Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Vermischungen und Zersetzungen unzerstörbar ächt wieder hervor. Will die goldne Zeit nicht ewig fortgehend beharren, so mag sie lieber gar nicht anheben, so taugt sie nur zu Elegien über ihren Verlust. Die Komödien des Aristophanes sind Kunstwerke, die sich von allen Seiten sehen lassen. Gozzi's Dramen haben einen Gesichtspunkt. Ein Gedicht oder ein Drama, welches der Menge gefallen soll, muß ein wenig von allem haben, eine Art Mikrokosmus seyn. Ein wenig Unglück und ein wenig Glück, etwas Kunst, und etwas Natur, die gehörige Quantität Tugend und eine gewisse Dosis Laster. Auch Geist muß drin seyn nebst Witz, ja sogar Philosophie, und vorzüglich Moral, auch Politik mitunter. Hilft ein Jngrediens nicht, so kann vielleicht das andre helfen. Und gesetzt auch, das Ganze könnte nicht helfen, so könnte es doch auch, wie manche darum immer zu lobende Medizin, wenigstens nicht schaden. Magie, Karikatur, und Materialität sind die Mittel durch welche die moderne Komödie der alten Aristophanischen im Jnnern, wie durch demagogische Popularität im Äußern, ähnlich werden kann, und im Gozzi bis zur Erinnerung geworden ist. Das Wesen der komischen Kunst aber bleibt immer der enthusiastische Geist und die klassische Form. Vermischungen und Zersetzungen unzerstoͤrbar aͤcht wieder hervor. Will die goldne Zeit nicht ewig fortgehend beharren, so mag sie lieber gar nicht anheben, so taugt sie nur zu Elegien uͤber ihren Verlust. Die Komoͤdien des Aristophanes sind Kunstwerke, die sich von allen Seiten sehen lassen. Gozzi's Dramen haben einen Gesichtspunkt. Ein Gedicht oder ein Drama, welches der Menge gefallen soll, muß ein wenig von allem haben, eine Art Mikrokosmus seyn. Ein wenig Ungluͤck und ein wenig Gluͤck, etwas Kunst, und etwas Natur, die gehoͤrige Quantitaͤt Tugend und eine gewisse Dosis Laster. Auch Geist muß drin seyn nebst Witz, ja sogar Philosophie, und vorzuͤglich Moral, auch Politik mitunter. Hilft ein Jngrediens nicht, so kann vielleicht das andre helfen. Und gesetzt auch, das Ganze koͤnnte nicht helfen, so koͤnnte es doch auch, wie manche darum immer zu lobende Medizin, wenigstens nicht schaden. Magie, Karikatur, und Materialitaͤt sind die Mittel durch welche die moderne Komoͤdie der alten Aristophanischen im Jnnern, wie durch demagogische Popularitaͤt im Äußern, aͤhnlich werden kann, und im Gozzi bis zur Erinnerung geworden ist. Das Wesen der komischen Kunst aber bleibt immer der enthusiastische Geist und die klassische Form. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0256" n="67"/> Vermischungen und Zersetzungen unzerstoͤrbar aͤcht wieder hervor. Will die goldne Zeit nicht ewig fortgehend beharren, so mag sie lieber gar nicht anheben, so taugt sie nur zu Elegien uͤber ihren Verlust.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Die Komoͤdien des Aristophanes sind Kunstwerke, die sich von allen Seiten sehen lassen. Gozzi's Dramen haben einen Gesichtspunkt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Ein Gedicht oder ein Drama, welches der Menge gefallen soll, muß ein wenig von allem haben, eine Art Mikrokosmus seyn. Ein wenig Ungluͤck und ein wenig Gluͤck, etwas Kunst, und etwas Natur, die gehoͤrige Quantitaͤt Tugend und eine gewisse Dosis Laster. Auch Geist muß drin seyn nebst Witz, ja sogar Philosophie, und vorzuͤglich Moral, auch Politik mitunter. Hilft ein Jngrediens nicht, so kann vielleicht das andre helfen. Und gesetzt auch, das Ganze koͤnnte nicht helfen, so koͤnnte es doch auch, wie manche darum immer zu lobende Medizin, wenigstens nicht schaden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Magie, Karikatur, und Materialitaͤt sind die Mittel durch welche die moderne Komoͤdie der alten Aristophanischen im Jnnern, wie durch demagogische Popularitaͤt im Äußern, aͤhnlich werden kann, und im Gozzi bis zur Erinnerung geworden ist. Das Wesen der komischen Kunst aber bleibt immer der enthusiastische Geist und die klassische Form.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [67/0256]
Vermischungen und Zersetzungen unzerstoͤrbar aͤcht wieder hervor. Will die goldne Zeit nicht ewig fortgehend beharren, so mag sie lieber gar nicht anheben, so taugt sie nur zu Elegien uͤber ihren Verlust.
Die Komoͤdien des Aristophanes sind Kunstwerke, die sich von allen Seiten sehen lassen. Gozzi's Dramen haben einen Gesichtspunkt.
Ein Gedicht oder ein Drama, welches der Menge gefallen soll, muß ein wenig von allem haben, eine Art Mikrokosmus seyn. Ein wenig Ungluͤck und ein wenig Gluͤck, etwas Kunst, und etwas Natur, die gehoͤrige Quantitaͤt Tugend und eine gewisse Dosis Laster. Auch Geist muß drin seyn nebst Witz, ja sogar Philosophie, und vorzuͤglich Moral, auch Politik mitunter. Hilft ein Jngrediens nicht, so kann vielleicht das andre helfen. Und gesetzt auch, das Ganze koͤnnte nicht helfen, so koͤnnte es doch auch, wie manche darum immer zu lobende Medizin, wenigstens nicht schaden.
Magie, Karikatur, und Materialitaͤt sind die Mittel durch welche die moderne Komoͤdie der alten Aristophanischen im Jnnern, wie durch demagogische Popularitaͤt im Äußern, aͤhnlich werden kann, und im Gozzi bis zur Erinnerung geworden ist. Das Wesen der komischen Kunst aber bleibt immer der enthusiastische Geist und die klassische Form.
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