Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

leichter gebaut, obgleich nicht weniger grotesk. Es fehlt der Litteratur nicht an chinesischen Gartenhäusern. So zum Beyspiel die Engländische Kritik, die doch nichts enthält, als eine Anwendung der Philosophie des gesunden Menschenverstandes, die selbst nur eine Versetzung der Naturphilosophie und Kunstphilosophie ist, auf die Poesie ohne Sinn für die Poesie. Denn von Sinn für die Poesie findet sich in Harris Home und Johnson, den Koryphäen der Gattung, auch nicht die schamhafteste Andeutung.



Es giebt rechtliche und angenehme Leute, die den Menschen und das Leben so betrachten und besprechen, als ob von der besten Schafzucht oder vom Kaufen und Verkaufen der Güter die Rede wäre. Es sind die Oekonomen der Moral, und eigentlich behält wohl alle Moral ohne Philosophie auch bey großer Welt und hoher Poesie immer einen gewissen illiberalen und ökonomischen Anstrich. Einige Oekonomen bauen gern, andre flicken lieber, andre müssen immer etwas bringen, andre treiben, andre versuchen alles, und halten sich überall an, andre legen immer zurecht und machen Fächer, andre sehen zu und machen nach. Alle Nachahmer in der Poesie und Philosophie sind eigentlich verlaufne Oekonomen. Jeder Mensch hat seinen ökonomischen Jnstinkt, der gebildet werden muß, so gut wie auch die Orthographie und die Metrik gelernt zu werden verdienen. Aber es giebt ökonomische Schwärmer und Pantheisten,

leichter gebaut, obgleich nicht weniger grotesk. Es fehlt der Litteratur nicht an chinesischen Gartenhaͤusern. So zum Beyspiel die Englaͤndische Kritik, die doch nichts enthaͤlt, als eine Anwendung der Philosophie des gesunden Menschenverstandes, die selbst nur eine Versetzung der Naturphilosophie und Kunstphilosophie ist, auf die Poesie ohne Sinn fuͤr die Poesie. Denn von Sinn fuͤr die Poesie findet sich in Harris Home und Johnson, den Koryphaͤen der Gattung, auch nicht die schamhafteste Andeutung.



Es giebt rechtliche und angenehme Leute, die den Menschen und das Leben so betrachten und besprechen, als ob von der besten Schafzucht oder vom Kaufen und Verkaufen der Guͤter die Rede waͤre. Es sind die Oekonomen der Moral, und eigentlich behaͤlt wohl alle Moral ohne Philosophie auch bey großer Welt und hoher Poesie immer einen gewissen illiberalen und oͤkonomischen Anstrich. Einige Oekonomen bauen gern, andre flicken lieber, andre muͤssen immer etwas bringen, andre treiben, andre versuchen alles, und halten sich uͤberall an, andre legen immer zurecht und machen Faͤcher, andre sehen zu und machen nach. Alle Nachahmer in der Poesie und Philosophie sind eigentlich verlaufne Oekonomen. Jeder Mensch hat seinen oͤkonomischen Jnstinkt, der gebildet werden muß, so gut wie auch die Orthographie und die Metrik gelernt zu werden verdienen. Aber es giebt oͤkonomische Schwaͤrmer und Pantheisten,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0309" n="120"/>
leichter gebaut, obgleich nicht weniger grotesk. Es fehlt der Litteratur nicht an chinesischen Gartenha&#x0364;usern. So zum Beyspiel die Engla&#x0364;ndische Kritik, die doch nichts entha&#x0364;lt, als eine Anwendung der Philosophie des gesunden Menschenverstandes, die selbst nur eine Versetzung der Naturphilosophie und Kunstphilosophie ist, auf die Poesie ohne Sinn fu&#x0364;r die Poesie. Denn von Sinn fu&#x0364;r die Poesie findet sich in Harris Home und Johnson, den Korypha&#x0364;en der Gattung, auch nicht die schamhafteste Andeutung.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Es giebt rechtliche und angenehme Leute, die den Menschen und das Leben so betrachten und besprechen, als ob von der besten Schafzucht oder vom Kaufen und Verkaufen der Gu&#x0364;ter die Rede wa&#x0364;re. Es sind die Oekonomen der Moral, und eigentlich beha&#x0364;lt wohl alle Moral ohne Philosophie auch bey großer Welt und hoher Poesie immer einen gewissen illiberalen und o&#x0364;konomischen Anstrich. Einige Oekonomen bauen gern, andre flicken lieber, andre mu&#x0364;ssen immer etwas bringen, andre treiben, andre versuchen alles, und halten sich u&#x0364;berall an, andre legen immer zurecht und machen Fa&#x0364;cher, andre sehen zu und machen nach. Alle Nachahmer in der Poesie und Philosophie sind eigentlich verlaufne Oekonomen. Jeder Mensch hat seinen o&#x0364;konomischen Jnstinkt, der gebildet werden muß, so gut wie auch die Orthographie und die Metrik gelernt zu werden verdienen. Aber es giebt o&#x0364;konomische Schwa&#x0364;rmer und Pantheisten,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0309] leichter gebaut, obgleich nicht weniger grotesk. Es fehlt der Litteratur nicht an chinesischen Gartenhaͤusern. So zum Beyspiel die Englaͤndische Kritik, die doch nichts enthaͤlt, als eine Anwendung der Philosophie des gesunden Menschenverstandes, die selbst nur eine Versetzung der Naturphilosophie und Kunstphilosophie ist, auf die Poesie ohne Sinn fuͤr die Poesie. Denn von Sinn fuͤr die Poesie findet sich in Harris Home und Johnson, den Koryphaͤen der Gattung, auch nicht die schamhafteste Andeutung. Es giebt rechtliche und angenehme Leute, die den Menschen und das Leben so betrachten und besprechen, als ob von der besten Schafzucht oder vom Kaufen und Verkaufen der Guͤter die Rede waͤre. Es sind die Oekonomen der Moral, und eigentlich behaͤlt wohl alle Moral ohne Philosophie auch bey großer Welt und hoher Poesie immer einen gewissen illiberalen und oͤkonomischen Anstrich. Einige Oekonomen bauen gern, andre flicken lieber, andre muͤssen immer etwas bringen, andre treiben, andre versuchen alles, und halten sich uͤberall an, andre legen immer zurecht und machen Faͤcher, andre sehen zu und machen nach. Alle Nachahmer in der Poesie und Philosophie sind eigentlich verlaufne Oekonomen. Jeder Mensch hat seinen oͤkonomischen Jnstinkt, der gebildet werden muß, so gut wie auch die Orthographie und die Metrik gelernt zu werden verdienen. Aber es giebt oͤkonomische Schwaͤrmer und Pantheisten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/309
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/309>, abgerufen am 22.11.2024.