Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.große Kunstwerke gleichsam im Vorbeygehn aufzubaun; denn das sind die natürlichen Aeußerungen eines solchen Karakters, wenn er nicht erlischt; dieß zu mahlen, hat die Sprache nicht Mangel an Worten. Es giebt einen dritten Karakter, der beyde vereinigt, der so lange er einen Zweck vor Augen hat, alles wieder zum Zweck macht, was in das System desselben gehört, bey diesem endlichen Genuß dennoch das Höherstreben nicht vergißt und mitten auf seinen Riesenschritten immer wieder zu jenem zurückkehrt. Er verbindet das Talent, seine eignen Gränzen leicht zu finden, und nichts zu wollen, als was man kann, mit dem, seine Endzwecke mit den Kräften zugleich zu erweitern: die Weisheit und ruhige Resignazion des in sich gekehrten Gemüths, mit der Energie eines äußerst elastischen und expansibeln Geistes, der durch die geringste Oeffnung, die sich darbietet, entweicht, um in einem Augenblick einen weit größern Kreis als den bisherigen auszufüllen. Er macht nie einen vergeblichen Versuch, den erkannten Schranken des Augenblicks zu entweichen, und glüht dabey doch von Sehnsucht, sich weiter auszudehnen; er widerstrebt nie dem Schicksal, aber er fodert es in jedem Augenblick auf, ihm eine Erweiterung seines Daseyns anzuweisen; er hat immer alles im Auge, was ein Mensch nur werden kann und zu werden wünschen mag, aber strebt nie nach etwas, bis der günstige Moment erschienen ist. Daß ein solcher Karakter ein vollendetes praktisches Genie wäre, daß bey ihm alles Absicht und alles Jnstinkt, alles Willkühr große Kunstwerke gleichsam im Vorbeygehn aufzubaun; denn das sind die natuͤrlichen Aeußerungen eines solchen Karakters, wenn er nicht erlischt; dieß zu mahlen, hat die Sprache nicht Mangel an Worten. Es giebt einen dritten Karakter, der beyde vereinigt, der so lange er einen Zweck vor Augen hat, alles wieder zum Zweck macht, was in das System desselben gehoͤrt, bey diesem endlichen Genuß dennoch das Hoͤherstreben nicht vergißt und mitten auf seinen Riesenschritten immer wieder zu jenem zuruͤckkehrt. Er verbindet das Talent, seine eignen Graͤnzen leicht zu finden, und nichts zu wollen, als was man kann, mit dem, seine Endzwecke mit den Kraͤften zugleich zu erweitern: die Weisheit und ruhige Resignazion des in sich gekehrten Gemuͤths, mit der Energie eines aͤußerst elastischen und expansibeln Geistes, der durch die geringste Oeffnung, die sich darbietet, entweicht, um in einem Augenblick einen weit groͤßern Kreis als den bisherigen auszufuͤllen. Er macht nie einen vergeblichen Versuch, den erkannten Schranken des Augenblicks zu entweichen, und gluͤht dabey doch von Sehnsucht, sich weiter auszudehnen; er widerstrebt nie dem Schicksal, aber er fodert es in jedem Augenblick auf, ihm eine Erweiterung seines Daseyns anzuweisen; er hat immer alles im Auge, was ein Mensch nur werden kann und zu werden wuͤnschen mag, aber strebt nie nach etwas, bis der guͤnstige Moment erschienen ist. Daß ein solcher Karakter ein vollendetes praktisches Genie waͤre, daß bey ihm alles Absicht und alles Jnstinkt, alles Willkuͤhr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0327" n="138"/> große Kunstwerke gleichsam im Vorbeygehn aufzubaun; denn das sind die natuͤrlichen Aeußerungen eines solchen Karakters, wenn er nicht erlischt; dieß zu mahlen, hat die Sprache nicht Mangel an Worten. Es giebt einen dritten Karakter, der beyde vereinigt, der so lange er einen Zweck vor Augen hat, alles wieder zum Zweck macht, was in das System desselben gehoͤrt, bey diesem endlichen Genuß dennoch das Hoͤherstreben nicht vergißt und mitten auf seinen Riesenschritten immer wieder zu jenem zuruͤckkehrt. Er verbindet das Talent, seine eignen Graͤnzen leicht zu finden, und nichts zu wollen, als was man kann, mit dem, seine Endzwecke mit den Kraͤften zugleich zu erweitern: die Weisheit und ruhige Resignazion des in sich gekehrten Gemuͤths, mit der Energie eines aͤußerst elastischen und expansibeln Geistes, der durch die geringste Oeffnung, die sich darbietet, entweicht, um in einem Augenblick einen weit groͤßern Kreis als den bisherigen auszufuͤllen. Er macht nie einen vergeblichen Versuch, den erkannten Schranken des Augenblicks zu entweichen, und gluͤht dabey doch von Sehnsucht, sich weiter auszudehnen; er widerstrebt nie dem Schicksal, aber er fodert es in jedem Augenblick auf, ihm eine Erweiterung seines Daseyns anzuweisen; er hat immer alles im Auge, was ein Mensch nur werden kann und zu werden wuͤnschen mag, aber strebt nie nach etwas, bis der guͤnstige Moment erschienen ist. Daß ein solcher Karakter ein vollendetes praktisches Genie waͤre, daß bey ihm alles Absicht und alles Jnstinkt, alles Willkuͤhr<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [138/0327]
große Kunstwerke gleichsam im Vorbeygehn aufzubaun; denn das sind die natuͤrlichen Aeußerungen eines solchen Karakters, wenn er nicht erlischt; dieß zu mahlen, hat die Sprache nicht Mangel an Worten. Es giebt einen dritten Karakter, der beyde vereinigt, der so lange er einen Zweck vor Augen hat, alles wieder zum Zweck macht, was in das System desselben gehoͤrt, bey diesem endlichen Genuß dennoch das Hoͤherstreben nicht vergißt und mitten auf seinen Riesenschritten immer wieder zu jenem zuruͤckkehrt. Er verbindet das Talent, seine eignen Graͤnzen leicht zu finden, und nichts zu wollen, als was man kann, mit dem, seine Endzwecke mit den Kraͤften zugleich zu erweitern: die Weisheit und ruhige Resignazion des in sich gekehrten Gemuͤths, mit der Energie eines aͤußerst elastischen und expansibeln Geistes, der durch die geringste Oeffnung, die sich darbietet, entweicht, um in einem Augenblick einen weit groͤßern Kreis als den bisherigen auszufuͤllen. Er macht nie einen vergeblichen Versuch, den erkannten Schranken des Augenblicks zu entweichen, und gluͤht dabey doch von Sehnsucht, sich weiter auszudehnen; er widerstrebt nie dem Schicksal, aber er fodert es in jedem Augenblick auf, ihm eine Erweiterung seines Daseyns anzuweisen; er hat immer alles im Auge, was ein Mensch nur werden kann und zu werden wuͤnschen mag, aber strebt nie nach etwas, bis der guͤnstige Moment erschienen ist. Daß ein solcher Karakter ein vollendetes praktisches Genie waͤre, daß bey ihm alles Absicht und alles Jnstinkt, alles Willkuͤhr
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |