Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.gemeine Form zu finden. So können Notizen und Urtheile mitgetheilt werden, ohne auf Jdeen hinzudeuten und Empfindungen zu profaniren; und die Heiligkeit des Gemüths kann bewahrt werden, ohne irgend einem zu versagen, was ihm auch nur entfernt gebührt. Wer es dahin gebracht hätte, könnte für jeden offen seyn, nach dem Maß, welches ihm zukommt. Jeder würde glauben, ihn zu haben und zu kennen, und nur der, der ihm gleich wäre, oder dem er es gäbe, würde ihn wirklich besitzen. Arrogant ist, wer Sinn und Karakter zugleich hat, und sich dann und wann merken läßt, daß diese Verbindung gut und nützlich sey. Wer beydes auch von den Weibern fodert, ist ein Weiberfeind. Nur die äußerlich bildende und schaffende Kraft des Menschen ist veränderlich und hat ihre Jahreszeiten. Verändrung ist nur ein Wort für die physische Welt. Das Jch verliert nichts, und in ihm geht nichts unter; es wohnt mit allem, was ihm angehört, seinen Gedanken und Gefühlen, in der Burgfreyheit der Unvergänglichkeit. Verloren gehn kann nur das, was bald hierhin bald dorthin gelegt wird. Jm Jch bildet sich alles organisch, und alles hat seine Stelle. Was du verlieren kannst, hat dir noch nie angehört. Das gilt bis auf einzelne Gedanken. Sinn der sich selbst sieht, wird Geist; Geist ist innre Geselligkeit, Seele ist verborgene Liebenswürdigkeit gemeine Form zu finden. So koͤnnen Notizen und Urtheile mitgetheilt werden, ohne auf Jdeen hinzudeuten und Empfindungen zu profaniren; und die Heiligkeit des Gemuͤths kann bewahrt werden, ohne irgend einem zu versagen, was ihm auch nur entfernt gebuͤhrt. Wer es dahin gebracht haͤtte, koͤnnte fuͤr jeden offen seyn, nach dem Maß, welches ihm zukommt. Jeder wuͤrde glauben, ihn zu haben und zu kennen, und nur der, der ihm gleich waͤre, oder dem er es gaͤbe, wuͤrde ihn wirklich besitzen. Arrogant ist, wer Sinn und Karakter zugleich hat, und sich dann und wann merken laͤßt, daß diese Verbindung gut und nuͤtzlich sey. Wer beydes auch von den Weibern fodert, ist ein Weiberfeind. Nur die aͤußerlich bildende und schaffende Kraft des Menschen ist veraͤnderlich und hat ihre Jahreszeiten. Veraͤndrung ist nur ein Wort fuͤr die physische Welt. Das Jch verliert nichts, und in ihm geht nichts unter; es wohnt mit allem, was ihm angehoͤrt, seinen Gedanken und Gefuͤhlen, in der Burgfreyheit der Unvergaͤnglichkeit. Verloren gehn kann nur das, was bald hierhin bald dorthin gelegt wird. Jm Jch bildet sich alles organisch, und alles hat seine Stelle. Was du verlieren kannst, hat dir noch nie angehoͤrt. Das gilt bis auf einzelne Gedanken. Sinn der sich selbst sieht, wird Geist; Geist ist innre Geselligkeit, Seele ist verborgene Liebenswuͤrdigkeit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0288" n="99"/> gemeine Form zu finden. So koͤnnen Notizen und Urtheile mitgetheilt werden, ohne auf Jdeen hinzudeuten und Empfindungen zu profaniren; und die Heiligkeit des Gemuͤths kann bewahrt werden, ohne irgend einem zu versagen, was ihm auch nur entfernt gebuͤhrt. Wer es dahin gebracht haͤtte, koͤnnte fuͤr jeden offen seyn, nach dem Maß, welches ihm zukommt. Jeder wuͤrde glauben, ihn zu haben und zu kennen, und nur der, der ihm gleich waͤre, oder dem er es gaͤbe, wuͤrde ihn wirklich besitzen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Arrogant ist, wer Sinn und Karakter zugleich hat, und sich dann und wann merken laͤßt, daß diese Verbindung gut und nuͤtzlich sey. Wer beydes auch von den Weibern fodert, ist ein Weiberfeind.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Nur die aͤußerlich bildende und schaffende Kraft des Menschen ist veraͤnderlich und hat ihre Jahreszeiten. Veraͤndrung ist nur ein Wort fuͤr die physische Welt. Das Jch verliert nichts, und in ihm geht nichts unter; es wohnt mit allem, was ihm angehoͤrt, seinen Gedanken und Gefuͤhlen, in der Burgfreyheit der Unvergaͤnglichkeit. Verloren gehn kann nur das, was bald hierhin bald dorthin gelegt wird. Jm Jch bildet sich alles organisch, und alles hat seine Stelle. Was du verlieren kannst, hat dir noch nie angehoͤrt. Das gilt bis auf einzelne Gedanken.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Sinn der sich selbst sieht, wird Geist; Geist ist innre Geselligkeit, Seele ist verborgene Liebenswuͤrdigkeit<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [99/0288]
gemeine Form zu finden. So koͤnnen Notizen und Urtheile mitgetheilt werden, ohne auf Jdeen hinzudeuten und Empfindungen zu profaniren; und die Heiligkeit des Gemuͤths kann bewahrt werden, ohne irgend einem zu versagen, was ihm auch nur entfernt gebuͤhrt. Wer es dahin gebracht haͤtte, koͤnnte fuͤr jeden offen seyn, nach dem Maß, welches ihm zukommt. Jeder wuͤrde glauben, ihn zu haben und zu kennen, und nur der, der ihm gleich waͤre, oder dem er es gaͤbe, wuͤrde ihn wirklich besitzen.
Arrogant ist, wer Sinn und Karakter zugleich hat, und sich dann und wann merken laͤßt, daß diese Verbindung gut und nuͤtzlich sey. Wer beydes auch von den Weibern fodert, ist ein Weiberfeind.
Nur die aͤußerlich bildende und schaffende Kraft des Menschen ist veraͤnderlich und hat ihre Jahreszeiten. Veraͤndrung ist nur ein Wort fuͤr die physische Welt. Das Jch verliert nichts, und in ihm geht nichts unter; es wohnt mit allem, was ihm angehoͤrt, seinen Gedanken und Gefuͤhlen, in der Burgfreyheit der Unvergaͤnglichkeit. Verloren gehn kann nur das, was bald hierhin bald dorthin gelegt wird. Jm Jch bildet sich alles organisch, und alles hat seine Stelle. Was du verlieren kannst, hat dir noch nie angehoͤrt. Das gilt bis auf einzelne Gedanken.
Sinn der sich selbst sieht, wird Geist; Geist ist innre Geselligkeit, Seele ist verborgene Liebenswuͤrdigkeit
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