Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Hingebung ist der Ausdruck des Glaubens, und Genuß kann den Sinn beleben und schärfen, wenn auch nicht hervorbringen, wie die gemeine Meynung ist. Darum kann die Sinnlichkeit schlechte Menschen auf eine kurze Zeit täuschen, als könnten sie sich lieben. Es giebt Menschen, deren ganze Thätigkeit darin besteht, immer Nein zu sagen. Es wäre nichts kleines, immer recht Nein sagen zu können, aber wer weiter nichts kann, kann es gewiß nicht recht. Der Geschmack dieser Neganten ist eine tüchtige Schere, um die Extremitäten des Genies zu säubern; ihre Aufklärung eine große Lichtputze für die Flamme des Enthusiasmus; und ihre Vernunft ein gelindes Laxativ gegen unmäßige Lust und Liebe. Die Kritik ist das einzige Surrogat der von so manchen Philosophen vergeblich gesuchten und gleich unmöglichen moralischen Mathematik und Wissenschaft des Schicklichen. Der Gegenstand der Historie ist das Wirklichwerden alles dessen, was praktisch nothwendig ist. Die Logik ist weder die Vorrede, noch das Jnstrument, noch das Formular, noch eine Episode der Philosophie, sondern eine der Poetik und Ethik entgegengesetzte, und koordinirte pragmatische Wissenschaft, welche von der Forderung der positiven Wahrheit, Hingebung ist der Ausdruck des Glaubens, und Genuß kann den Sinn beleben und schaͤrfen, wenn auch nicht hervorbringen, wie die gemeine Meynung ist. Darum kann die Sinnlichkeit schlechte Menschen auf eine kurze Zeit taͤuschen, als koͤnnten sie sich lieben. Es giebt Menschen, deren ganze Thaͤtigkeit darin besteht, immer Nein zu sagen. Es waͤre nichts kleines, immer recht Nein sagen zu koͤnnen, aber wer weiter nichts kann, kann es gewiß nicht recht. Der Geschmack dieser Neganten ist eine tuͤchtige Schere, um die Extremitaͤten des Genies zu saͤubern; ihre Aufklaͤrung eine große Lichtputze fuͤr die Flamme des Enthusiasmus; und ihre Vernunft ein gelindes Laxativ gegen unmaͤßige Lust und Liebe. Die Kritik ist das einzige Surrogat der von so manchen Philosophen vergeblich gesuchten und gleich unmoͤglichen moralischen Mathematik und Wissenschaft des Schicklichen. Der Gegenstand der Historie ist das Wirklichwerden alles dessen, was praktisch nothwendig ist. Die Logik ist weder die Vorrede, noch das Jnstrument, noch das Formular, noch eine Episode der Philosophie, sondern eine der Poetik und Ethik entgegengesetzte, und koordinirte pragmatische Wissenschaft, welche von der Forderung der positiven Wahrheit, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0212" n="23"/> Hingebung ist der Ausdruck des Glaubens, und Genuß kann den Sinn beleben und schaͤrfen, wenn auch nicht hervorbringen, wie die gemeine Meynung ist. Darum kann die Sinnlichkeit schlechte Menschen auf eine kurze Zeit taͤuschen, als koͤnnten sie sich lieben.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Es giebt Menschen, deren ganze Thaͤtigkeit darin besteht, immer Nein zu sagen. Es waͤre nichts kleines, immer recht Nein sagen zu koͤnnen, aber wer weiter nichts kann, kann es gewiß nicht recht. Der Geschmack dieser Neganten ist eine tuͤchtige Schere, um die Extremitaͤten des Genies zu saͤubern; ihre Aufklaͤrung eine große Lichtputze fuͤr die Flamme des Enthusiasmus; und ihre Vernunft ein gelindes Laxativ gegen unmaͤßige Lust und Liebe.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Die Kritik ist das einzige Surrogat der von so manchen Philosophen vergeblich gesuchten und gleich unmoͤglichen moralischen Mathematik und Wissenschaft des Schicklichen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Der Gegenstand der Historie ist das Wirklichwerden alles dessen, was praktisch nothwendig ist.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Die Logik ist weder die Vorrede, noch das Jnstrument, noch das Formular, noch eine Episode der Philosophie, sondern eine der Poetik und Ethik entgegengesetzte, und koordinirte pragmatische Wissenschaft, welche von der Forderung der positiven Wahrheit,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [23/0212]
Hingebung ist der Ausdruck des Glaubens, und Genuß kann den Sinn beleben und schaͤrfen, wenn auch nicht hervorbringen, wie die gemeine Meynung ist. Darum kann die Sinnlichkeit schlechte Menschen auf eine kurze Zeit taͤuschen, als koͤnnten sie sich lieben.
Es giebt Menschen, deren ganze Thaͤtigkeit darin besteht, immer Nein zu sagen. Es waͤre nichts kleines, immer recht Nein sagen zu koͤnnen, aber wer weiter nichts kann, kann es gewiß nicht recht. Der Geschmack dieser Neganten ist eine tuͤchtige Schere, um die Extremitaͤten des Genies zu saͤubern; ihre Aufklaͤrung eine große Lichtputze fuͤr die Flamme des Enthusiasmus; und ihre Vernunft ein gelindes Laxativ gegen unmaͤßige Lust und Liebe.
Die Kritik ist das einzige Surrogat der von so manchen Philosophen vergeblich gesuchten und gleich unmoͤglichen moralischen Mathematik und Wissenschaft des Schicklichen.
Der Gegenstand der Historie ist das Wirklichwerden alles dessen, was praktisch nothwendig ist.
Die Logik ist weder die Vorrede, noch das Jnstrument, noch das Formular, noch eine Episode der Philosophie, sondern eine der Poetik und Ethik entgegengesetzte, und koordinirte pragmatische Wissenschaft, welche von der Forderung der positiven Wahrheit,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |