Ethik, und eine praktische Historie.
Witzige Einfaͤlle sind die Spruͤchwoͤrter der gebildeten Menschen.
Ein bluͤhendes Maͤdchen ist das reizendste Symbol vom reinen guten Willen.
Pruͤderie ist Praͤtension auf Unschuld, ohne Unschuld. Die Frauen muͤssen wohl pruͤde bleiben, so lange Maͤnner sentimental, dumm und schlecht genug sind, ewige Unschuld und Mangel an Bildung von ihnen zu fodern. Denn Unschuld ist das Einzige, was Bildungslosigkeit adeln kann.
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