Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Man soll Witz haben, aber nicht haben wollen; sonst entsteht Witzeley, Alexandrinischer Styl in Witz. Es ist weit schwerer, andre zu veranlassen, daß sie gut reden, als selbst gut zu reden. Fast alle Ehen sind Konkubinate, Ehen an der linken Hand, oder vielmehr provisorische Versuche, und entfernte Annäherungen zu einer wirklichen Ehe, deren eigentliches Wesen, nicht nach den Paradoxen dieses oder jenes Systems, sondern nach allen geistlichen und weltlichen Rechten darin besteht, daß mehre Personen nur Eine werden sollen. Ein artiger Gedanke, dessen Realisirung jedoch viele und große Schwierigkeiten zu haben scheint. Schon darum sollte die Willkühr, die wohl ein Wort mitreden darf, wenn es darauf ankommt, ob einer ein Jndividuum für sich, oder nur der integrante Theil einer gemeinschaftlichen Personalität seyn will, hier so wenig als möglich beschränkt werden; und es läßt sich nicht absehen, was man gegen eine Ehe a quatre gründliches einwenden könnte. Wenn aber der Staat gar die misglückten Eheversuche mit Gewalt zusammenhalten will, so hindert er dadurch die Möglichkeit der Ehe selbst, die durch neue, vielleicht glücklichere Versuche befördert werden könnte. Der Cyniker dürfte eigentlich gar keine Sachen haben: denn alle Sachen die ein Mensch hat, haben ihn doch in gewissen Sinne wieder. Es kömmt also Man soll Witz haben, aber nicht haben wollen; sonst entsteht Witzeley, Alexandrinischer Styl in Witz. Es ist weit schwerer, andre zu veranlassen, daß sie gut reden, als selbst gut zu reden. Fast alle Ehen sind Konkubinate, Ehen an der linken Hand, oder vielmehr provisorische Versuche, und entfernte Annaͤherungen zu einer wirklichen Ehe, deren eigentliches Wesen, nicht nach den Paradoxen dieses oder jenes Systems, sondern nach allen geistlichen und weltlichen Rechten darin besteht, daß mehre Personen nur Eine werden sollen. Ein artiger Gedanke, dessen Realisirung jedoch viele und große Schwierigkeiten zu haben scheint. Schon darum sollte die Willkuͤhr, die wohl ein Wort mitreden darf, wenn es darauf ankommt, ob einer ein Jndividuum fuͤr sich, oder nur der integrante Theil einer gemeinschaftlichen Personalitaͤt seyn will, hier so wenig als moͤglich beschraͤnkt werden; und es laͤßt sich nicht absehen, was man gegen eine Ehe à quatre gruͤndliches einwenden koͤnnte. Wenn aber der Staat gar die misgluͤckten Eheversuche mit Gewalt zusammenhalten will, so hindert er dadurch die Moͤglichkeit der Ehe selbst, die durch neue, vielleicht gluͤcklichere Versuche befoͤrdert werden koͤnnte. Der Cyniker duͤrfte eigentlich gar keine Sachen haben: denn alle Sachen die ein Mensch hat, haben ihn doch in gewissen Sinne wieder. Es koͤmmt also <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0200" n="11"/> <p>Man soll Witz haben, aber nicht haben wollen; sonst entsteht Witzeley, Alexandrinischer Styl in Witz.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Es ist weit schwerer, andre zu veranlassen, daß sie gut reden, als selbst gut zu reden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Fast alle Ehen sind Konkubinate, Ehen an der linken Hand, oder vielmehr provisorische Versuche, und entfernte Annaͤherungen zu einer wirklichen Ehe, deren eigentliches Wesen, nicht nach den Paradoxen dieses oder jenes Systems, sondern nach allen geistlichen und weltlichen Rechten darin besteht, daß mehre Personen nur Eine werden sollen. Ein artiger Gedanke, dessen Realisirung jedoch viele und große Schwierigkeiten zu haben scheint. Schon darum sollte die Willkuͤhr, die wohl ein Wort mitreden darf, wenn es darauf ankommt, ob einer ein Jndividuum fuͤr sich, oder nur der integrante Theil einer gemeinschaftlichen Personalitaͤt seyn will, hier so wenig als moͤglich beschraͤnkt werden; und es laͤßt sich nicht absehen, was man gegen eine Ehe <foreign xml:lang="fr">à quatre</foreign> gruͤndliches einwenden koͤnnte. Wenn aber der Staat gar die misgluͤckten Eheversuche mit Gewalt zusammenhalten will, so hindert er dadurch die Moͤglichkeit der Ehe selbst, die durch neue, vielleicht gluͤcklichere Versuche befoͤrdert werden koͤnnte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Der Cyniker duͤrfte eigentlich gar keine Sachen haben: denn alle Sachen die ein Mensch hat, haben ihn doch in gewissen Sinne wieder. Es koͤmmt also<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [11/0200]
Man soll Witz haben, aber nicht haben wollen; sonst entsteht Witzeley, Alexandrinischer Styl in Witz.
Es ist weit schwerer, andre zu veranlassen, daß sie gut reden, als selbst gut zu reden.
Fast alle Ehen sind Konkubinate, Ehen an der linken Hand, oder vielmehr provisorische Versuche, und entfernte Annaͤherungen zu einer wirklichen Ehe, deren eigentliches Wesen, nicht nach den Paradoxen dieses oder jenes Systems, sondern nach allen geistlichen und weltlichen Rechten darin besteht, daß mehre Personen nur Eine werden sollen. Ein artiger Gedanke, dessen Realisirung jedoch viele und große Schwierigkeiten zu haben scheint. Schon darum sollte die Willkuͤhr, die wohl ein Wort mitreden darf, wenn es darauf ankommt, ob einer ein Jndividuum fuͤr sich, oder nur der integrante Theil einer gemeinschaftlichen Personalitaͤt seyn will, hier so wenig als moͤglich beschraͤnkt werden; und es laͤßt sich nicht absehen, was man gegen eine Ehe à quatre gruͤndliches einwenden koͤnnte. Wenn aber der Staat gar die misgluͤckten Eheversuche mit Gewalt zusammenhalten will, so hindert er dadurch die Moͤglichkeit der Ehe selbst, die durch neue, vielleicht gluͤcklichere Versuche befoͤrdert werden koͤnnte.
Der Cyniker duͤrfte eigentlich gar keine Sachen haben: denn alle Sachen die ein Mensch hat, haben ihn doch in gewissen Sinne wieder. Es koͤmmt also
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/200>, abgerufen am 16.02.2025. |