Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

ist ernsthaft; ihre ganze schöne Litteratur ist ernsthaft. Jst das Lustige bey dieser Nazion immer nur unbewußt und unwillkührlich?



Alle Poesie, die auf einen Effekt geht, und alle Musik die der ekzentrischen Poesie in ihren komischen oder tragischen Ausschweifungen und Übertreibungen folgen will, um zu wirken und sich zu zeigen, ist rhetorisch.



A. Fragmente, sagen Sie, wären die eigentliche Form der Universalphilosophie. An der Form liegt nichts. Was können aber solche Fragmente für die größeste und ernsthafteste Angelegenheit der Menschheit, für die Vervollkommung der Wissenschaft, leisten und seyn? -- B. Nichts als ein Lessingsches Salz gegen die geistige Fäulniß, vielleicht eine cynische lanx fatura im Styl des alten Lucilius oder Horaz, oder gar fermenta cognitionis zur kritischen Philosophie, Randglossen zu dem Text des Zeitalters.



Wieland hat gemeynt, seine beynah ein halbes Jahrhundert umfassende Laufbahn habe mit der Morgenröthe unsrer Litteratur angefangen, und endige mit ihrem Untergange. Ein recht offenes Geständniß eines natürlichen optischen Betrugs.



Wie das Lebensmotto des poetischen Vagabunden in Claudine von Villabella "Toll aber klug" auch der Charakter manches Werks des Genies ist: so

ist ernsthaft; ihre ganze schoͤne Litteratur ist ernsthaft. Jst das Lustige bey dieser Nazion immer nur unbewußt und unwillkuͤhrlich?



Alle Poesie, die auf einen Effekt geht, und alle Musik die der ekzentrischen Poesie in ihren komischen oder tragischen Ausschweifungen und Übertreibungen folgen will, um zu wirken und sich zu zeigen, ist rhetorisch.



A. Fragmente, sagen Sie, waͤren die eigentliche Form der Universalphilosophie. An der Form liegt nichts. Was koͤnnen aber solche Fragmente fuͤr die groͤßeste und ernsthafteste Angelegenheit der Menschheit, fuͤr die Vervollkommung der Wissenschaft, leisten und seyn? — B. Nichts als ein Lessingsches Salz gegen die geistige Faͤulniß, vielleicht eine cynische lanx fatura im Styl des alten Lucilius oder Horaz, oder gar fermenta cognitionis zur kritischen Philosophie, Randglossen zu dem Text des Zeitalters.



Wieland hat gemeynt, seine beynah ein halbes Jahrhundert umfassende Laufbahn habe mit der Morgenroͤthe unsrer Litteratur angefangen, und endige mit ihrem Untergange. Ein recht offenes Gestaͤndniß eines natuͤrlichen optischen Betrugs.



Wie das Lebensmotto des poetischen Vagabunden in Claudine von Villabella „Toll aber klug“ auch der Charakter manches Werks des Genies ist: so

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0261" n="72"/>
ist ernsthaft; ihre ganze scho&#x0364;ne Litteratur ist ernsthaft. Jst das Lustige bey dieser Nazion immer nur unbewußt und unwillku&#x0364;hrlich?</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Alle Poesie, die auf einen Effekt geht, und alle Musik die der ekzentrischen Poesie in ihren komischen oder tragischen Ausschweifungen und Übertreibungen folgen will, um zu wirken und sich zu zeigen, ist rhetorisch.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>A. Fragmente, sagen Sie, wa&#x0364;ren die eigentliche Form der Universalphilosophie. An der Form liegt nichts. Was ko&#x0364;nnen aber solche Fragmente fu&#x0364;r die gro&#x0364;ßeste und ernsthafteste Angelegenheit der Menschheit, fu&#x0364;r die Vervollkommung der Wissenschaft, leisten und seyn? &#x2014; B. Nichts als ein Lessingsches Salz gegen die geistige Fa&#x0364;ulniß, vielleicht eine cynische <foreign xml:lang="la">lanx fatura</foreign> im Styl des alten Lucilius oder Horaz, oder gar <foreign xml:lang="la">fermenta cognitionis</foreign> zur kritischen Philosophie, Randglossen zu dem Text des Zeitalters.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Wieland hat gemeynt, seine beynah ein halbes Jahrhundert umfassende Laufbahn habe mit der Morgenro&#x0364;the unsrer Litteratur angefangen, und endige mit ihrem Untergange. Ein recht offenes Gesta&#x0364;ndniß eines natu&#x0364;rlichen optischen Betrugs.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Wie das Lebensmotto des poetischen Vagabunden in Claudine von Villabella &#x201E;Toll aber klug&#x201C; auch der Charakter manches Werks des Genies ist: so<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0261] ist ernsthaft; ihre ganze schoͤne Litteratur ist ernsthaft. Jst das Lustige bey dieser Nazion immer nur unbewußt und unwillkuͤhrlich? Alle Poesie, die auf einen Effekt geht, und alle Musik die der ekzentrischen Poesie in ihren komischen oder tragischen Ausschweifungen und Übertreibungen folgen will, um zu wirken und sich zu zeigen, ist rhetorisch. A. Fragmente, sagen Sie, waͤren die eigentliche Form der Universalphilosophie. An der Form liegt nichts. Was koͤnnen aber solche Fragmente fuͤr die groͤßeste und ernsthafteste Angelegenheit der Menschheit, fuͤr die Vervollkommung der Wissenschaft, leisten und seyn? — B. Nichts als ein Lessingsches Salz gegen die geistige Faͤulniß, vielleicht eine cynische lanx fatura im Styl des alten Lucilius oder Horaz, oder gar fermenta cognitionis zur kritischen Philosophie, Randglossen zu dem Text des Zeitalters. Wieland hat gemeynt, seine beynah ein halbes Jahrhundert umfassende Laufbahn habe mit der Morgenroͤthe unsrer Litteratur angefangen, und endige mit ihrem Untergange. Ein recht offenes Gestaͤndniß eines natuͤrlichen optischen Betrugs. Wie das Lebensmotto des poetischen Vagabunden in Claudine von Villabella „Toll aber klug“ auch der Charakter manches Werks des Genies ist: so

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/261
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/261>, abgerufen am 22.11.2024.