Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Der große Haufen liebt Friedrich Richters Romane vielleicht nur wegen der anscheinenden Abentheuerlichkeit. Überhaupt interessirt er wohl auf die verschiedenste Art und aus ganz entgegengesetzten Ursachen. Während der gebildete Oekonom edle Thränen in Menge bey ihm weint, und der strenge Künstler ihn als das blutrothe Himmelszeichen der vollendeten Unpoesie der Nazion und des Zeitalters haßt, kann sich der Mensch von universeller Tendenz an den grotesken Porzellanfiguren seines wie Reichstruppen zusammengetrommelten Bilderwitzes ergötzen, oder die Willkührlichkeit in ihm vergöttern. Ein eignes Phänomen ist es; ein Autor, der die Anfangsgründe der Kunst nicht in der Gewalt hat, nicht ein Bonmot rein ausdrücken, nicht eine Geschichte gut erzählen kann, nur so was man gewöhnlich gut erzählen nennt, und dem man doch schon um eines solchen humoristischen Dithyrambus willen, wie der Adamsbrief des trotzigen, kernigen, prallen, herrlichen Leibgeber, den Namen eines großen Dichters nicht ohne Ungerechtigkeit absprechen dürfte. Wenn seine Werke auch nicht übermäßig viel Bildung enthalten, so sind sie doch gebildet: das Ganze ist wie das Einzelne und umgekehrt, kurz, er ist fertig. Es ist ein großer Vorzug des Siebenkäs, daß die Ausführung und Darstellung darin noch am besten ist; ein weit größerer, daß so wenig Engländer darin sind. Freylich sind seine Engländer am Ende auch Deutsche, nur in idyllischen Verhältnissen und mit sentimentalen Namen: indessen haben sie immer eine starke Aehnlichkeit Der große Haufen liebt Friedrich Richters Romane vielleicht nur wegen der anscheinenden Abentheuerlichkeit. Überhaupt interessirt er wohl auf die verschiedenste Art und aus ganz entgegengesetzten Ursachen. Waͤhrend der gebildete Oekonom edle Thraͤnen in Menge bey ihm weint, und der strenge Kuͤnstler ihn als das blutrothe Himmelszeichen der vollendeten Unpoesie der Nazion und des Zeitalters haßt, kann sich der Mensch von universeller Tendenz an den grotesken Porzellanfiguren seines wie Reichstruppen zusammengetrommelten Bilderwitzes ergoͤtzen, oder die Willkuͤhrlichkeit in ihm vergoͤttern. Ein eignes Phaͤnomen ist es; ein Autor, der die Anfangsgruͤnde der Kunst nicht in der Gewalt hat, nicht ein Bonmot rein ausdruͤcken, nicht eine Geschichte gut erzaͤhlen kann, nur so was man gewoͤhnlich gut erzaͤhlen nennt, und dem man doch schon um eines solchen humoristischen Dithyrambus willen, wie der Adamsbrief des trotzigen, kernigen, prallen, herrlichen Leibgeber, den Namen eines großen Dichters nicht ohne Ungerechtigkeit absprechen duͤrfte. Wenn seine Werke auch nicht uͤbermaͤßig viel Bildung enthalten, so sind sie doch gebildet: das Ganze ist wie das Einzelne und umgekehrt, kurz, er ist fertig. Es ist ein großer Vorzug des Siebenkaͤs, daß die Ausfuͤhrung und Darstellung darin noch am besten ist; ein weit groͤßerer, daß so wenig Englaͤnder darin sind. Freylich sind seine Englaͤnder am Ende auch Deutsche, nur in idyllischen Verhaͤltnissen und mit sentimentalen Namen: indessen haben sie immer eine starke Aehnlichkeit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0320" n="131"/> <p>Der große Haufen liebt Friedrich Richters Romane vielleicht nur wegen der anscheinenden Abentheuerlichkeit. Überhaupt interessirt er wohl auf die verschiedenste Art und aus ganz entgegengesetzten Ursachen. Waͤhrend der gebildete Oekonom edle Thraͤnen in Menge bey ihm weint, und der strenge Kuͤnstler ihn als das blutrothe Himmelszeichen der vollendeten Unpoesie der Nazion und des Zeitalters haßt, kann sich der Mensch von universeller Tendenz an den grotesken Porzellanfiguren seines wie Reichstruppen zusammengetrommelten Bilderwitzes ergoͤtzen, oder die Willkuͤhrlichkeit in ihm vergoͤttern. Ein eignes Phaͤnomen ist es; ein Autor, der die Anfangsgruͤnde der Kunst nicht in der Gewalt hat, nicht ein Bonmot rein ausdruͤcken, nicht eine Geschichte gut erzaͤhlen kann, nur so was man gewoͤhnlich gut erzaͤhlen nennt, und dem man doch schon um eines solchen humoristischen Dithyrambus willen, wie der Adamsbrief des trotzigen, kernigen, prallen, herrlichen Leibgeber, den Namen eines großen Dichters nicht ohne Ungerechtigkeit absprechen duͤrfte. Wenn seine Werke auch nicht uͤbermaͤßig viel Bildung enthalten, so sind sie doch gebildet: das Ganze ist wie das Einzelne und umgekehrt, kurz, er ist fertig. Es ist ein großer Vorzug des Siebenkaͤs, daß die Ausfuͤhrung und Darstellung darin noch am besten ist; ein weit groͤßerer, daß so wenig Englaͤnder darin sind. Freylich sind seine Englaͤnder am Ende auch Deutsche, nur in idyllischen Verhaͤltnissen und mit sentimentalen Namen: indessen haben sie immer eine starke Aehnlichkeit<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [131/0320]
Der große Haufen liebt Friedrich Richters Romane vielleicht nur wegen der anscheinenden Abentheuerlichkeit. Überhaupt interessirt er wohl auf die verschiedenste Art und aus ganz entgegengesetzten Ursachen. Waͤhrend der gebildete Oekonom edle Thraͤnen in Menge bey ihm weint, und der strenge Kuͤnstler ihn als das blutrothe Himmelszeichen der vollendeten Unpoesie der Nazion und des Zeitalters haßt, kann sich der Mensch von universeller Tendenz an den grotesken Porzellanfiguren seines wie Reichstruppen zusammengetrommelten Bilderwitzes ergoͤtzen, oder die Willkuͤhrlichkeit in ihm vergoͤttern. Ein eignes Phaͤnomen ist es; ein Autor, der die Anfangsgruͤnde der Kunst nicht in der Gewalt hat, nicht ein Bonmot rein ausdruͤcken, nicht eine Geschichte gut erzaͤhlen kann, nur so was man gewoͤhnlich gut erzaͤhlen nennt, und dem man doch schon um eines solchen humoristischen Dithyrambus willen, wie der Adamsbrief des trotzigen, kernigen, prallen, herrlichen Leibgeber, den Namen eines großen Dichters nicht ohne Ungerechtigkeit absprechen duͤrfte. Wenn seine Werke auch nicht uͤbermaͤßig viel Bildung enthalten, so sind sie doch gebildet: das Ganze ist wie das Einzelne und umgekehrt, kurz, er ist fertig. Es ist ein großer Vorzug des Siebenkaͤs, daß die Ausfuͤhrung und Darstellung darin noch am besten ist; ein weit groͤßerer, daß so wenig Englaͤnder darin sind. Freylich sind seine Englaͤnder am Ende auch Deutsche, nur in idyllischen Verhaͤltnissen und mit sentimentalen Namen: indessen haben sie immer eine starke Aehnlichkeit
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